- Kapitel 111 -

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Die folgenden Tage verfliegen nahezu und seit des Vorfalls im Wald weicht der Feuerfuchs mir nicht mehr von der Seite. Salem hat die Wilderer in die Hauptstadt geführt und sie dem schwarzen Ring übergeben. Soweit ich weiß wurden sie in die Kerker gesperrt und warten dort auf ihr Urteil. Die anderen waren außer sich vor Stolz, als sie am Abend hörten, was vorgefallen war. „Ember du kleines Schlitzohr! Du hast es echt mit so vielen Gegnern auf einmal aufgenommen", meinte Dewi, während er sich spielerisch um meinen Hals warf.
„Beeindruckend", meinten auch Darko und Jasper.
„Was haben die Männer denn erwartet? Man legt sich eben nicht mit Mitgliedern des schwarzen Rings an. Noch dazu mit Magiern, die unter General Kalens Führung stehen", pflichtete Hera ihnen bei und erhob ihr Glas auf mich. Auch Salem richtete lobende Worte an mich, kam allerdings nicht drum herum mich auch zu belehren. Ich musste ihm versprechen das nächste Mal eher um Verstärkung zu bitten. „Was für ein entzückendes Tierchen!", lallte Hera an jenem Abend und klatschte sich die Hände gegen ihre Wangen, als sie den Fuchs näher betrachtete. Dieser saß auf meinem Schoß und starrte mit weit geöffneten Augen in die Runde. „Tja, der gehört jetzt wohl zu dir", stellte Darko lachend fest und auch Raven nickte bestätigend. „Den wirst du nicht mehr los. Er lässt dich ja nicht einmal eine Sekunde aus den Augen", fügte er hinzu, woraufhin ich den Kopf schüttelte. „Schwachsinn. Er gehört in den Wald. Das ist sein zu Hause. Ich könnte ihn niemals von dort fernhalten", tat ich es ab. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie tatsächlich recht behalten würden. Seither ist er mir wirklich nicht mehr von der Seite gewichen und begleitet mich überall hin.
Zu meinem Bedauern sogar auf die Toilette.

Ich habe ihn mehrfach in den Wald zurückgeführt, doch jedes Mal kam er mir hinterher gelaufen. Ich habe mich meinem Schicksal schließlich ergeben und es aufgegeben. Wenn er unbedingt bei mir bleiben will, dann kann er das gern tun. Leider habe ich keine Ahnung, wie man einen Fuchs artgerecht hält. Noch dazu einen Feuerfuchs. Daher habe ich beschlossen am heutigen Tag die Bibliothek der Hauptstadt zu besuchen. Keines der Bücher im Quartier hat mir weiterhelfen können, also setze ich meine Hoffnungen auf die Sammlungen der königlichen Bücherei.
Auch heute begleitet er mich wie ein Schatten und läuft gemächlich neben mir her. Immer wieder werden uns verstohlene Blicke zugeworfen, doch das stört mich nicht weiter. Ich habe nur noch den heutigen Tag dafür, da wir morgen bereits in aller Frühe zu Levion und seinem Trupp aufbrechen. Hera und die anderen waren begeistert von Levions Angebot und waren sofort Feuer und Flamme, als Darko erwähnte Chronus in den Hintern treten zu können. Kopfschüttelnd öffne ich die schwere Tür der Bibliothek und trete ein. Chronus scheint wirklich nicht gerade beliebt zu sein, denke ich mir während ich durch die Gänge der aufgereihten Regale schlendere.
Ich hatte mir erhofft Alastair im Kerker besuchen zu können, sobald ich hier fertig war, doch Salem nahm mir diese Hoffnung schnell wieder.
„Es ist niemandem gestattet sich ihm zu nähern", waren seine Worte, während er betrübt auf den Boden sah. Ich schiebe die Erinnerungen an das Gespräch beiseite. Ich lasse mich davon nicht unterkriegen. Auch wenn ich ihn nicht sehen darf, weiß er sicherlich, dass ich in Gedanken bei ihm bin. Genauso wie der Rest von uns. Ich hätte ihm gern von den letzten Wochen berichtet, ihm gern von meinen Fortschritten erzählt und ihm natürlich auch das kleine Füchschen gern gezeigt. Doch das muss warten, denke ich seufzend und bleibe vor einigen Büchern über Fabelwesen stehen.

Schritte erklingen und eine fürchterlich piepsende Stimme durchschneidet die Stille. „Keine Tiere gestattet!", maßregelt die Bibliothekarin mich mit erhobenem Finger, während das Füchschen mir auf die Schultern springt. Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und habe ein Buch in der Hand. Mit feurigem Blick starre ich ihr entgegen und auch das Tierchen entzündet seine flammenden Ohren. „Gibt es etwa ein Problem?", frage ich ausdruckslos, woraufhin die Blondine erschrocken zurückweicht und den Finger sinken lässt.
„M-Miss Akela..also..nein nicht doch..", stammelt sie, als sie erkennt, wen sie vor sich stehen hat. „Gut, wenn dem nicht so ist würde ich mich gern meiner Arbeit widmen", entgegne ich in eisigem Tonfall und schlage das Buch auf. Stumm entfernt sie sich während ich mich bereits in einige Zeilen einlese.
„Feuerfüchse, auch bekannt als Fuchs der Flammen..äußerst seltene Wesen..schwer anzutreffen", überfliege ich den Abschnitt. „Mächtige Wesen, die in grauer Vorzeit für ihre Kräfte verehrt wurden..erreichen eine Größe von bis zu einem Meter..haben die Kraft ganze Dörfer zu zerstören..", lese ich weiter und reiße die Augen auf. Ganze Dörfer? Eine Größe von bis zu einem Meter? Dann muss es sich bei diesem Exemplar um ein Jungtier handeln.
„Legenden berichten von Bündnissen zwischen Feuermagiern und diesen einzigartigen Wesen. Hat sich ein Feuerfuchs erst für einen Magier entschieden kann ihn nur noch der Tod von ihm trennen. Hauptnahrungsmittel sind kleinere Vögel oder gar junge Feldhasen. Bei guter Haltung erreichen sie maximale Stärke. Feuerfüchse gelten als überaus loyal und haben einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Sie sind sehr lernfähig und von Natur aus überdurchschnittlich intelligent. Sie verfügen über einen eigenen Kopf, gehorchen ihrem Magier allerdings auf's Wort und folgen ihm sogar in den Tod", lese ich konzentriert weiter und sehe verblüfft auf. Der Fuchs auf meiner Schulter sieht mir von oben herab entgegen und verfolgt jede meiner Bewegungen.
„Du bist wohl ein wahres Ausnahmetalent, was?", meine ich schnippisch und schlage das Buch zu, ehe ich ihm den Kopf kraule. Er lässt die Ohren genussvoll sinken und schließt zufrieden die Augen.
In den nächsten zwei Stunden gleiten etliche Buchseiten durch meine Finger, ehe ich beiläufig auf die Uhr sehe. Erschrocken schlage ich das Buch ein wenig zu laut zu, weshalb der Fuchs einen Satz nach vorn macht.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldige ich mich lachend und räume den Schmöker zurück ins Regal. „Wir sollten uns beeilen, sonst kommen wir zu spät zum Abendessen", erkläre ich meine Eile und schreite gefolgt von meinem Begleiter in Richtung Ausgang. Auf dem Weg zur Portalfläche kommen wir am Königshof vorbei. Wehmütig sehe ich auf den hinteren Gebäudeteil unter welchem sich die Kerker befinden. Seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten bin ich Alastair nicht näher, als das gekommen. Seufzend halte ich inne und werde neugierig von dem Fuchs beäugt. Er nimmt Anlauf und springt auf meine Schultern. Elegant, wie eine Katze setzt er sich während ich schützend meine Hand auf seinen Rücken lege, damit er nicht doch herunterfällt.
„Siehst du den hinteren Gebäudekomplex? Dort wo die Treppenstufen hinabführen befindet sich der Eingang zu den Kerkern. Weißt du, dort ist jemand, der mir sehr viel bedeutet. Die Wilderer, die wir vor ein paar Tagen gefangen haben sind zurecht dort unten, doch er..er hat nichts Unrechtes getan und muss dennoch dort schmoren", erkläre ich und lehne mich seufzend an die Mauer.
„Aber ich werde ihn wieder zu mir holen, komme was wolle", meine ich und balle meine Hand zur Faust, während der Fuchs mich undefinierbar mustert.
„Wir sind wieder da!", brülle ich durch die Eingangshalle und steuere den Speisesaal an. Im Inneren haben sich bereits einige der Anderen eingefunden.
„Sehr schön! Habt ihr etwas herausgefunden?", möchte Salem wissen und deckt gemeinsam mit Dewi den Tisch. Ich deute mit dem Finger auf meinen Stuhl, woraufhin mein Begleiter Platz nimmt. Ich schnappe mir ein paar Teller und gehe den beiden zur Hand.
„Ja, der Ausflug hat sich wirklich gelohnt", meine ich erfreut, während Dewi staunend pfeift. „Wann hast du ihm das denn beigebracht?", hakt er nach und läuft in die angrenzende Küche. Er kommt mit Besteck zurück und sieht mir wartend entgegen. Schulterzuckend lege ich den letzten Teller an seinen Platz und sehe auf den Stuhl. „Ehrlich gesagt hat sich das einfach so ergeben. Manchmal bin ich schneller wenn er auf meinen Schultern sitzt also habe ich angefangen auf meine Schulter zu klopfen wenn ich möchte, dass er aufspringt. Wenn er abspringen soll deute ich auf die Stelle, wo ich ihn gern hätte", erkläre ich nachdenklich und höre Salem herzhaft lachen. „Da hast du dir einen passenden Gefährten ausgesucht. Er ist genauso clever wie du", scherzt er und entzündet eine kleine Flamme, mit der er die Kerzen am Tisch entfacht. Ich sehe ihm verwundert entgegen und lasse meinen Blick erneut auf den kleinen Fuchs gleiten.
„Meinst du, ja?", murmle ich abwesend. Es stimmt, dass er überaus schlau ist. Hin und wieder bilde ich mir sogar ein, er würde mich verstehen wenn ich mit ihm spreche.
„Er scheint auch sehr sozial veranlagt zu sein", höre ich Jasper sagen, der gerade über die Türschwelle läuft. „Ich habe ihn heute Morgen mit Arion im Wald umherstreunen sehen", erklärt er, woraufhin ich meine Augen weite. „Dorthin verschwindest du also immer, wenn du nicht gerade bei mir bist, hmm?", richte ich mein Wort an den Fuchs, der mir mit klarem Blick entgegen sieht.
„Ich finde auch, dass er sich sehr gut hier eingelebt hat", bestätigt Salem, der mit dem Braten aus der Küche kommt. Er stellt ihn in die Mitte des Tischs, was Dewi das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.
„Dewi, es wird gewartet bis alle hier sind", ermahnt der Rothaarige den blonden Magier, der genervt die Augen verdreht.
„Ja ja, schon gut", nörgelt er und schlendert mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in die Küche, um Astras Futternapf zu holen. Als sich alle im Speisesaal eingefunden haben brechen unterschiedliche Gespräche los. Stumm verfolge ich die Zankereien zwischen Dewi und Raven, die von Hera auseinandergehalten werden, während Spirit ihr die Gabel an den Mund führt. Hellions Gebrüll ist lautstark zu vernehmen, woraufhin Salem ihm mit einem Lächeln zuwinkt.
„Tut mir leid mein Großer aber du passt hier einfach nicht rein", ruft er ihm entschuldigend aus dem geöffneten Fenster zu.
„Zum Glück! Er würde meine über alles geliebte Laira nur ängstigen", spottet Ray, während er seine Katze liebevoll am Hals streichelt. Plötzlich schiebt Arion seinen Kopf an Salem vorbei und hechelt aufgeregt, als er den saftigen Braten auf dem Tisch entdeckt.
„Nichts da, Arion. Du bekommst dein Futter nachdem ich fertig bin", weist Jasper den Schattenwolf zurecht, während Salem ihn vorsichtig nach hinten schiebt. Astra schlemmt genüsslich mit ihrer Schnauze im Futternapf und schiebt ihn im Kreis vor sich her, als er leer ist, was Dewi schmunzeln lässt.
„Also wirklich, du kannst nicht den ganzen Tag essen meine Liebe", meint er an sie gewandt und wirft ihr die Hälfte seines Fleischstücks zu. Gekonnt fängt sie es in der Luft und kollidiert dabei beinahe mit Spirit. Ich sehe dem Treiben vor mir noch eine Weile zu, ehe sich ein Lächeln auf meinen Lippen bildet. Ich sehe hinab auf meinen Schoß, wo es sich das Füchschen bereits bequem gemacht hat. Sachte streiche ich ihm über den Rücken und fange langsam an zu begreifen, was Salem meinte, als er zu Beginn sagte, ich würde die Sache mit den Haustieren irgendwann noch verstehen. Sie sind nicht nur ihre Haustiere, sie zählen zur Familie und sind ein Teil von ihnen. Jeder von ihnen identifiziert sich ein Stück weit mit seinem Begleiter. Ich habe es relativ spät begriffen, denke ich schmunzelnd und lege mein Besteck zur Seite. Erst als Salem vorhin meinte, dass ich mir einen guten Gefährten ausgesucht habe, da er mir scheinbar sehr ähnlich sei, habe ich es verstanden. Dank ihm habe ich seltsamerweise neuen Mut geschöpft. Es tut unglaublich gut mit ihm auf dem Bett zu liegen und ihm alles Mögliche zu erzählen, während er mir mit seinen gelben Augen entgegen sieht. Es tut gut ein Wesen an seiner Seite zu haben, welches einen bedingungslos akzeptiert. Eine solche Art von Bindung habe ich bisher noch nicht gespürt. Dieser kleine Kerl auf meinem Schoß hat sich doch tatsächlich meine Zuneigung ergattern können. Seufzend schüttle ich den Kopf.
Bin ich zu weich geworden? Andererseits hat mir der Kampf gegen die Wilderer auch gezeigt, dass ich keineswegs in einer Sackgasse stecke. Meine Fähigkeiten sind um einiges stärker geworden. Ich habe es nur komischerweise überhaupt nicht bemerkt. Vielleicht liegt es auch Salems Unterricht, vielleicht an meiner Ignoranz, doch ich werde in Zukunft mehr darauf achten. Möglicherweise habe ich auch einfach etwas oder jemanden zum Beschützen gebraucht, schießt es mir durch den Kopf, während ich dem Fellknäul über den Rücken streiche.

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