Epilog

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Das Sonnenlicht schien warm auf unsere Gesichter. Heute waren keine Wolken am Himmel zu sehen und er strahlte in seinem schönsten Blau. Freudiges Kindergekreische schallte zu uns herüber. Ein lauwarmer Wind strich sanft über meine Schuppen. Lange hatte ich mich nicht mehr so frei und ausgeglichen gefühlt.

Skeptisch sah Kieran sich um. »Was genau machen wir hier?«, wollte er wissen. Misstrauisch beäugte er die bunten Fahrgeschäfte und die fröhlich herumtollenden Kinder. Der Besuch im Freizeitpark war meine Idee gewesen.

»Ich möchte dir das Leben zeigen.«, sagte ich und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln. »Du bist in einem Labor aufgewachsen, seit du zwei Jahre alt warst. Und seit du bei deinen Eltern wohnst, hast du dich immer von Orten mit vielen Menschen ferngehalten.«

Sein Gesicht verdüsterte sich. »Wer hat dir das denn erzählt?«

»Lisha.«, sagte ich mit einem Grinsen. Immerhin hatte ich das hier vorher mit ihr absprechen müssen. Zuerst war sie nicht sonderlich überzeugt gewesen. Ihr hatte die Idee nicht gefallen, ihren Sohn alleine mit mir gehen zu lassen. Sie und Kierans Vater, Amari, behielten ihn lieber in ihrer Nähe. Sie waren mit seiner Vergangenheit vertraut und so wenig es Kieran auch gefiel, kannten sie seine Meinung über die Menschen. Außerdem hatten sie festgestellt, dass das neue Leben ihn überforderte. Er kam nicht wirklich gut klar mit all den neuen Eindrücken und Erkenntnissen. Darum waren Lisha und Amari zur Sicherheit immer in seiner Nähe gewesen, um ihn im Notfall beruhigen zu können, sollte ihm etwas zu viel werden oder der altbekannte Hass wieder hochkommen. Wenn sie ihn denn mal aus ihren Augen ließen, folgte ihm Noah, Kierans kleiner Bruder, auf Schritt und Tritt.

Ich hatte Lisha bloß überreden können, da sie wusste, dass ich deutlich besser mit dem Leben in der Gesellschaft klarkam, als ihr Sohn. Außerdem war auch ihr bewusst, dass sie ihn nicht für immer zurückhalten und in ihrer Nähe behalten konnte. Kieran brauchte den Kontakt zu der Welt. Ansonsten würde er niemals dazu in der Lage sein, sich ein eigenes Leben aufzubauen.

Kieran seufzte. »Schön. Wir sind hier. Was nun?«

»Na, was wohl?«, lachte ich und deutete auf das erste Fahrgeschäft, das mir unter die Augen kam. Ein einfaches Karussell. Nichts Dramatisches. Für den Anfang war es perfekt. Schließlich konnte ich ihn nicht zu aller erst auf eine Achterbahn ziehen. »Jetzt komm!«

Widerwillig ließ er sich von mir mitziehen. Misstrauisch betrachtete er die Pferdefigur, zu der ich deutete. Um uns herum rasten Kinder auf ihre Lieblingsfigur zu, bevor sie ihnen jemand wegschnappte. Kinder reagierten am Besten auf uns. Anders als Jugendliche oder Erwachsene. Die Abneigung uns gegenüber war noch nicht genug in ihnen verankert, weshalb sie uns meist ohne Vorbehalte gegenübertraten. Das bereitete mir Hoffnung. Natürlich waren da immer welche, die uns ängstlich auswichen, aber auch das würde eines Tages vergehen. Dessen war ich mir sicher.

»Los, steig auf, bevor du dir ein Neues suchen musst!«

»Wieso sollte ich mir ein Neues suchen müssen?«, fragte er. Da sprang auch schon ein kleines Mädchen an ihm vorbei und schwang sich auf die Pferdefigur, vor der Kieran stand.

»Genau deswegen.«, sagte ich.

»Du bist zu spät!«, krähte das Mädchen und grinste triumphierend. Entgeistert starrte Kieran das Kind an und das Kind starrte zurück.

»Glotz nicht so, das ist jetzt meins!«, sagte es. Mit einem Ruck setzte sich das Karussell in Bewegung. Überrascht taumelte Kieran, ehe er eine Metallstange zu packen bekam. Begeistert kicherte das Mädchen und beugte sich über das Pferd, als würden sie gemeinsam galoppieren.

»Steh nicht so angewurzelt da. Setzt dich.«, forderte ich ihn auf und deutete hinter mich. Im Gegensatz zu ihm hatte ich noch eine eine Pferdefigur ergattert. Ihm war anzusehen, wie gerne er mir jetzt seine Meinung geigen wollte, doch dann besann er sich eines Besseren und setzte sich schweigend hinter mich. Während der ganzen Fahr über sah ich sein Gesicht nicht, doch ich ahnte, dass er finster dreinblickte und mit seinem anderen Anblick die zusehenden Eltern der Kinder verstörte.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now