- Kapitel 34 -

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Mit pochendem Herzen schließe ich die Tür hinter mir und lehne mich vollkommen zerstreut gegen den harten Stahl. Das Pochen ist so übermannend, dass ich bereits mein Blut in den Ohren rauschen hören kann. Ich falte meine Hände zitternd vor der Brust und versuche mich durch konzentriertes Atmen zu beruhigen. Seine Worte schwirren mir im Kopf umher und hallen nach, wie ein nerviges Echo, welches einfach zu keinem Ende kommt.

Ich hoffe meine Wahl des Verlobungsrings wird dein Herz ebenfalls höher schlagen lassen.."

Dieser Mann! Dieser Mann treibt mich noch in die Verzweiflung! Wieso um alles in der Welt komme ich mir nur immer so unglaublich unbeholfen vor, wenn ich mit ihm spreche? Ich bin durchaus nicht auf den Mund gefallen, doch wenn man sich die Konversationen mit ihm so ansieht könnte man tatsächlich auf diesen Gedanken kommen. Ich komme mir jedes Mal so vor, als wäre er der erste Mann mit dem ich ein Gespräch führen würde. Als hätte ich die letzten zwanzig Jahre irgendwo eingesperrt verbracht.

Seufzend schüttle ich den Kopf und schließe meine Augen dabei. Tatsächlich habe ich bereits mehrfach Konversationen mit interessierten Männern geführt, die für eine potentielle Heirat in Frage gekommen wären. Natürlich basierte ihre Auswahl nicht auf meinem Geschmack. Meine Eltern drängten mich immer wieder dazu mir wenigstens anzuhören, was die jungen Anwärter zu sagen hatten. Ich weiß, dass sie sich lediglich Sorgen um mich machen und mich in guten Händen wissen wollen. Ich bin immerhin bereits zwanzig und noch immer ledig. Genervt stoße ich die Luft aus. Eliana ist doch auch noch unverheiratet und hat auch niemanden in Aussicht. Ich verziehe schuldbewusst mein Gesicht, da ich genau weiß, wieso unsere Eltern so besorgt um mich sind. Eliana ist hübsch, wohlhabend, gesellschaftlich anerkannt und würde binnen eines Wimpernschlags mehrere Anwärter aus dem Ärmel schütteln können. Das ist meinen Eltern höchstwahrscheinlich auch bewusst. Bei mir sieht die Sache anders aus. Ich bin nicht so schön, wie Eliana, habe einen niederen gesellschaftlichen Rang trotz des Namens Akela und bin zusätzlich dazu auch noch blind. Ich würde nicht sagen, dass ich meiner Schwester besonders nachstehe, was die Ästhetik betrifft, doch wir sehen einfach zu verschieden aus, als dass man uns miteinander vergleichen könnte. Eliana hat langes, welliges schwarzes Haar. Braune Augen, die einen erheblichen gelbanteil in sich tragen und eine schöne Figur mit beachtlicher Größe.
Ich hingegen kann mich mit meinen schulterlangen Haaren nicht mit ihr messen, was die Haarpracht angeht. Sie sind glatt und braun mit einem rötlichen Schimmer. Den kurzen Schnitt habe ich absichtlich gewählt, nicht weil er mir so gut gefällt sondern weil er praktisch ist. Die Haare sind mir auf diese Weise nicht im Weg während des Trainings. Meine Augen muss ich wahrscheinlich überhaupt nicht erwähnen. Das dumpfe Grau wirkt weder anziehend, noch schön. Ich selbst habe es nie gesehen, doch meine Schwester hatte mir mehr als einmal beschrieben, wie unglaublich langweilig sie aussehen. Meine wahre Augenfarbe hat bis auf meinen Lehrmeister noch niemand zu Gesicht bekommen, doch auch diese ist absolut nichts Besonderes. Ein durchschnittliches Braun mit orangenen Flecken ziert meine Iris, sobald ich Agira aufsetze und die Gläser nicht verdunkeln lasse. Meister Tarik meinte damals, dass die Farbe meiner Augen äußerst typisch für Feuermagier ist, doch ich kann mich trotz dessen nicht wirklich dafür begeistern. Genauso wenig, wie über meine Figur. Ich will mich nicht beschweren, da sie im Großen und Ganzen passabel ist, doch durch das harte Training bildeten sich über die Jahre hinweg ausgeprägte Muskelpartien, die nicht sonderlich weiblich wirken. Mit all diesen Fakten im Hinterkopf kann man sich als Elternpaar nur Sorgen um mich und meine Zukunft machen, weshalb ich es ihnen auch nie übel nahm. Bisher lehnte ich jeden Kandidaten höflich ab und schob es darauf, dass ich den Eindruck hatte, er würde mit meiner Blindheit nicht zurechtkommen auch wenn es so gut, wie nie der Wahrheit entsprach. Ich wollte einfach nicht heiraten müssen, das hätte meine Pläne zerstört. Meine Pläne am Duell teilzunehmen und einen Platz im schwarzen Ring zu ergattern. Meine Pläne, endlich unabhängig und frei zu sein.

Während mir Kalens Worte nachhallen und sich meine Gedanken um Vergangenes drehen, versuche ich über die Konsequenzen seiner Worte nicht allzu viel nachzudenken. Es ist eindeutig. Er weiß ganz genau Bescheid, dass ich sehen kann. Das war der ultimative Beweis. Weshalb sonst hätte er anmerken sollen, dass er erfreut darüber ist, dass mir der Ring zusagt. Ganz zu schweigen von seiner nachfolgenden Aussage über den Verlobungsring über die ich überhaupt nicht weiter nachdenken möchte, da sie mir sofort die Röte zurück ins Gesicht treibt. Wieso aber spricht er mich nicht darauf an? Möchte er, dass ich es ihm von mir aus verrate? Und weitaus schlimmer, wenn er darüber bereits so genau Bescheid weiß, ist er dann auch hinter mein größeres Geheimnis gekommen? Weiß er über meine Magierklasse Bescheid?

Seufzend strecke ich meine linke Hand aus und betrachte den kleinen schwarzen Ring an meinem Finger. Beobachte, wie der Edelstein schwach schimmert, da er vom seichten Mondlicht angestrahlt wird.
Nun, ob er Bescheid weiß oder nicht..er hat bisher niemandem etwas verraten, sollte es tatsächlich so sein. Schließlich hatte mich keiner der anderen Generäle darauf angesprochen und disqualifiziert bin ich ebenfalls noch nicht. Mir ist bewusst, dass es einen Regelverstoß darstellt die falsche Magierklasse anzugeben, doch was hätte ich tun sollen? Ich musste mein Geheimnis unter allen Umständen wahren. Es hätte doch augenblicklich die Runde gemacht, wenn ich meine Klasse auf dem Anmeldeformular hinterlegt hätte. Abgesehen davon würde man sich doch ohnehin nicht wundern, dachte ich. Schließlich ist Eliana wirklich eine Energiemagierin. Es ist also nur logisch, dass ich als ihre Schwester die gleiche Klasse belege. Das war zumindest mein anfänglicher Hintergedanke dabei, doch wer hätte damit rechnen können, dass ich ausgerechnet den scharfsinnigsten aller Generäle zur Seite gestellt bekomme. Das habe ich wahrlich nicht in meinen Plan miteinbezogen, da ich es für zu unwahrscheinlich hielt.

Kopfschüttelnd schreite ich auf den Kleiderschrank zu, um mir den Schlafanzug herauszunehmen. Durch Nachdenken komme ich nun auch nicht weiter. Ich werde es einfach dabei belassen, ihn doch nicht darauf ansprechen, sehen was dabei herauskommt. Ich muss gestehen, dass es riskant ist. Sehr riskant, selbst für meine Verhältnisse. Das wird bislang mein größtes kalkuliertes Risiko sein. Ich vertraue einfach darauf, dass Kalen zu seinen Worten steht und tatsächlich auf meiner Seite ist, mein Geheimnis für sich behält.

Während ich mir das weiße Oberteil überstreife lassen mich die Gedanken an Kalen nicht los. Mich würde wirklich interessieren, was in seinem Kopf vorgeht, was er denkt. Durch seine seltsame Art kann ich ihn einfach nicht einschätzen. Zum einen wirkt er so offen und zugänglich, beinahe schon aufreizend, doch gleichzeitig hinterlässt diese scherzhafte Ader Zweifel.
Meint er, das was er sagt tatsächlich ernst oder ist es einfach nur sein Humor? Nebenbei umgibt ihn eine düstere Aura, die einem die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Er ist durchaus ein Mann, der einen einschüchternden Eindruck vermittelt. Sein Charisma und seine charmante Verhaltensweise können das nicht einmal ansatzweise verbergen. Obwohl ich ihn am heutigen Tag etwas kennenlernen durfte vertrete ich noch immer die Meinung, dass er recht zwielichtig ist. Etwas an ihm passt einfach nicht, wirkt nicht aufrichtig. Sein Verhalten wiederspricht seiner Erscheinung und seiner Aura komplett. Er selbst ist ein riesiger Wiederspruch!

Seufzend werfe ich mich fertig umgezogen auf mein Bett und vergrabe frustriert mein Gesicht im Kissen.Wieso mache ich mir überhaupt solche Gedanken darum? Solange er seine Aufgabe, als mein Bindungspartner ordentlich ausführt und meine Geheimnisse für sich behält habe ich doch überhaupt keinen Grund mir den Kopf über ihn und seinen Charakter zu zerbrechen, oder?

Blind FireWhere stories live. Discover now