- Kapitel 51 -

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Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es vor die beiden zu springen. Ohne die Hilfe der Luftmagierin, der ich bereits während der ersten Etappe über den Weg lief, hätte ich Kairyan und Arryn wohl nicht gefunden.
In letzter Sekunde konnte ich sie mithilfe meiner Glutleine aus dem Schussfeld ziehen. Zunächst sah sie mir verwirrt entgegen, bis sie mich wiedererkannte. Ohne große Umschweife erklärte ich ihr mein Vorhaben, woraufhin wir gemeinsam auf ihrem Stock nach Arryn und Kairyan Ausschau hielten.
Während wir so durch die Luft flogen und einigen Angriffen auswichen realisierten wir das ganze Ausmaß der Situation. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein einziges Chaos. Magier lagen bewusstlos oder schwer verletzt auf dem Boden, Zauber wurden wie wild durch die Luft geschossen, Flammen, Blitze, Eis und Erdbrocken schleuderten durch den Raum. „Hast du so etwas schon einmal gesehen?", hauchte die Luftmagierin namens Arsu nahezu tonlos, woraufhin ich schwer schluckte.
„Nein, nicht einmal die erste Etappe hatte solche schlachtfeldmäßigen Ausmaße", entgegnete ich ihr ernst und drehte meinen Kopf in ihre Richtung. „Vielen Dank, dass du mir hilfst meine Freunde zu finden", bringe ich beschämt über die Lippen, da ich mich noch wenige Minuten zuvor überhaupt nicht wie eine wahre Freundin verhalten hatte. Ich fühlte mich schlecht dabei, die beiden als meine Freunde zu betiteln, da ich sie so kaltherzig im Stich lassen wollte.
„Du bedankst dich bei mir? Ich glaube das ist eher mein Part. Du hast schließlich mir das Leben gerettet und nicht andersrum. Wenn ich meine Schuld dadurch wiedergutmachen kann dann helfe ich dir gern, Ember", entgegnete sie mir schmunzelnd, ehe sie einer Blitzkugelattacke auswich.
„Ich hoffe nur, dass wir nicht zu spät kommen..", murmelte ich besorgt während ich konzentriert die Masse an Menschen absuchte.
Arsu entdeckte die Beiden schließlich zusammengekauert auf dem Boden sitzen. Als ich sah, dass eine riesige Feuerfontäne direkt auf sie zusteuerte konnte mich nichts mehr halten.
Ohne Arsu vorzuwarnen stürzte ich mich in die Tiefe und vernahm lediglich einen erschrockenen Ruf ihrerseits.
„Ember! Nicht!", brüllte sie so laut sie konnte, doch ich ignorierte es. Ich wollte und konnte die beiden nicht noch einmal im Stich lassen.
Nun stehe ich direkt vor ihnen - Direkt vor meinen beiden Freunden, die beinahe den Flammen zum Opfer gefallen wären.
In diesem Moment verspüre ich eine enorme Wut in mir aufsteigen. Ich bin so wahnsinnig wütend!
Auf mich, auf die kopflos handelnden Teilnehmer, auf die Situation und besonders auf die Feuermagier, die uns angreifen.
Hastig und mit vor Zorn lodernden Augen schlage ich meine Hände zusammen und bilde eine Spitze mit meinen ausgestreckten Armen. Die Flammen schießen mit ihrer gesamten Intensität an uns vorbei, während sich ein kleiner Spalt vor mir bildet, der zu den Seiten hin größer wird. Ich hoffe nur, dass er groß genug ist, um Arryn und Kairyan vollständig aus der Schusslinie zu nehmen.
Die Wucht der umherwütenden Flammen ist enorm und fegt mich beinahe von den Füßen, doch ich bleibe standhaft. Ich kann jetzt nicht nachgeben, sonst sterben die beiden. Noch nie habe ich eine so große Feuerfontäne gesehen. Noch nie habe ich solch eine Fontäne abgewehrt. Wer auch immer diese Attentäter sind, sie sind unfassbar stark und haben mehr Erfahrung als ich. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich solch einen Zauber beschwören könnte.

Mittlerweile sind wir komplett von Flammen umgeben, sozusagen im Auge des Sturms. Sollte ich meinen sicheren Stand auch nur für einen kurzen Moment verlieren wäre es aus. Ich beiße meine Zähne fest aufeinander und gebe alles an Kraft, die ich noch habe. Ich lasse die beiden nicht im Stich und wenn ich dabei mein Leben verliere.
„Ember! Du..du bist hier..aber was..", stammelt Kairyan plötzlich, da er den ersten Schock vermutlich überwunden hat. Ich kneife meine Augen zusammen und erkenne, dass die Flammen immer dünner zu werden scheinen. Die Fontäne hat uns also fast passiert.
Nur ein kleines bisschen länger!
Sage ich zu mir selbst und presse meine Handflächen so fest ich kann zusammen.

Endlich kommt die Dunkelheit wieder zum Vorschein und ich atme erleichtert aus. Völlig erschöpft sinke ich zu Boden. Qualm und Rauch umgeben uns und füllen meine Lungen. Anders als Arryn und Kairyan macht mir das allerdings nichts aus. Ich höre sie husten, was mir ein Gefühl der Beruhigung einbringt. Ich stütze mich auf meinen Handflächen ab und wende mich für einen Moment nach hinten. Mein Blick trifft auf Arryn, dann auf Kairyan. Beide starren mich mit offenem Mund an. Das ist gut. Das ist sogar sehr gut.
Wenn sie mich noch so anstarren können sind sie nicht tot.
Erschöpft schließe ich die Augen und sacke erneut kraftlos zusammen.
„Ember!", ruft Kairyan besorgt und taucht im nächsten Moment neben mir auf. „Ember, bist du völlig wahnsinnig?!", meint er und schüttelt mich an den Schultern.
„Ich..konnte euch nicht einfach so im Stich lassen..ihr hättet das auch nicht getan..", hauche ich leise, da mir zu mehr die Kraft fehlt. Der Blondschopf sieht mich entgeistert an. Ein Grinsen folgt.
„Ich wusste es doch", murmelt er, was mich die Stirn runzeln lässt.
„Schnapp dir Arryn und verschwinde von hier", meine ich und deute mit meinem Kopf in Arryns Richtung. „Ich werde die Feuermagier ablenken", füge ich hinzu und versuche aufzustehen.
„Du bist vollkommen erschöpft, das kannst du vergessen. Wenn dann verschwinden wir alle drei", wiederspricht er beharrlich, doch ich schüttle den Kopf.
„Arryn ist verletzt. Du musst ihn in Sicherheit bringen sonst war das eben umsonst! Wir haben einen Plan", meine ich mit Nachdruck in der Stimme.
„Ich nehme dich huckepack und stütze Arryn. Das wird schon-", unterbricht er sich selbst und starrt mir verwirrt entgegen. „Moment..wir? Wer ist wir?", fragt er irritiert.
„General Kalen un-", setze ich zur Antwort an, komme allerdings nicht dazu meinen Satz zu Ende zu sprechen.
„Weißt du was, spielt keine Rolle. Das ist zu riskant. Wir schaffen das schon irgendwie zu dritt zu verschwinden", haspelt Kairyan verzweifelt und erntet erneutes Kopfschütteln meinerseits.
„Du weißt selbst, dass das unser Todesurteil wäre. Du bist ohnehin schon langsamer, da du Arryn stützen musst. Ich werde dafür sorgen, dass sie euch nicht länger ins Visier nehmen", erkläre ich die Fakten und höre ihn wütend schnauben. „Lass mich das für euch tun. Ihr seid meine Idioten..ich muss doch beschützen, was mir wichtig ist", füge ich leise lachend hinzu, woraufhin Kairyans Augen für einen Moment aufblitzen. Er zieht mich zu sich und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf meinen Haaransatz. „Du kommst nach, hast du mich verstanden?", weist er mich drängend an, woraufhin ich nicke.
„Du klingst schon genauso wie Kalen", entgegne ich ihm grinsend, während er zu Arryn eilt und ihm beim Aufstehen hilft.
Der Rauch und die Asche legen sich allmählich und geben die Sicht auf die zwei Feuermagier frei. Sie sehen sichtlich überrascht aus, sofern man das durch ihre Verschleierung erkennen kann.

