- Kapitel 98 -

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„Und du willst wirklich nach Hause? Du weißt, dass du bei uns im Quartier jederzeit willkommen bist. Deine Sachen können auch wir für dich abholen?", vergewissert Salem sich erneut und deutet auf Eliana, die von Dienstpersonal gestützt wird. Ich lasse meinen Blick hinter mich gleiten, schließe die Augen und nicke entschlossen.
„Ja, es ist eine Weile her, seit ich meinen Lehrmeister gesehen habe. Ich möchte ihm gerne vom Duell berichten und ihm natürlich meine Dankbarkeit erweisen. Schließlich bin ich nur dank ihm und seines Trainings soweit gekommen", entgegne ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Seufzend stemmt er die Hände in die Hüften, belässt es jedoch dabei.
„Du handelst äußerst ehrenhaft. Das beweist nur noch mehr, dass du den Sieg wahrlich verdient hast", meint er und legt dabei eine Hand auf meine Schulter.
„Ich würde dich vor meiner Abreise dennoch um etwas bitten wollen", entgegne ich und werde schief von ihm gemustert.
„Sicher, was kann ich für dich tun?", hakt er nach. „Ich würde es begrüßen wenn du dem schwarzen Ring nichts von dem Vorfall hier berichten würdest", richte ich meine Bitte an ihn, was ihn entrüstet die Brauen heben lässt.
„Ember, bei bestem Willen ich kann diese Respektlosigkeit nicht einfach-", beginnt er zu protestieren, doch ich falle ihm ins Wort.
„Bitte, Salem. Ich kann deine Verwunderung durchaus nachvollziehen, doch..", entgegne ich und ernte ergebenes Seufzen.
„Ich verstehe..sie ist nun einmal nach wie vor deine Schwester. Du hast ein gutes Herz, Ember. Versprich mir jedoch eines, lass deine Gutmütigkeit nicht zu deiner Schwachstelle werden. Selbst wenn das bedeuten sollte Entscheidungen zu treffen, die dir ein ungutes Gefühl bereiten", meint er eindringlich, woraufhin ich entschlossen nicke.
„Nun gut, ich werde deine Bitte respektieren, jedoch nur weil du es bist", fügt er hinzu, ehe ich mich dankend verneige.

Winkend verabschiedet er sich, während ich dabei zusehe, wie sich die Wolke an magischem Fluss immer weiter verkleinert. Auch ich hebe meine Hand und schenke ihm ein warmes Lächeln zum Abschied. Arryn sowie auch Kairyan sind bereits aufgebrochen und haben mir versprochen, dass wir uns schon bald wiedersehen werden. Erleichtert atme ich aus und wende mich meiner Sippschaft zu. „Lady Eliana, so wahrt die Fassung!", ertönen die eindringlichen Bitten der Dienstmädchen, während ich nach einem ganz bestimmten magischen Fluss Ausschau halte. Mein Blick bleibt an einer enormen Menge magischer Kraft hängen. Ohne weiter darüber nachzudenken laufe ich los.
Immer und immer schneller, so schnell, wie mich meine Beine tragen können.
Mit weit ausgestreckten Armen springe ich Meister Tarik entgegen und umklammere ihn so fest ich kann.
„Ember, nicht so schnell!", entkommt es ihm, während er überfordert versucht nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Meister Tarik..", murmle ich erleichtert und lasse all meine Anspannung fallen. Völlig überrumpelt schlägt sein Herz wie wild in seinem Brustkorb. Überrascht mustert er mich dabei, wie ich meine Arme um ihn schlinge. Sein Duft steigt mir in die Nase und ich beginne endlich damit zu realisieren, dass ich zu Hause angekommen bin.
Er ist wahrlich mein Anker, mein Fels in der Brandung.
Egal was es auch war, ich konnte immer zu ihm kommen. Von ihm habe ich nie verhöhnende Blicke geerntet, nie hat er mich bemitleidet, war stets mit Leidenschaft dabei mich stärker zu machen. Er ist mir weitaus mehr Familie, als meine Blutsverwandten es je sein könnten.
„Ember..wie schön dich wiederzusehen", nuschelt er in die Umarmung, während auch er seine Arme um mich schlingt.
„Ich gratuliere dir zu deinem glorreichen Sieg. Ich wusste, dass du es schaffen wirst", fügt er freudig hinzu und wuschelt mir durchs Haar, sowie er es immer getan hatte. Er umfasst mein Gesicht mit beiden Händen und sieht mir dabei freudig entgegen.
„Ich bin unsagbar stolz auf dich", entkommen die Worte seinen Lippen flüsternd, woraufhin ich ihn nur noch fester umklammere. Diese Worte aus seinem Mund zu hören..das war alles, was ich wollte, alles wofür ich so hart gearbeitet habe. Der Teil in mir, der alte Teil in mir, ist von Glücksgefühlen überschwemmt, während der andere, neue Teil in mir leise flüstert
„Ich bin auch stolz auf mich"

Er löst sich sachte aus meinem Griff und tätschelt mir den Kopf.
„Ich bin froh, dich unbeschadet wieder zu haben. Es war schrecklich leer auf dem Anwesen ohne dich", meint er lachend, woraufhin auch mir ein leises Lachen entkommt.
„Nun, ich fürchte fast, dass sie sich an diesen Zustand gewöhnen werden müssen", entgegne ich grinsend.
„Nun, das ist wohl wahr. Dennoch, ich freue mich auf deine Besuche", scherzt er, da wir beide bereits wissen, dass wir uns wohl für eine lange Zeit nicht wieder sehen werden. Meister Tarik offenbarte mir einige Tage vor meiner Abreise, dass er das Anwesen verlassen würde, sollte ich das Duell für mich entscheiden können. Er meinte damals, dass seine Anwesenheit nicht länger benötigt werden würde, sollte ich mich dem schwarzen Ring anschließen. Traurig gab ich ihm recht.
Ich würde schließlich ins Quartier des Trupps meines Generals ziehen. Selbst wenn ich äußerst betrübt über seine Abreise sein werde, so kann ich seinem Argument nichts entgegensetzen.
„Lass uns jetzt nicht darüber sprechen. Heute ist dein Tag, Ember", reißt er mich aufmunternd aus meinen Gedanken, woraufhin ich zustimmend nicke. „Viel interessanter ist die Tatsache, dass du wohl eine neue Fähigkeit erlernt hast", flüstert er verschwörerisch und entlockt mir ein teuflisches Grinsen.
Natürlich hat er es bemerkt.
Es war schließlich nichts anderes von ihm zu erwarten.
„Du kannst den magischen Fluss der Personen in deinem Umkreis sehen, nicht wahr? Äußerst beeindruckend. Ich muss sagen, dass du dich selbst übertroffen hast", fährt er fort.
„Ganz recht, eine durchaus nützliche Fähigkeit", entgegne ich verschmitzt.
„Möchtest du dein Artefakt nicht allmählich wiederherstellen? Du solltest noch mehr als genug Kraft dafür übrig haben", fragt er nun mit schiefem Grinsen auf den Lippen, während ich den Kopf schüttle.
„Nein, noch nicht. Gönnen wir Eliana ihren vermeintlichen Triumpf noch für eine kurze Weile. Zumindest solange, bis sie sich wieder beruhigt hat", kontere ich leise lachend und sehe zu meiner Schwester rüber. Meister Tarik entkommt ebenfalls ein raues Lachen während er den Kopf schüttelt.
„Du bist um einiges weichherziger geworden", entgegnet er lächelnd und faltet seine Hände hinter dem Rücken.
„Wie schön zu sehen, dass du dich zu einer wahrlich ehrenhaften Frau entwickelt hast. Das wird mir den Abschied zwar nicht leichter machen, dennoch kann ich mit noch mehr Stolz im Herzen wieder heimkehren", fügt er hinzu, woraufhin ich ihn erneut in eine feste Umarmung schließe.
Ich werde die verbleibenden Tage damit verbringen, dies so oft wie es geht zu wiederholen.
Ich werde ihn schrecklich vermissen, meinen großen Bruder den ich nie hatte.

Blind FireWhere stories live. Discover now