Kapitel 56 - Lucius

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Kapitel 56 - Lucius

James seufzte. „Wir finden schon was. Außerdem, denk doch mal nach wen wir im Gepäck haben!" Er deutete in die Richtung in die Levi mit den Mutanten verschwunden war. „Würdest du nichts herausfinden wollen? Egal wie aussichtslos es scheint irgendetwas zu finden?" Jo senkte stumm ihren Kopf. Sie presste ihre Lippen fest aufeinander. „Na siehst du.", sagte James und sah sich um. „Wo sollen wir anfangen?"

„Ich würde sagen, wir erkunden erst einmal unsere Umgebung.", schlug ich vor. „Es gibt hier weitaus mehr Räume, als die, die wir gesehen haben. Schließlich müssen wir auch gucken, ob es hier wirklich sicher ist."

„Nicht, dass uns noch Mutationen angreifen, die sich hier verstecken.", stimmte Mikéle mir zu. Ich nickte. Außerdem wollte ich mir diese Einrichtung mal richtig ansehen. Immerhin wollte ich wissen was das hier für ein Ort war, an dem meine Schwester aus ihrem eigenen Körper verdrängt wurde. Ob sie hier oder noch in der Nähe unseres Zuhauses gestorben war, wusste ich nicht. Oder ob sie überhaupt gestorben war. Das machte mir Sorgen. Wenn sie es wirklich war ... Dann musste sie jetzt sonst was von mir denken. „Okay.", fuhr ich fort. „Wir teilen uns auf. Jo und Mikéle, ihr geht da hinten lang." Ich deutete auf eine Tür, die einige Meter entfernt war. „James, Brenda, wir gehen hier lang." Jo und Mikéle machten sich auf den Weg und Brenda, James und ich liefen auf eine schwere, weiße Tür, in der Nähe des Büros, zu. James packte den Griff und zog mit aller Kraft daran. „Jetzt hilf mir mal!", keuchte er und sah mich auffordernd an. Schnell kam ich ihm zur Hilfe. Gemeinsam versuchten wir die weiße Tür aufzustemmen, die blöder Weise auch noch klemmte. „Brenda, hilf mit!", fuhr ich die Rothaarige wütend an, die nach wie vor wie ein Häufchen Elend aussah. Ohne etwas zu sagen ging sie auf uns zu und zu dritt schafften wir es, diese blöde Tür aufzudrücken. „Na geht doch!", brummte ich und wir traten ein. Ein großer Flur, von dem mehrere Gänge abgingen kam zum Vorschein. Auch hier entdeckte ich andere Räume mit Röhren und merkwürdigen, unbekannten Maschinen. Es war alles recht eintönig. Weiße und graue Wände, die in den fünf Jahren ziemlich in Mitleidenschaft gerissen wurden. Von den Decken hingen zerstörte Neonröhren, die kein Licht mehr spendeten und somit war der Flur in dunkle Schatten getaucht. Hinter jeder Ecke, jeder Abbiegung lauerten sie. Sie trugen nicht gerade zu einer Wohlfühlatmosphäre bei. Was mir schnell auffiel war der Geruch. Ein beißender, abgestandener Geruch.

„Bäh, was ist das denn?", bemerkte nun auch James und hielt sich seine Nase zu. Brenda seufzte. „Reiß dich mal zusammen, James!", giftete sie ihn an. Da war sie wieder! Brenda, wie wir sie kannten. Wurde auch langsam Zeit. James sah Brenda böse an. „Als ob dich dieser Geruch nicht stört!", sagte er und verzog sein Gesicht. „Was zur Hölle ist das?"

„Keine Ahnung, aber wir werden es herausfinden!", sagte ich und fing an dem beißenden Geruch zu folgen. „Nicht dein Ernst!", murmelte James, folgte mir aber dennoch. Wir liefen zielstrebig durch die Gänge und ich hoffte, dass wir den Weg zurück finden würden. Aber darüber würde ich nachher nachdenken. Der Gang, in dem wir uns befanden, endete an einer weiteren weißen Tür. Diese ging jedoch ein wenig einfacher auf, als die zuvor. Vorsichtig drückten wir sie auf und verzogen auch sogleich das Gesicht. Der Geruch hier drin war überwältigend. Und säuerlich. Angewidert sah ich mich um. Der Raum war voller Regale mit Reagenzgläsern, in denen trübe Flüssigkeiten schwammen, die alles andere als appetitlich aussahen. Was zur Hölle waren das für Flüssigkeiten? Das war ja widerlich! Angeekelt wandte ich meinen Blick von den Reagenzgläsern ab. In dem Raum gab es eine Arbeitsplatte mit Rollen, auf der mehrere verschiedene Operationsinstrumente lagen. Unter ihnen auch Spritzen mit verschiedenen Nadeln. Mir wurde schlecht. Was für ein kranker Haufen hatte denn hier gearbeitet? Das war doch abartig! Wenn meine Schwester hier noch bei Bewusstsein gewesen war ... Ich wollte überhaupt nicht daran denken. Es musste schrecklich gewesen sein. Einige der herumstehenden Apparate erkannte ich aus dem Krankenhaus. Außerdem gab es noch eine zweite Tür, die hinter eine stabil aussehende, dicke Glaswand führte. Wofür war die wohl gewesen? Um dahinter in Deckung zu gehen? Mir drehte sich der Magen um. Was war hier bloß alles passiert?

James ging auf die Arbeitsplatte zu. „Mensch, sieh dir das mal an!", murmelte er und hob eine der Spritzen hoch, die neben einem paar Handschuhe und einem leeren Reagenzglas lag. „Fass das doch nicht an, du Idiot!"; rief ich und schlug ihm die Spritze aus der Hand. Diese flog im hohen Bogen durch den Raum. Genau auf Brenda zu. Diese schrie erschrocken auf und wich aus. Klirrend kam die Spritze auf dem Boden auf. Brenda sah fassungslos zu uns. „Sagt mal, geht's noch?!", rief sie empört. „Ja, ja, Entschuldigung.", sagte James desinteressiert und ließ sich auf eine Art Zahnarztstuhl fallen. Der Stuhl rollte mit James ein paar Meter durch den Raum. „James!", rief ich entsetzt. „Reiß dich zusammen! Das hier ist alles andere als ein Spielplatz!" James machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das weiß ich doch. Reg dich ab, Luc."

„Meine Güte, sind das etwa Fesseln?", fragte Brenda und deutete auf einen Zahnarztliegestuhl, an dem Metallfesseln für die Arme und Füße befestigt waren. Alles war auf Kindergröße zugeschnitten. Es war ein ziemlich beklemmendes Gefühl hier zu sein und sich all das kranke Zeug anzusehen. Mittlerweile fragte ich mich, ob Ambrosia nicht doch noch abstoßender war, als ihre selbst geschaffenen Mutationen. „Selbst das hier haben die gefilmt.", stellte James fest, der auf die Überwachungskameras starrte. „Gibt es etwas, was die nicht gefilmt und beobachtet haben?" Die Überwachungskameras! Das war die Idee! Ich könnte nachsehen, ob ich mir die Aufnahmen der Überwachungskameras ansehen konnte! Das wäre ziemlich hilfreich. Und vielleicht war auch irgendwo darauf meine Schwester zusehen. Nur ob ich das, was es darauf zu sehen gab, so unbedingt sehen wollte, war wieder eine andere Frage. „Lasst uns von hier verschwinden.", sagte Brenda. „Das hier ist total krank und unheimlich." Sie starrte auf die Reagenzgläser in den Regalen. „Sollten wir eines davon nicht mitnehmen und den anderen zeigen?", fragte James und sein Blick lag auf den trüben Flüssigkeiten. „Aber was, wenn das kaputt geht? Und wir damit in Kontakt kommen?", gab Brenda zu bedenken. Ja, was passierte dann? Allerdings lagen hier auch Spritzen herum, was vielleicht bedeutete, dass diese Flüssigkeiten gespritzt wurden. Aber was, wenn auch bei Hautkontakt schon etwas ausgelöst wurde? Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Auf gar keinen Fall. „Wir können Handschuhe nehmen.", schlug James vor und zog einen der alten Gummihandschuhe von der Arbeitsplatte. Er wartete nicht lange auf meine Antwort, sonder streifte sich einfach den Gummihandschuh über seine Hand und ergriff eines der Reagenzgläser, indem eine grün-gelbe Flüssigkeit herum schwappte. „Ich weiß nicht so recht.", meinte ich. „Stell das lieber wieder zurück."

„Ach was.", winkte James ab. „Es passiert schon nichts."

„Das kannst du nicht wissen.", sagte ich. „Sei vernünftig, James. Lass es hier." Doch James war nicht mehr von seiner Idee abzubringen. Er ließ das Reagenzglas nicht mehr los. „Jetzt komm schon, Luc. Lass es uns den anderen zeigen!", sagte er und grinste. „Dann können wir sagen, dass wir was gefunden haben." Da James sowieso nicht auf mich hören würde, gab ich es auf.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now