- Kapitel 50 -

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Während Ember den Ausgang des Teleportationsraums ansteuert und Kairyan sich waghalsig zurück ins Chaos stürzt schlägt ihm sein Herz bis zum Hals.
Einerseits vor Angst und andererseits vor Wut.
Er kann einfach nicht fassen, dass Ember ihn wirklich hat gehen lassen ohne mitzukommen. Er fragt sich, ob Arryn und er ihr tatsächlich so wenig bedeuten. Ob sie wahrhaftig absolut nichts für die beiden empfindet. Er wusste von Anfang an, dass Ember ein recht kühler Mensch ist, doch dass sie tatsächlich so eiskalt handeln kann hat er nicht erwartet. Er dachte immer, dass sie einfach nur eine harte Schale besitzen würde, doch wie es scheint hat sie auch einen harten, verbitterten Kern.

Auch wenn Arryn und er sich oft in die Wolle bekommen, so könnte er ihn niemals zurücklassen. Er würde es niemals zugeben, doch der riesen Affe ist ihm tatsächlich ans Herz gewachsen. Er könnte den Gedanken nicht ertragen ihn einfach so zum Sterben zurückgelassen zu haben, obwohl er etwas hätte tun können. Egal wie sinnlos sein Vorhaben auf andere auch wirken mag, so muss er es doch wenigstens versuchen. Schließlich hat Arryn ihn auch nicht hängen lassen, als er ihn betrunken um Gesellschaft angebettelt hatte.
Er könnte sich selbst ohrfeigen so viel getrunken zu haben. Denn jedes Mal wenn er in diesen deliriumartigen Zustand verfällt schleichen sich die schlechten Erinnerungen wieder in seinen Kopf. Es ist unmöglich, nein, unerträglich für ihn allein zu sein wenn er diesen Bildern ausgesetzt ist. Dass Arryn sich um ihn kümmerte und ihn nicht allein ließ, ihn sogar bei sich im Zimmer aufnahm, ihn bei sich schlafen ließ bedeutet Kairyan sehr viel. Es fehlte nicht viel und er wäre auf den Boden gekrabbelt. Fast hätte er sich neben Arryn auf den Boden gelegt, nur um nicht allein auf dem Bett zu liegen, doch er konnte sich beherrschen.
Der Blondschopf ist allerdings der festen Überzeugung, dass Arryn selbst dies zugelassen hätte. Er hätte ihn neben sich liegen lassen – ganz sicher. Genau deshalb muss er nach ihm suchen. Er muss ihn finden. Er muss ihm helfen.

Während er sich durch die Menge quetscht und über bereits geschlagene Magier stolpert erhascht er einen kurzen, flüchtigen Blick auf General Kalen. Zumindest sah es in der Sekunde danach aus, als wäre er es gewesen. Davon darf er sich nun allerdings nicht ablenken lassen. Er musste Arryn finden. Er kämpft sich weiter durch die Masse, während er sich noch ein letztes Mal umdreht, in der Hoffnung General Kalen zu entdecken, doch vergebens.

