Kapitel 95.2

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Bis Lucius entschlossen den Kopf schüttelte. „Nein.", sagte er. Seine Stimme klang bitterernst. „Das ist ja, als würden wir ihnen genau zeigen, wo sie lang gehen müssen, um uns zu finden. Auf keinen Fall." Wen genau er mit „ihnen" meinte, konnte ich leider nicht mit Bestimmtheit feststellen. „Wir sollten den Wagen auf der Straße in Morvah abstellen. Oder hinter irgendeinem der Häuser dort. Dann wundern die Bewohner sich halt, woher der Wagen kommt und wo seine Besitzer sind. Die Hauptsache ist, dass wir sie nicht bis direkt vor unsere Haustür führen." Eine Weile lang war es still, dann nickte Harlan. Wortlos startete er wieder den Motor, wendete und fuhr zurück nach Morvah. Dort war wenig los. In den meisten der wenigen Häuser brannte Licht und in einer kleinen Gaststätte hatten sie einige der Bewohner versammelt, wie ich durch die Fenster erkennen konnte. Ansonsten war die Straße leer.

„Vielleicht solltest du dort an der Gaststätte halten.", schlug ich vor. „Dort fällt der Wagen bestimmt ein bisschen weniger auf." Ohne auf meinen Vorschlag zu antworten, kam Harlan ihm nach. Keiner der Gäste blickte auch nur für mehr als eine Sekunde in unsere Richtung. Ich zog meine Kapuze wieder tief in mein Gesicht und als ich ausstieg, schob ich meine Hände auch direkt wieder in die Manteltaschen. Kein Stück meiner Haut sollte zu sehen sein. Nach mir hüpften direkt Sophia und ihr jüngerer Bruder Felix aus dem Auto. Die beiden schienen wieder hellwach zu sein und freuten sich darauf, nicht mehr länger sitzen zu müssen. Sobald Michelle auch ausgestiegen war, nahm sie die Kinder wieder an die Hand, damit diese bloß nicht irgendwohin rennen konnten. Als letztes stiegen Harlan und mein Bruder aus. Schweigsam betrachteten sie ihre Umgebung, ehe sie sich beinahe gleichzeitig in unsere Richtung wandten.

„Wir werden ein ganzes Stück laufen müssen.", sagte Lucius trocken, woraufhin auch schon Harlan das Wort ergriff. „Wir sollten uns beeilen. Ansonsten müssen wir in der Dunkelheit umherirren."

Michelle lachte leise. „Nicht, dass das für dich ein Problem wäre."

„Aber für dich.", erwiderte ihr Ehemann. Daraufhin seufzte sie bloß und schob eines der Kinder ihm zu. Wortlos ergriff Harlan Sophias Hand, wobei er ihr sanft zulächelte.

Wir gingen los. Ließen Morvah hinter und und bald schon auch die Straße. Unsere Wanderung führte uns mitten durch die Felder. Diese waren bereits zum Großteil abgeerntet, weshalb wir mühelos vorankamen .Nur die beiden Kinder stolperten hier und da über ein paar feste Getreidestummel, die noch einige Zentimeter aus dem Boden ragten.

Mittlerweile wurde es immer schneller dunkel. Die Sonne war bloß noch ein schmaler blutroter Streifen am Horizont, der langsam aber sicher zu verschwinden drohte. Und dennoch sahen wir noch nicht einmal den Schatten eines Hauses. Um uns herum war nichts. Bloß Felder. Und noch mehr Felder.

Irgendwann begann Felix zu weinen. Besorgt hob Michelle ihn hoch und begann, ihn zu tragen. „Er ist müde und vollkommen fertig.", informierte sie uns. Und dann stellte sich mir die Frage, wie lange die Familie denn nun schon auf der Flucht war. Das musste für die kleinen Kinder ein ziemlicher Stress sein. Und nicht nur für die Kinder. Auch Harlan und Michelle benötigten eine Pause. Ich konnte ihnen ihre Müdigkeit ansehen, doch beide sagten kein Wort. Für sie konnte ich nur hoffen, dass wir das Haus bald fanden. Und dass die Tochter von Aldrics Großtante nicht doch spontan auf die Idee gekommen war, dass sie das Ferienhaus doch einmal benutzen wollte.

„Mir tun die Füße weh!", krähte Sophia, die sich von ihrem Vater mehr mitschleifen ließ, als dass sie wirklich ging.

„Es ist nicht mehr weit.", sagte Harlan, um sie zu ermuntern. „Wir haben es bald geschafft." Mit großen Augen blickte sie zu ihm hoch.

„Wirklich?", fragte sie und wirkte schon wieder ganz hoffnungsvoll.

Harlan nickte zuversichtlich. „Aber sicher. Schon bald kannst du wieder in einem Bett schlafen." Augenblicklich erhellte sich Sophias Gesicht.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now