- Kapitel 168 -

898 90 4
                                    

Ember POV

Derweil stapfe ich wütend durch die Wälder. Mein Atem geht schwer und meine Kräfte schwinden erschreckend schnell. Unweigerlich kommen mir die verhängnisvollen Worte seitens Rayons Großmutter in Erinnerung.
Solange ihr nicht wieder vereint seid oder die Bindung aus freien Stücken löst werden beide Partien unendliches Leid erfahren. Leid, welches durch keine Medizin der Welt heilbar ist"
Ich beiße die Zähne zusammen und halte mir eine Hand an die schmerzende Brust.
Ob Setto wohl ähnliche Qualen erleiden muss? Ich habe immer mehr das Gefühl, dass mir das Leben aus der Seele gesaugt wird. Für einen kurzen Moment sind die Schmerzen so übermannend, dass ich mich gegen einen Baumstamm lehnen muss. Ich nehme einige tiefe Atemzüge und lasse meinen Blick schwerfällig durch die Gegend gleiten. Dass Nathaniel fliehen konnte wirft uns um ein ganzes Stück zurück, da er schließlich der Einzige ist, der Alastair entlasten kann.
Als ich an diesem Morgen versucht habe ihn anhand seines Magieflusses aufzuspüren scheiterte ich kläglich. Da Nathaniel und ich das gleiche Blut teilen und die gleiche Magierklasse belegen entspricht sein Magiefluss zu großen Teilen meinem eigenen. Simpel betrachtet ist es also beinahe unmöglich meine eigenen Magiereste von denen Nathaniels zu unterscheiden, weshalb wir erst dazu gezwungen sind ihn auf herkömmliche Weise zu finden.

Kayrion und Arryn haben sich ebenfalls auf die Suche nach Nathaniel gemacht und darauf bestanden, die beiden übriggebliebenen Attentäter mit sich zu nehmen. Auch wenn sie es nicht direkt aussprechen weiß ich, dass sie dies nur aus Rücksicht und Sorge getan haben. Mein Zustand lässt sich schon länger nicht mehr verbergen. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin hätte ich mir die Attentäter wohl auch nicht anvertraut. Zu hoch ist das Risiko, dass ich ihnen momentan nichts entgegenzusetzen hätte, sollten sie sich wirklich dazu entschließen mich anzugreifen. Ich habe mich wohl bei der Gefangennahme zu sehr überanstrengt.
Seufzend stütze ich mich auf den Oberschenkeln ab und fixiere einen Punkt auf dem Waldboden. Tränen der Wut steigen auf.
Wieder einmal fühle ich mich so unsagbar hilflos. Ich habe bisher weder Alastair aus den Kerkern holen noch Setto aufspüren können. Egal wie viel Arbeit ich in die Sache stecke, egal wie viel Energie und Willen ich aufbringe, egal wie stark ich auch geworden sein mag, egal wie stark ich noch werde..am Ende habe ich bisher faktisch nichts erreicht. Noch dazu kommt, dass mir ständig neue Steine vor die Füße geworfen werden. Nicht nur Steine, ganze Gebirgsketten, schießt es mir spottend durch den Kopf und wische mir ergeben über die Augen. Sekurion hat mir diese Aufgabe übergeben in dem Glauben, dass ich sie erfolgreich ausführen kann. Auch er hofft darauf seine rechte Hand endlich wieder in Freiheit zu sehen.
Mittlerweile ist mehr als ein Jahr vergangen seit Alastair mir entrissen wurde. Ich habe allmählich schon Sorge sein Gesicht zu vergessen, den Klang seiner Stimme, seinen Duft. Vielleicht hatte Eliana die gesamte Zeit über recht. Vielleicht hätte ich wirklich niemals am Duell der magischen Künste teilnehmen sollen. Anstatt meinen eigenen Plan umzusetzen hätte ich einfach heiraten sollen und mich meinem Schicksal fügen sollen. Möglicherweise wäre all das dann nicht geschehen. Veros hätte diesen Komplott niemals geplant, Alastair wäre nie weggesperrt worden und ich wäre Setto niemals über den Weg gelaufen. Ich hätte allen Beteiligten viel Leid erspart.
Wenn ich doch nur ein wenig Selbstaufopferung aufgebracht hätte.
War ich zu egoistisch?
Wäre es das Richtige gewesen einen anderen Weg einzuschlagen?
Mich einfach damit abzufinden?
Ich weiß es nicht.
Jedoch bringt es auch nichts sich jetzt Gedanken darüber zu machen. Fakt ist, dass die Lage derzeit so ist wie sie ist. Ich schlage mir gegen die Wangen und kneife die Augen zusammen.
Ich muss mich zusammenreißen!
Das Beste aus der Situation machen, so wie ich es immer schon tat.
Wie sagte Meister Tarik immer?
Egal wie groß der Berg vor einem auch sein mag, man kann ihn erklimmen wenn man stets einen Schritt nach dem anderen geht. Es wird Rückschläge geben, unvorhergesehene Zwischenfälle und Momente in denen man am liebsten umkehren würde. Lerne zu rasten anstatt aufzugeben"
Seufzend schüttle ich den Kopf und fasse mir an die Stirn.
Er hat recht.
Ich darf mich jetzt nicht unterkriegen lassen.

Ich setze mich auf den Waldboden und werfe meinen Umhang zur Seite. Nachdenklich fasse ich mir ans Kinn und gehe meine Optionen durch. Nathaniel ist sich im Klaren darüber, dass wir auf dem Weg nach Adaron gewesen sind. Demnach wird er wohl kaum in diese Richtung geflohen sein. Des Weiteren wird er seine Priorität darauf gelegt haben schnellstmöglich aus dem Wald zu gelangen. Der einzige Weg, den er wählen würde, wäre der der ihn tiefer ins Königreich Trios zurückführt. Die nächstgelegene Stadt müsste meines Wissens nach Setina sein, die auch einen wichtigen Handelsknotenpunkt darstellt. Von dort aus wäre es ein Leichtes unerkannt in jede erdenkliche Richtung zu gelangen. Sollte er es tatsächlich soweit schaffen wäre er unauffindbar.
Seufzend lehne ich meinen Kopf gegen den Stamm hinter mir. Leider haben auch Kayrian und Arryn recht mit dem, was sie heute Morgen angemerkt haben. Ich teile ihre Meinung darüber, dass wir uns nur so lange wie nötig in Trios aufhalten. Schließlich sind wir mehr oder weniger illegal hier. Sollten uns Soldaten der Garde über den Weg laufen und sich unsere Aufenthaltspapiere genauer ansehen hätten wir ein großes Problem. Salems Vater hat uns diese Dokumente nur durch einen erfundenen Vorwand besorgen können. Wenn herauskommt, dass wir hier eigentlich nichts verloren haben wüsste ich nicht, wie wir das erklären sollten. Genervt verdrehe ich die Augen und versuche den stechenden Schmerz in meiner Brust auszublenden. So sehr es mir wiederstrebt, es wäre taktisch das Klügste sich zunächst mit den beiden noch gefangenen Attentätern auf den Rückweg zu machen, sollten wir Nathaniel nicht in den nächsten Stunden ausfindig machen. Aufgrund meines geschwächten Zustands sollte ich keine weiteren Risiken eingehen. Auch wenn ich diesen dreckigen Mistkerl mit jeder Faser meines Körpers verfolgen möchte..es bringt alles nichts wenn ich am Ende diejenige bin, die dem Tod ins Auge sieht.
„Ich muss Setto finden", murmle ich und habe augenblicklich ein schlechtes Gewissen.
Wie viele Wochen sind wir nun schon voneinander getrennt?
Ob er zurechtkommt?
Sobald ich ihn wieder in den Armen halte reiße ich dem alten Händler die Gliedmaße aus, das schwöre ich.
Wütend erhebe ich mich und mache mich auf den Rückweg, um mich mit den anderen beiden zu beratschlagen.

Blind FireWhere stories live. Discover now