Schnell und ohne zu zögern werfe ich meine Glutleine aus. Ich ziele auf den Fuß des kleineren Angreifers und ziehe so fest ich kann, um ihn auf den Boden zu donnern. Der Komplize holt sofort zum Gegenangriff aus.
Gut so, alles verläuft nach Plan. Sie schenken Arryn und Kairyan keinerlei Beachtung mehr. Ich nutze die Gelegenheit und renne was das Zeug hält. Meine Muskeln zittern. Das Abwehren der Feuerfontäne hat mich einiges an Kraft gekostet. Ich weiß, dass ich nicht lange durchhalte.
Angestrengt sehe ich prüfend nach vorn, um abzuschätzen, wie weit es noch ist. Ich muss noch ein bisschen durchhalten. Nur noch wenige hundert Meter, doch die Richtung stimmt. Ich darf jetzt nur nicht nachlassen! Ich habe mich noch überhaupt nicht für mein herzloses Verhalten bei Kairyan und Arryn entschuldigt. Ich muss wenigstens noch lange genug durchhalten, um ihnen sagen zu können, dass es mir leid tut.

Immer wieder schießen flammende Feuerbälle und Feuerblitze an mir vorbei. Plötzlich taucht einer der Angreifer direkt neben mir auf.
„Du bist erstaunlich zäh..aber nicht stark genug, um es mit uns aufzunhemen. Mal sehen, wie lange du noch durchhältst..", erklingt eine helle Stimme, woraufhin ich meinen Blick zur Seite wandern lasse. Ein Mädchen, noch dazu eine Feuermagiern. Sie ist so unglaublich talentiert, dass ich sie fast schon beneide. Wenn sie mich nicht umbringen wollen würde hätte ich wirklich gern von ihr gelernt.
„Das spielt für mich momentan keine Rolle..ich bin nur die Ablenkung", presse ich schwer atmend hervor, da ich tatsächlich spüre, wie ich langsamer werde. Das Mädchen reißt die Augen auf und richtet ihren Blick erschrocken nach vorn. Noch bevor sie stoppen kann wird sie von Kalens und Sekurions erschaffenem schwarzen Loch eingesogen. Ihr Komplize, der mich von oben herab verfolgte teilt ihr Schicksal und fliegt ungebremst in die Schwärze.

Erleichtert und völlig erschöpft sacke ich zusammen und kann mich gerade noch so mit den Handflächen abfangen, ehe ich mich auf den Boden gleiten lasse. Ich gebe es ungern zu, doch General Kalens Hilfe letztlich anzunehmen war tatsächlich die richtige Entscheidung. Allein hätte ich es niemals mit den beiden aufnehmen können. Dafür waren sie zu stark. Auch wenn ich anfangs dagegen war, musste ich schließlich zugeben, dass Kalens Plan wirklich gut war. Außerdem hatte er sich so nicht in Gefahr begeben müssen, da ich den Lockvogel spielte. Seine Beharrlichkeit ist äußerst beeindruckend gewesen. Trotz meiner Versuche ihn zu ignorieren und ihn aus dieser Sache rauszuhalten hat er einfach seine Klappe nicht halten können. Irgendwann konnte ich mich auf gar nichts anderes mehr konzentrieren außer auf sein besorgtes Gestammel. Abgesehen davon waren seine Argumente, die er mir mehr als deutlich einbläute, ziemlich überzeugend..ich wollte die Hölle nicht unbedingt aus nächster Nähe sehen.

„Ember!", reißt mich Kalens Stimme aus den Gedanken, ehe er bereits neben mir kniet und mich vorsichtig auf seine Arme hievt. „Gott sei Dank..dir ist nichts passiert. Das war verdammt knapp..Mach so etwas nie wieder! Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie besorgt ich war?!", brüllt er den letzten Teil aufgebracht, während er sich mit mir auf seinen Armen aufrichtet.
„Vielen Dank, Sir..Sie haben mir das Leben gerettet. Das werde ich ihnen niemals vergessen..", hauche ich kraftlos und ernte einen verdutzten Gesichtsausdruck seinerseits. „Sie hatten recht..Ich brauche sie an meiner Seite..es tut mir leid..verzeihen sie meine Sturheit..Ich wollte nur nicht..dass sie verletzt werden..", murmle ich desillusioniert bevor ich das Bewusstsein verliere und mein Körper sich endlich in Ruhe entspannt.

Blind FireWhere stories live. Discover now