Kapitel 107

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»Sieh dir das an!« Ungläubig starrte Samuel auf sein Handy. Neugierig schaute ich auf den Bildschirm. Es lief gerade ein Video, das eine Menschenmenge auf der Westminster Bridge zeigte. Einige von ihnen hielten Schilder in die Luft, andere schienen irgendetwas zu rufen. Allerdings hatte Samuel den Ton nicht angestellt.

»Was ist das?«, wollte ich stirnrunzelnd wissen.

Ein zufriedenes Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln und zog sie langsam in die Höhe. »Das sind Menschen, die demonstrieren.«, erklärte er mit einem Hauch von Stolz in der Stimme. Und da er mir das unbedingt hatte zeigen wollen, ging ich davon aus, dass sie zu unseren Gunsten demonstrierten. Mit nervös klopfendem Herzen lenkte ich meine Aufmerksamkeit erneut zu den Schildern, die die Menschen hochhielten.

Die Schilder leuchteten in den verschiedensten Farben und zeigten beinahe alle unterschiedliche Schriftzüge. »Menschenrechte für Mutanten!« hieß es auf einem Regenbogenschild. Eines zeigte eine Zeichnung von Personen, die im Kreis standen und einander an den Händen hielten. Unter ihnen waren Menschen sowie Mutanten zu erkennen.

Aber es war ein anderes Schild, das mich schlucken ließ. »Samuel, was soll das?«, fragte ich leise. Das Schild, auf das ich mich bezog, war schneeweiß. Natürlich wusste er sofort, welches ich meinte.

»Das ist ein Zitat aus deinem Interview.«, sagte er ruhig. »Und ich finde es ganz passend.«

»Passend?« Zweifelnd schüttelte ich meinen Kopf, während meine Augen auf dem Schriftzug verharrten. #IchbinFreya. Das hatte ich gesagt, um Abstand zu meiner Nummer zu nehmen, um zu verdeutlichen, einmal ein Mensch gewesen zu sein. Ich war keine Nummer, sondern ein Lebewesen. Vermutlich hatten die Demonstranten das genau aus diesem Grund gewählt. Um meine Aussage zu unterstützen.

»Gibt es auch eine Gegendemonstration?«, wollte ich wissen.

Samuel schüttelte den Kopf. »Bisher noch nicht. Aber ich gehe ganz stark davon aus, dass das bald kommt.« Dennoch konnte seine Freunde nicht getrübt werden. »Es verändert sich etwas. Und es beginnt mit den Leuten. Jetzt müssen wir nur noch auf das Ergebnis von Varyas Treffen mit ihrem Vater warten.«

»Ist sie schon weg?« Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sie losgegangen war. Aber woher auch? Selbst, wenn sie hier war, bekam ich sie kaum zu Gesicht. Sie war lieber unter sich und hielt sich von den anderen fern.

Bestätigend nickte er. »Heute morgen hat Siebenundvierzig sie in die Stadt gebracht. Ich bin mal gespannt, ob Mr Melnikova überhaupt erscheint.«

»Ich bin mir sicher, dass er da sein wird.«, meinte ich und dachte an den Tag, an dem Varya, Lucius und ich aus Clausens Labor entkommen waren. Obwohl er zuerst geglaubt hatte, dass seine Tochter wieder ein Mensch war und ich ihm ansehen konnte, dass er sie vermisste, war ich mir sicher, dass er zumindest für ein Gespräch darüber hinwegsehen könnte, dass sie noch immer ein Mutant war.

»Hoffentlich geht alles gut.«, murmelte Samuel mit einem Hauch Nervosität. »Wir brauchen Mr Melnikova. Natürlich würden wir es auch allein durch den Druck der Bevölkerung auf die Politik schaffen können, aber direkt jemanden in der Politik zu haben, der uns unterstützt, steigert unsere Chancen erheblich, auch wirklich etwas zu bewirken. Oder zumindest ein wenig schneller.«

Urplötzlich wurde die Tür aufgestoßen und ein breit grinsender Elliot blickte uns aus gelb leuchtenden Augen entgegen. Euphorisch breitete er seine Arme aus. »Riecht ihr den Duft der Freiheit, Leute?«

Irritiert starrten Samuel und ich den Wolfsmutanten an. »Geht es dir gut?«, fragte Samuel skeptisch. Und obwohl das kaum möglich sein sollte, wurde Elliots Grinsen nur noch breiter.

Freya Winter - MutantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt