- Kapitel 72 -

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Diese Projektion zeigt also die Person, die ich am meisten bewundere. Bei genauerer Betrachtung ist es eigentlich nicht sonderlich verwunderlich, dass ich mich Alastair gegenüberstehend vorfinde. Er ist der Einzige, neben Meister Tarik, den ich durch und durch akzeptiere. Auch seine Fähigkeiten als Magier haben mich schon von Anfang an fasziniert. Abgesehen davon hat auch sein Wesen deutliche Eindrücke bei mir hinterlassen. Schließlich habe ich noch nie soviel über eine Person nachgedacht und mir den Kopf so sehr zerbrochen, wie in Alastairs Fall. Seine Persönlichkeit ist ganz und gar polarisierend, weshalb er mich von der ersten Sekunde an in seinen Bann gezogen hat. Dies zu leugnen wäre angesichts der faktensprechenden Situation wohl mehr als unnötig.
Nun gut, da ich jetzt weiß gegen wen oder besser gesagt gegen was genau ich eigentlich kämpfen muss, kann ich endlich damit anfangen mir einen Plan auszudenken. Angesichts dessen, dass dies hier eine äußerst starke Projektion ist, die keinerlei Beeinträchtigungen durch die Umgebung zu zeigen scheint und dazu quasi unsichtbar für mich ist, kann ich nicht vorhersagen aus welcher Richtung der nächste Angriff erfolgen wird. Ich kann weder seine Position noch die Art der Fortbewegung erkennen. Wenn ich wenigstens die Schwingungen spüren könnte, doch von Projektionen dieses Kalibers gehen einfach keine Schwingungen aus. Ob es nun daran liegt oder der Grund daher rührt, dass er sich lediglich durch die Schatten fortbewegt kann ich nicht genau sagen.
Grinsend schließe ich die Augen und konzentriere mich auf den ersten Schritt meines Sieges.
Ich werde heute definitiv nicht verlieren.
„Du spuckst große Töne..Alastair. Aber wie wird dieser Kampf wohl ausgehen wenn du dich nicht mehr so leicht in der Dunkelheit verstecken kannst?" kontere ich heiser und spreche den Zauberspruch, der meine Fäuste glühen lässt.
Nequissimi ignea pugnus!"
Mein Blut beginnt zu kochen und die magische Kraft in mir bahnt sich glühend heiß einen Weg hinab zu meinen Fäusten, ehe sie hell lodernd aufleuchten. Ich strecke meine Arme jeweils zur Seite aus und lasse die Flammen auf den Boden prasseln. Mit festem Stand lasse ich meine Arme einen Kreis bilden und schließe ihn mit meinen Handflächen, die ich gegeneinander presse. Ein Kreis aus Flammen umschließt das gesamte Areal und gibt nun endlich die genaue Position meines Gegners preis. Mit gerümpfter Nase blickt mir die Projektion entgegen. Die violett leuchtenden Augen verengen sich zu Schlitzen, ehe auch seine Hände beginnen lila zu glühen.
„Denkst du ernsthaft deine Magie reicht aus, um meine Dunkelheit zu verdrängen? Dummes Gör..dann zeige ich dir einmal wie schwach du im Vergleich zu mir wirklich bist..Deine Flammen sollen ersticken, genau wie du", entgegnet er mir finster dreinblickend, ehe der violette Nebel sich tief schwarz färbt und sich mit enormer Geschwindigkeit im Raum verteilt. Der Druck, der von seinem Zauber ausgeht, fegt mich beinahe von den Füßen, doch ich halte stand. Mit zusammengekniffenen Augen halte ich Agira fest.
Um mich herum herrscht nun noch tiefere Finsternis, als zuvor, falls das überhaupt möglich ist. Verärgert und mit zusammengebissenen Zähnen zische ich leise.
„Siehst du es jetzt endlich ein? Du hast keine Chance gegen einen General des schwarzen Rings. Die Kraft, um jemanden wie mich zu besiegen, fehlt dir gänzlich. Gibst du nun endlich freiwillig auf oder muss ich dich erst töten um dir das zu beweisen?", verhöhnt er mich Schmunzelnd, was an seiner Tonlage deutlich zu hören ist. Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten.
„Du würdest deine mickrigen Kräfte zwar verlieren, doch auf diese Weise könntest du zumindest dein Leben retten", säuselt er weiter vor sich hin und scheint sich mühelos im Raum zu bewegen. Natürlich, er ist schließlich ein Magier der dunklen Magierklasse. Seine Spezialität sind die Schatten. Selbstverständlich kann er die Dunkelheit nutzen, um sich lautlos durch die Schatten zu bewegen. Nicht übel, denke ich und wische mir den Schweiß von der Stirn. Dieser allgegenwärtige Druck setzt meinem Körper immer mehr zu und auch wenn ich es ungern zugebe, verschlimmert meine Magie diesen Zustand nur weiter. Es ist ohnehin schon heiß genug hier unten. Wenn ich weiterhin meine Flammen einsetze wird es mir von Sekunde zu Sekunde schwerer fallen bei Sinnen zu bleiben. Verdammt, wie um alles in der Welt soll ich diesen Kampf für mich entscheiden?
Bislang war ich all meinen Gegnern gegenüber immer klar im Vorteil auch wenn es ihnen nicht bewusst war. Durch meine Fähigkeit Schwingungen wahrzunehmen und mithilfe meines Artefaktes tatsächlich zu sehen hat mich erst soweit gebracht. Doch dieses Mal scheint all das nichts zu nützen, denn selbst wenn das hier nur eine Projektion Alastairs ist, so weiß sie alles, was auch der echte Alastair über mich weiß. Sie kennt meine Fähigkeiten, meine Stärken und den Grad meiner Kraft. Solch einer Situation war ich noch nie zuvor ausgesetzt gewesen.
Meine Gedanken werden jeher unterbrochen, als mich ein erneuter Hieb mit voller Wucht trifft. Keuchend donnere ich gegen die Felswand hinter mir und werde im nächsten Moment gegen den Boden gedrückt.
„Andererseits..vielleicht hast du recht..wieso solltest du dein kümmerliches Leben beschützen wollen? Der Tod wäre die beste Option für dich..Und weißt du was? Da ich heute äußerst gut gelaunt bin tue ich dir den Gefallen", richtet er sein Wort amüsiert an mich. Seine Umrisse beginnen violett zu schimmern und sein dreckiges Grinsen ist deutlich zu erkennen. Verzweifelt versuche ich mich aus seinem Griff zu winden, irgendwie Abstand zwischen uns zu bringen, doch vergebens. Er ist einfach zu stark. Ächzend sehe ich ihm mit einem Auge entgegen. Er holt mit seiner recht Hand kräftig aus, während mein Kopf plötzlich wie leer gefegt ist. Kein klarer Gedanke huscht hindurch, kein Plan, keine Lösung. Es herrscht unendliche Leere, die mich beinahe erdrückt.
Kann es sein, dass er recht hat? Ist meine Kraft, mein Können, mein Leben tatsächlich so nutzlos? Wenn man genauer darüber nachdenkt wäre ich ohne Meister Tariks hartes Training und ohne mein Artefakt nicht einmal halb so weit gekommen. Weder mein Talent noch mein Können haben mir das alles ermöglicht. Das Meister Tarik mich unterrichtete war reines Glück gewesen. Ebenso verhält es sich mit Agira. Ohne mein Training hätte ich vermutlich noch immer keinen Kontakt zwischen meinem Artefakt und mir herstellen können.
Ist es wahr?
Hatte ich mein Leben lang lediglich Glück im Unglück gehabt?
War all die harte Arbeit letztlich vergebens?
Hätte ich tatsächlich auf meine Eltern hören sollen und mir einen der Anwerber zum Mann nehmen sollen, ungeachtet meiner Gefühle?
Die Luft wird immer dünner und der Raum beginnt sich zu drehen. Mein Sichtfeld wird immer enger und von immer mehr Dunkelheit umschlossen.
Das Element Feuer hat wohl doch mehr als nur ein gegnerisches Element. Neben Wasser scheint auch die Dunkelheit die Kraft zu besitzen, Flammen gänzlich auszulöschen..

Blind FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt