Kapitel 48

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Kapitel 48

Wach wurde ich, als sich etwas Hartes in meinen Rücken bohrte. Liam hatte mich gerade erst abgelegt und das an meinem Rücken war ein Baumstamm. Liam und Kieran ließen sich schwer atmend auf den Boden fallen. Schweigend beobachtete ich sie beiden. Vor meinem inneren Auge spielte sich immer und immer wieder die Szene von Aldric ab. Aldric, der brannte. Ich zitterte. Aldric war tot. „Du bist wach.", bemerkte Liam tonlos. Er sah mich aus traurigen Augen an. „Was sollen wir tun, Frey? Wir können nirgendwo hin. Und sie haben Audra mitgenommen." Das mit Aldric sprach er nicht aus. Doch die unausgesprochenen Worte schwebten schweigend zwischen uns. Liam wandte sich an Kieran. „Du. Du kannst zurück. Geh, bevor sie nach dir suchen.", sagte er. Doch Kieran starrte Liam nur ungläubig an. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich zurück gehe? Lieber sterbe ich hier im Wald, als im Haus der Severos!"

Wir schwiegen. Um uns herum war es noch immer dunkel. Also war es immer noch Nacht. Der Wald war still. „Geht es dir besser?", fragte Kieran mich schließlich, als er das Schweigen brach. Ich versuchte mich ein wenig aufzusetzen. Es gelang mir so halbwegs. „Besser ja, aber die Hitze hat mir ziemlich zugesetzt.", sagte ich. „Wir müssen weiter. Wir können hier nicht bleiben. Sie werden nach uns suchen." Ich versuchte aufzustehen, doch sofort drückte Kieran mich wieder auf den Boden. „Hör auf! Du solltest dich schonen.", sagte er bestimmt. „Weitergehen können wir später. Im Wald sind wir erst einmal sicher. Außerdem haben wir einen guten Vorsprung. Sie müssen erst einmal Verstärkung holen, da alle von denen tot sind." Audra war wohl noch vorher weggebracht worden.

„Aber wer waren die?", wollte ich wissen. „Wieso waren sie bei uns?" Kieran seufzte. „Das waren Leute von der Regierung. Sie holen Mutanten. Entweder um sie in die Armee zu schicken oder um sie zu eliminieren.", erklärte er.

„Und weshalb waren sie bei uns zu Hause?", fragte Liam verzweifelt. „Wir sind nie aufgefallen. Wir haben nie Aufmerksamkeit auf uns gezogen!" Liam lehnte sich an einen Baumstamm und schloss seine Augen. „Weshalb wir?" Kieran rupfte immer wieder einige Grashalme aus dem Boden und warf sie neben sich, ehe er weiter welche ausriss. „Jemand muss sich bei der Regierung beschwert haben. Jemand muss denen gesagt haben, dass eure Menschen euch zu gut behandeln oder so was. Also hat die Regierung euch einen Denkzettel verpasst." Er schmiss wieder einige Grashalme beiseite. „Ich denke, sie wollten die Harris' nur festnehmen und einsperren. Ich denke, dass Mr Harris stirbt war nicht geplant. Und euch wollten sie mitnehmen."