Kairyans Augen haben ihn nicht getäuscht. Alastair befindet sich tatsächlich gemeinsam mit Amaya, Farren und Cion inmitten des Getümmels. Er duckt sich und weicht einem der hagelnden Angriffe aus. Hastig steht er wieder auf den Beinen und sieht sich suchend um.
Ember musste doch hier irgendwo sein, denkt Alastair und bahnt sich einen Weg durch das Chaos. „Ich werde Eliana suchen gehen! Ich wünsche euch viel Glück bei der Suche nach euren Schützlingen", ruft Amaya über den Kampfeslärm hinweg, ehe sie bereits im Getümmel verschwindet. Alastair schenkt ihr allerdings keine Beachtung und konzentriert sich weiterhin auf die Gesichter vor ihm.
Ember, wo steckst du? Ich suche schon überall nach dir", richtet er sein Wort an sie, doch es kommt wieder einmal keine Antwort. „Bitte Ember, antworte mir endlich..wenn du mich ignorieren solltest schicke ich dich persönlich in die Hölle!", zischt er angesäuert in Gedanken und verzieht sein Gesicht dabei.
Dafür müssen sie mich zunächst einmal finden, Sir", erklingt Embers süffisante Stimme in seinem Kopf, woraufhin er vor Erleichterung die Augen schließt und seufzt. Dabei wäre er beinahe gegen eine Eiswand gerannt, die sich wie aus dem Nichts vor ihm auftat.
Ember! Ich schwöre dir wenn du mich nicht sofort zu dir rufst dann-", fängt er an zu predigen, doch Ember lässt ihn nicht zu Ende denken.
Bitte verzeihen sie, Sir, doch ich habe noch etwas zu erledigen. Bitte sehen sie zu, dass sie von hier weg kommen", grätscht sie dazwischen, woraufhin Alastair ungläubig sein Gesicht verzieht. Er lächelt verkrampft und hat seine Augen zur Hälfte geschlossen, ehe er einmal tief Luft holt.
Du bist wirklich ein Scherzkeks, was? Du machst dir Sorgen um mich?! Ich glaube dir ist entfallen, dass ich ein General des schwarzen Rings bin. Ich bin derjenige, der sich Sorgen machen sollte! Ember, wenn du jetzt nicht augenblicklich-", beginnt er erneut, wird jedoch wieder unterbrochen. „Ich bitte nochmals um Verzeihung, doch das kann ich nicht tun. Ich könnte es mir nie verzeihen sollte ihnen etwas zustoßen. Das sind bestens ausgebildete Feuermagier. Nehmen sie es nicht persönlich, doch ich glaube ich als Feuermagierin habe wesentlich höhere Chancen ohne Verbrennungen und ganz besonders mit dem Leben davonzukommen", grätscht sie erneut dazwischen woraufhin Alastair der Kragen platzt.
„Wie bitte?! Du glaubst?! Hör mir mal zu Kleine, das ist kein Witz! Die machen keine halben Sachen. Willst du wirklich sterben?! Du hast so gut wie keine Kampferfahrung. Sei doch nicht so stur verdammt nochmal!", entkommen ihm die Worte nun nicht länger nur in Gedanken. Vor Wut hatte er überhaupt nicht bemerkt, dass er seine Stimme erhoben hatte. „Ich bin dafür da, um dich zu beschützen! Also lass mich meine Aufgabe erfüllen", fügt er gereizt hinzu, während er sich weiter nach ihr umsieht. „Ember! Wenn du mich wieder ignorierst verspreche ich dir, dass du das bereuen wirst wenn du hier lebend raus kommst!", droht er ihr an, doch selbst das entlockt ihr keinerlei weitere Reaktion. Wütend und außer sich vor Sorge stapft er weiterhin durch das Chaos. Sein Herz hämmert in seiner Brust. Ember muss ihn einfach zu sich rufen. Er stellt fest, dass das der einzige Weg ist, um sie zu finden. In dieser Masse an Menschen, die wie wild umeinander rennen und Zauber durch die Luft werfen ist es ihm unmöglich sie ausfindig zu machen.
Ein General kann seinem Schützling leider nur dann ohne Umwege erscheinen wenn er explizit gerufen wird. Da Ember sich allerdings weigert bleibt ihm nichts anderes übrig, als den erbärmlichen Versuch sie auf eigene Faust zu finden fortzusetzen.
Ein riesiger Feuerball fliegt direkt über seinem Kopf hinweg und landet unweit von ihm entfernt. Die Druckwelle des Aufpralls erschüttert den Boden wohingegen die Magier weiter vorn umgerissen werden.

Auch Kairyan befindet sich unter ihnen. Wie Dominosteine fällt einer nach dem anderen zu Boden. Der Blondschopf rappelt sich eilig wieder auf.
Er kann jetzt nicht aufhören.
In etwa die Hälfte der Menge hatte er bereits abgesucht – erfolglos. Arryn ist einfach nicht zu finden. Zunehmende Verzweiflung macht sich in seiner Magengegend breit.
Ob Ember tatsächlich abgehauen ist?
Diese Frage schwirrt ihm im Kopf umher, während er einigen Magiern ausweicht, die noch immer bedröppelt auf dem Boden liegen. Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Sie könnte ohnehin nichts tun. Vielleicht war es tatsächlich das Beste für sie zu verschwinden. Am Ende hätte es sie noch erwischt. Er schüttelt den Kopf und seufzt. Natürlich kam sie nicht mit. Was hatte er erwartet? Sie ist blind! Wieso um alles in der Welt sollte sie sich solch einer Gefahr aussetzen? Wieso verlangte er das überhaupt von ihr? Vermutlich hatte er einfach nicht daran gedacht, da ihn ihre Reaktion zu sehr erschütterte. Wenn sie Angst hatte, wieso sagte sie es dann nicht einfach? Das hätte er doch verstanden. Aber es so aussehen zu lassen, als wäre Arryn ihr völlig egal war definitiv nicht richtig. So sieht er das zumindest. Oder ist Ember tatsächlich so herzlos? Hat sie nicht nur ihre Angst überspielt? Hat sie das ernst gemeint?
Er weiß es nicht, will es momentan auch nicht wissen. Die Antwort würde ihn zu sehr von seiner Aufgabe ablenken.

Ein erneuter Angriff erschüttert den Boden und tränkt den Raum weiter in Flammen. Kairyan hält sich schützend den Arm über die Augen, um keine brennenden Ascheflocken abzubekommen. Er kneift sie zu Schlitzen zusammen und sieht sich um. Vor ihm liegen die Magier auf dem Boden. Teilweise bewusstlos und teilweise..darüber will er momentan lieber nicht nachdenken.

Plötzlich sticht ihm ein brauner Schopf ins Auge. Pfeile aus Eis fliegen durch die Luft, verfehlen ihr Ziel allerdings knapp. Der Angreifer lässt die Aktion des Eismagiers nicht auf sich sitzen und bereitet den nächsten Schlag vor. Besorgt und erleichtert darüber Arryn gefunden zu haben stürmt Kairyan auf ihn zu. „Arryn! Pass auf!" brüllt der Blondschopf lauthals, ehe er sich schützend vor Arryn wirft, der auf dem Boden kauert und sich das Bein hält. Gerade rechtzeitig erschafft Kairyan eine dicke Glasscheibe, die die beiden dank des heftigen Angriffs einige Meter nach hinten schiebt.
„Kairyan..verschwinde von hier", erklingt Arryns kratzige Stimme, während er versucht sich aufzurichten. Entgeistert wirft der Blondschopf einen Blick über seine Schulter.
„Bist du wahnsinnig? Weißt du wie lang es gedauert hat dich zu finden?! Ich gehe hier nicht ohne dich weg", entgegnet er gepresst, da er noch immer mit der Druckwelle des Angriffs zu kämpfen hat.
„Ich kann nicht laufen..mein Bein ist verletzt. Ohne mich bist du schneller", redet Arryn ihm ins Gewissen, doch davon will er nichts hören.
„Dann verschwinden wir eben langsam aber ich werde dich nicht hier lassen!", brüllt er ihm entgegen, während sich mittlerweile ein weiterer Angreifer in der Luft blicken lässt. Beide lassen sich von Flammen durch die Gegend tragen, was eine Flucht erschwert.
„Sei nicht dumm du Hohlkopf! Na los verschwinde endlich", knurrt Arryn sichtlich erbost und packt ihn am Kragen.

„Wie herzallerliebst..na immerhin habt ihr das Privileg gemeinsam zu sterben", erklingt eine weibliche, eisige Stimme von oben herab. Beinahe majestätisch schwebt sie hoch über ihren Köpfen und lässt eine riesige Feuerfontäne entstehen.
„Hau endlich ab! Das können wir nicht blocken!", schreit Arryn flehend, doch Kairyan denkt nicht einmal daran ihn zurückzulassen.
„Dann sterben wir eben beim Versuch", entgegnet er ihm ruhig und mit eisernem Blick, woraufhin Arryn die Gesichtszüge entgleiten. Ohne nachzudenken greift er mit seiner Hand um Kairyans Nacken und zieht ihn zu sich. Stirn an Stirn sitzen sie auf dem Boden und werden von warmem Licht angestrahlt. Die Feuerfontäne wächst immer weiter, wird immer größer und größer, sodass sie ihre Gesichter zur Hälfte hell erleuchtet. Beide sehen sich starr in die Augen, die durch die grellen Flammen funkeln, wie der Nachthimmel.
„Ich würde es normalerweise niemals zugeben aber..ich bin dir sehr dankbar für das, was du für mich getan hast..Das du mich nicht allein gelassen hast..deshalb lasse ich dich jetzt auch nicht allein", gesteht Kairyan kleinlaut, nimmt den Blick jedoch für keine Sekunde von Arryns hellblauen Augen, die ihn an eine Eiswüste erinnern.
„Du bist eine echte Nervensäge..ich werde dich einfach nicht los", entgegnet Arryn resigniert, während sich ein schmerzverzehrtes Schmunzeln auf seine Lippen schleicht. „Aber..ich bin froh darüber", fügt er hinzu und spürt Kairyans Hand auf seiner Schulter. Kein weiteres Wort verlässt mehr die Lippen der beiden. Alles, was sie sich noch zu sagen haben, sagen sie sich durch Blicke. Die Feuerfontäne hat ihre maximale Größe erreicht und erstreckt sich vom Boden bis hin zur Decke, die von unten nicht zu erkennen ist.

„Also dann..sayonara!", ruft die Feuermagierin voller Entschlossenheit und schickt die brennende Säule los.

Blind FireWhere stories live. Discover now