Kapitel 99.2

1.3K 151 26
                                    

Anmutig sprang sie von einem Ast und ließ sich zu Liam, Audra und mir herunter fallen. Augenblicklich spannte Liam sich an. Für seinen Geschmack war die Mutantin Audra zu nahe gekommen. Ohne zu zögern schickte er ihr eine Feuersalve entgegen, der sich im freien Fall kaum ausweichen konnte.

Augenblicklich fing ihre enge schwarze Hose Feuer. Doch sie handelte schnell, ließ sich auf dem Boden angekommen abrollen und brachte genug Abstand zwischen sich und uns. Sofort wälzte sie sich auf der Erde herum, um das Feuer zu ersticken. Es gelang ihr.

Dennoch war sie nicht unversehrt geblieben. Brandlöcher hatten sich in ihre Hose gefressen und die helle Haut darunter war gerötet. Aber sie ließ es sich kaum anmerken.

Trotzdem tat sie ihr Bestes, um den Schmerz zu ignorieren, sodass es beinahe wirkte, als wäre sie genauso schmerzresistent wie emotionslos. Ihre braun-gelben Augen funkelten uns entgegen.

Sie ging in den Sprint über und rauschte geradewegs auf uns zu. Da sie vielleicht ausweichen könnte, verzichtete ich dieses Mal auf meine Eissäulen und griff wieder auf die Vereisung des Waldbodens zurück. Rasch legte sich das Eis genau in Fünfundachtzigs Bahn. Wie der Bär zuvor verlor sie den Halt, rutschte aus. Auch sie hatte zu viel Schwung, als dass sie sich irgendwie helfen könnte. Und genau das würde ich ausnutzen. Mitten in ihrem Weg schoss eine eisige Wand aus dem Nichts empor. Mit voller Wucht knallte die Mutantin dagegen und wurde schmerzhaft zum Anhalten gezwungen.

Das Stöhnen konnte sie sich nicht verkneifen.

»Freya...«, seufzte Audra blinzelnd. Ihre Stimme klang schon wieder kräftiger und sie fokussierte die Eiswand mit ihren Augen an. »Bin ich froh, dass du nicht meine Feindin bist.« Ich lächelte leicht. Das war das erste Mal, dass Audra mich und meine Kräfte während eines Kampfes beobachtete. Zuvor hatte ich sie in ihrer Anwesenheit meist genutzt, um Eiswürfel herzustellen. Auf sie musste ich jetzt ganz fremd wirken. Sie nahm das erstaunlich gut auf.

»Und was ist mit mir?«, versuchte Liam Audra von dem blutigen Geschehen um sie herum abzulenken. Immerhin sollte sie nicht auch noch die Leiche des Bären sehen, wenn es sich vermeiden ließ.

»Dich möchte ich auch nicht zum Feind haben.«, sagte sie mit einem leisen Lächeln, obwohl ich bezweifelte, dass sie Liam gerade in Aktion gesehen hatte. Zuvor war sie noch ganz schön weggetreten gewesen.

Nun wankte Fünfundachtzig hinter der Eiswand hervor. Ströme von Blut liefen ihr aus der Nase und bereits jetzt konnte ich sagen, dass ihr Gesicht schon begann, anzuschwellen. Der Aufprall war doch ziemlich heftig gewesen. Doch das änderte nichts an ihrer Entschlossenheit.

Sie näherte sich uns. Jetzt war sie vorsichtiger, jederzeit bereit, auszuweichen. Und das musste sie auch. Unaufhörlich ließ ich Eisspeere aus dem Boden schießen, doch kein einziger von ihnen konnte sich in sie hinein bohren. Geschickt hüpfte sie hin uns her, ehe sie eine Lücke erwischte und hindurch stürzte. Plötzlich stand sie genau vor uns. Mit ausgestreckter Hand, wollte ich ihr Eis entgegen schießen, doch sie warf sich zu Seite, sprang wieder auf und war mit einem Mal Audra ziemlich nahe. Erschrocken schrie Audra auf, als sie die Mutantin bemerkte. Liam handelte. 

Glühend heiße Feuersalven kamen ihr entgegen. Meinem Eis, das ich ihr gleichzeitig zu warf, wich sie ebenfalls aus. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte Audra Fünfundachtzig an. Sie versuchte, sich mit dem Baumstamm als Stütze, aufzurichten, doch sie scheiterte. Noch war ihre Kraft nicht zurückgekehrt und die vielen Schnitte mussten ihr ganz schön zusetzen.

»Liam, Freya ...«, murmelte sie. Panik schwang in ihrer Stimme mit.

»Keine Sorge.«, sagte ich und schaffte es, ihr ein beruhigendes Lächeln zu schenken, während ich Fünfundachtzig abwehrte, die in den Nahkampf übergegangen war und mit ihren spitzen Fingernägeln nach mir schlug.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now