Liam sah Kieran entgeistert an. „Aber sie haben das Haus in Flammen aufgehen lassen! Wieso? Wieso haben die das gemacht?" Er sah kurz besorgt zu mir, ehe er wieder zu Kieran sah. Kieran hörte auf Grashalme zu rupfen. Er legte seine Hände in seinen Schoß. „Eine Warnung an alle anderen, die Mutanten bei sich haben." Mehr musste er dazu nicht sagen. Liam setzte an noch etwas zu fragen, er setzte sich auf, seine Hand glitt über den Boden und plötzlich schoss etwas von oben herunter. Ich schrie erschrocken auf. Ehe ich mich versah, befanden wir alle drei uns in einer Art Käfig. Hatten sie uns? Hatten sie uns jetzt doch gefunden? Panisch sah ich Liam und Kieran an. Doch diese hatten bereits damit begonnen, an den Stäben zu rütteln. Ich hatte wirklich geglaubt, dass sie es schafften. Aber zu unserer Überraschung bewegten sich die Stäbe kein Stück. Entgeistert ließ Kieran als erster von ihnen ab. „Aus was zur Hölle sind die gemacht?", murmelte er vor sich hin. Liam hörte nach ihm auf, doch setzte er sich nicht wieder hin. Lauernd spähte er in die Dunkelheit. Wir hatten keine Chance mehr. Wir saßen hier wie auf dem Präsentierteller. Waren unfähig etwas dagegen zu tun. Auf einmal bemerkte ich die Lichter von mehreren Taschenlampen. Menschen kamen auf uns zu und blieben vor dem Käfig stehen. Ich machte mir nicht die Mühe aufzustehen. Ich war dazu sowieso nicht in der Lage. Noch nie hatte ich mich so hilflos gefühlt. Mal von der Sache im Garten abgesehen. Doch ich akzeptierte es. Etwas anderes blieb mir gar nicht übrig. Jemand leuchtete zu uns in den Käfig und holte erschrocken Luft. Liam knurrte unser Gegenüber an, doch Kieran zog ihn zurück. „Das bringt doch nichts.", sagte er. „Kannst genauso gut sitzen bleiben." Ohne Anstrengungen identifizierte ich unser Gegenüber auf der anderen Seite des Käfigs als Lucius. Hinter ihm standen James und die anderen. Sie alle waren wohl aus ihren Schlafsäcken aufgeschreckt. Na super. Wir waren ihnen genau in die Arme gelaufen. Hier in der Nähe musste sich ihr Lager befinden. Lucius starrte mich lange an, doch als er das bemerkte, dass ich ihn dabei ansah, wandte er schnell seinen Blick ab. Sie alle sagten kein Wort, sondern starrten nur uns an. Brenda hatte natürlich nur Augen für Liam. Und immer wieder erwischte ich einen der Jäger, der unsere Augen anstarrte, die in der Dunkelheit intensiv glühten. Kieran Augen waren dieses mal anstelle von schwarz, weiß. Und dementsprechend leuchteten sie. Als er allerdings bemerkte, dass er deswegen angestarrt wurde, passte er sie schnell der Dunkelheit an, wie auch den Rest seines Körpers, sodass er selbst im Schein der Taschenlampe beinahe nicht zu sehen war. „Wir bringen sie ins Lager.", befahl Lucius nur und vier von ihnen kamen auf uns zu. James und die Reyes. Jeder von ihnen packte eine Ecke des Käfigs und sie hoben ihn zusammen hoch. Liam und Kieran warfen einander kurz fragende Blicke zu. Anscheinend konnten Mutanten in diesem Käfig ihre Stärke nicht benutzen. „Bewegt euch.", befahl Lucius uns und sah uns ungeduldig an. Liam und Kieran allerdings hockten sich erst einmal zu mir. Einer links, einer rechts und gemeinsam zogen sie mich hoch und stützen mich beim Laufen. Kurz meinte ich, dass Lucius erschrocken und besorgt aussah, doch so schnell wie es gekommen war, so war es auch wieder verschwunden. Wir machten vermutlich überhaupt keinen Eindruck. Liam und ich waren von oben bis unten mit Ruß bedeckt und wir alle drei sahen müde und fertig aus. Kieran war zusätzlich noch mit Blut bespritzt. Die vier Jäger bewegten den Käfig und uns blieb nichts anderes übrig, als mit zu gehen. Lucius lief voran, obwohl ich immer wieder bemerkte, wie er sich zu mir umdrehte und mich anstarrte. Doch immer wenn er bemerkte, dass ich ihn ansah, wandte er seinen Blick ab. Als könnte er den Anblick nicht ertragen. Es schmerzte mich. Ich ließ mir nichts anmerken, aber es schmerzte furchtbar. Natürlich blieben mir die Blicke von James, Jo, Mikéle und Levi nicht unbemerkt. Lucius schob irgendwann ein falsches Gebüsch beiseite und offenbarte uns den Eingang zu ihrem Lager. Es war recht groß und unser Käfig wurde dort abgestellt, wo die Entfernung zu den Zelten am größten war. Kaum wurde der Käfig wieder abgesetzt, ließen Liam und Kieran mich auf den Boden sinken. Liam starrte danach meinen Bruder böse an, währen Kieran sie alle ignorierte und sich neben mir auf den Boden fallen ließ. „Was für eine Scheiße.", murmelte er. „Spätestens morgen früh müssen wir weitergehen, wenn wir nicht wollen, dass wir entdeckt werden." Er warf einen Blick auf die Jäger. „Aber ich glaube, das können wir jetzt vergessen."

Freya Winter - MutantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt