- Kapitel 152 -

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Midan hat recht. Sie hat nichts mehr zu verlieren. Setto ist in Sicherheit, genauso wie Moran. Nichts hält sie nun mehr. Nichts, weshalb sie sich zurückhalten müsste. Sie kann ihrer Magie, ihrer Wut freien Lauf lassen. Alles was sie nun noch tun muss, ist Midan zu beschützen. Er mag ein fähiger Magier sein, doch gegen Feuermagier ist er eindeutig im Nachteil. Auch wenn die Dunkelheit der Nacht ihm Kraft spendet, so sind sie nach wie vor eine überlegene Magierklasse. Selbst sie ist dieser Klasse an Magiern unterlegen. Das war sie schon immer und das wird sie immer sein. Das hat sie mittlerweile eingesehen. Doch sie kann ihn nicht sterben lassen. Sie darf ihn nicht sterben lassen. Er hat einen Ort, an den er zurückkehren kann. Er hat Freunde, eine Familie. Sollte es darauf hinauslaufen, wird sie ihr Leben für Midan geben. Er hat sie gerettet. Mehr als nur ihr Leben. Er hat an sie geglaubt. Er ist zurückgekehrt für sie. Er weigerte sich sie sterben zu lassen. Er ist ein wahrer Freund. Anders, als all die anderen, die bisher um sie herum schwirrten.
Sie beißt die Zähne aufeinander und ordnet ihre Emotionen. Midans Augen erscheinen vor ihr, wie er ihr hämisch grinsend entgegen sieht, während er über die Dächer der Hauptstadt Adarons hinwegspringt. Sein Lachen erklingt, als er sich zu ihr herabbeugt und sie verspottet, während Ember nur wenige Meter von ihnen entfernt war. Sein besorgter Ausdruck, als er sie im Hospital besucht hat. Der beige Umhang weht im Wind, als sie sich in Position bringt.
„Du und ich gemeinsam", wiederholt sie leise und lächelt seicht. Dass sie wirklich erst in ein anderes Königreich schleichen muss, um Freunde zu finden. Sie kommt sich lächerlich vor. Midan hat sie nicht verstoßen, obwohl er über ihre Sünden Bescheid weiß. Er ist trotz dessen gekommen, um sie zu retten. Sie wird ihn nicht im Stich lassen. Niemals.
„Na dann..zeigt was ihr könnt", verhöhnt der Rotschopf sie, ehe sie wahnhaft auflacht. „Oh..das werden wir", zischt sie irrwitzig und entfesselt ihre Kraft. Sie lässt dem Magiefluss freien Lauf und schließt erfüllt die Augen dabei. Sie spürt wie ihre Füße den Boden verlassen. So frei hat sie sich wahrlich schon lange nicht mehr gefühlt. Nicht einmal während des letzten Kampfes. Ihre Kraft schwappt nahezu über.
Ob Midan etwas damit zu tun hat?
Die Aura, welche sie umgibt färbt sich blau, während sie sich immer weiter vom Boden entfernt.
Du musst einen aufrichtigen Grund haben, um diese Kraft nutzen zu können. Der edelste Grund hierfür wird immer der Schutz deiner Familie und deiner Kameraden sein. Solange du dein Herz in den Angriff steckst wirst du in der Lage sein die nächsthöhere Stufe der Blitzmagie nutzen zu können", hallen ihr die Worte ihres Vater wieder.
Ist dieser Grund edel genug?
Ist Midan beschützen zu wollen genug, um die volle Macht der Blitzmagie entfalten zu können? Sie weiß es nicht, doch es spielt für sie auch keine Rolle. Ob nun mit der nächsthöheren Stufe der Blitzmagie oder nicht. Sie wird Midans Leben um jeden Preis bewahren. Selbst wenn es sie ihr eigenes kostet.

Ihr Zepter vergrößert sich plötzlich und der gelbe Kristall in der Mitte der Krone beginnt bläulich zu schimmern. Elianas Aura strahlt so hell, dass es alle um sie herum blendet. Wie in Trance bündelt sie ihre Energie und schickt sie in den Himmel. Kurz darauf bilden sich tiefschwarze Sturmwolken.
Blitze, so hell, dass man meinen könnte es sei helllichter Tag erscheinen.
Donner, so laut, dass es einem das Trommelfell zerplatzen lässt erklingt.
„Ich werde euch zeigen, was euch erwartet solltet ihr einem meiner Freunde zu nahe treten", hallen ihre Worte durch die Straßen, was weitere Feuermagier herbeiruft. Erschrocken stehen sie hinter ihren Kameraden und starren wie gebannt auf die Geschehnisse. Midan kann seinen Augen nicht trauen.
Wie konnte er auch nur eine Sekunde lang denken, diese Magierin würde seine Hilfe brauchen?
Eliana schwingt ihr Zepter und entfesselt unzählige Blitze, die ungedämpft auf die Erde prallen.

Derweil hat Moran gemeinsam mit dem Schattenpanther und Setto den Rand des Waldes erreicht. Auch er blickt fassungslos zurück, als er das strahlend blaue Leuchten am Himmel entdeckt. Die Augen des Panthers nehmen eine tiefblaue Farbe an, als er sich umdreht. Ein verzweifeltes Fauchen entkommt ihm, doch Moran hält ihn zurück.
„Warte! Du darfst nicht zurück! Hast du vergessen, was mein Bruder dir aufgetragen hat? Wir müssen Setto zurück in die Siedlung bringen. Das war Elianas sehnlichster Wunsch! Wir müssen dem Ältesten davon berichten, was die Konoda vorhaben. Mach dir keine Sorgen um Eliana. Mein Bruder ist doch bei ihr. Er wird sie beschützen, das verspreche ich dir", redet er auf ihn ein und zerrt ihn mit sich über die Felder. „Komm schon, es ist nicht mehr weit. Sobald wir dort sind dauert es nicht mehr lange, bis Midan und Eliana zurück sind. Hab vertrauen", fügt er hinzu und schlägt sich durch die hohen Gräser.

Mittlerweile hat Eliana das halbe Dorf der Konoda in Schutt und Asche zerlegt. Midan kümmert sich in der Zwischenzeit um die Magier, die sich hinter Eliana ansammeln. Er hindert sie schwer atmend daran auch nur einen Angriff abzufeuern.
„Beeilt euch! Haltet sie auf!", brüllt einer der Konoda und formiert die Magier immer wieder neu. Zischend wischt Midan sich den Schweiß von der Stirn. Bald wird die Sonne aufgehen, schießt es ihm durch den Kopf. Die Schatten werden kleiner und so auch seine Möglichkeiten Eliana zu unterstützen. Doch, so wie er durch das Sonnenlicht schwächer wird, so wird die Energiemagierin stärker. Nur die Klasse der dunklen Magier bezieht ihre Kraft und Energie aus der Dunkelheit. Alle anderen gewinnen ihre Kraft durch das Tageslicht. Leider trifft das auch auf die Feuermagier vor ihnen zu. Midan beißt sich auf die Zähne. Sie müssen das hier schnell zu Ende bringen.

Die Energiemagierin lässt einen Blitzsturm nach dem anderen niederregnen. Sie weiß nicht, wie vielen sie bereits das Leben genommen hat. Die Leichen türmen sich unter ihr, doch sie denkt nicht daran aufzuhören.
Sie haben Setto entführt und ihn festgehalten.
Sie haben Moran bedroht.
Noch viel schlimmer, sie waren bereit dazu ihre Heimat anzugreifen. Sie verzieht wütend ihr Gesicht. Je weniger von ihnen übrig bleiben desto besser!
Aus dem Augenwinkel sieht sie eine kleine Gruppe Konoda, die sich schützend um den Ältesten positionieren.
„Er will fliehen?", haucht sie verwirrt und eilt ihnen hinterher. Wie kann er seinen Clan im Stich lassen? Was für ein Feigling.
„Bleib stehen!", rufen ihr zwei von ihnen zu, die sich haben zurückfallen lassen.
„Ihr wollt ihn also einfach so ziehen lassen? Ist er nicht der Anführer dieses Clans? Sollte er demnach nicht für euch kämpfen?", blafft die Blondine und lacht laut auf.
„Den Ältesten zu schützen ist die wichtigste Aufgabe für uns", zischt einer der Beiden und umgreift wütend seinen Speer.
„Der Älteste kämpft nur bei wahrlich unschlagbaren Gegnern. Dazu zählst du wahrlich nicht", spottet der andere und sieht ihr fies grinsend entgegen. Eliana hebt amüsiert eine Braue und deutet hinter sich.
„Ach, ist das so?", fragt sie spitz. „Ich habe soeben euer Dorf zerstört. Bis auf euch sind kaum noch Magier übrig. Vielleicht missverstehe ich hier etwas, doch..ist das nicht ungefähr das Schlimmste, was einem Clan zustoßen kann?", kontert sie und zuckt dabei mit den Schultern. Wütend starren ihr die beiden Magier entgegen. „Sei still!", brüllt der Eine und prescht voran. Sein Speer wird von Eis umhüllt, ehe er Elianas Schulter nur knapp verfehlt. Mit einem Fingerschnippen verdichtet sich die Spannung der Umgebung und dröhnt in den Ohren aller. „Lächerlich..", murmelt die Blondine und wirft dem Eismagier einen Seitenblick zu.
„Denkt ihr wirklich, dass ich so leicht zu besiegen bin?", fügt sie hinzu und erinnert sich an die erste Etappe des Duells der magischen Künste. Die Top Zehn Magier, welche an vorderster Front standen waren um Längen stärker. Feuermagier hin oder her, mehr haben die Konoda wohl nicht zu bieten. Sie zieht die Brauen zusammen und durchbohrt die Brust des anderen in Lichtgeschwindigkeit, noch bevor er überhaupt reagieren kann.
„Ich habe keine Zeit für solche Spielchen", flüstert sie und ist im nächsten Moment bereits davongeilt. Sie muss den Ältesten der Kodona einholen. Sie muss ihn finden und ausschalten. Sollte sie das nicht schaffen wird er Prinz Karem davon berichten, was hier vorgefallen ist.
Das darf nicht geschehen.
Schließlich ist Ember noch hier in Trios. Sollten die Magier des schwarzen Rings tatsächlich deshalb hier sein, weil sie Karems Plan auf die Schliche gekommen sind, darf ihre Deckung nicht auffliegen. Man würde sie hinrichten noch bevor sie wissen, wie ihnen geschieht.

Blind FireWhere stories live. Discover now