- Kapitel 87 -

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„Alle hier Anwesenden konnten die dritte Etappe zu ihren Gunsten entscheiden. Jeder Einzelne von euch hat sich diesen Platz hier wahrlich verdient, dennoch kann es nur einen Sieger geben. Um diesen zu ermitteln bedient sich der Rat des schwarzen Rings eines Bewertungssystems. Es werden Punkte verliehen für die verschiedenen geprüften Kategorien. Ich werde nun die erreichten Punkte des Siegers in eben angesprochenen Kategorien verkünden", erklärt General Sekurion, ehe er mit dem Finger schnippt und sich eine gelbliche Pergamentrolle vor ihm materialisiert. Das Siegel des schwarzen Rings ist deutlich zu erkennen, bevor er es mit dem Zeigfinger und seiner Blitzmagie öffnet.
„Magische Kraft – exzellent – neun von zehn Punkten.
Körperliche Kraft – sehr gut – acht von zehn Punkten.
Taktisch kluges Handeln – exzellent – zehn von zehn Punkten.
Scharfsinn und Auffassungsgabe – exzellent – zehn von zehn Punkten.
Loyalität – gut – sieben von zehn Punkten. Teamfähigkeit und Kammeradschaftssinn – gut – sieben von zehn Punkten und letztlich..
Ehrgeiz und Kampfeswille – exzellent – zehn von zehn Punkten", verließt er monoton die Punktevergabe, während sich leises Gemurmel im Saal ausbreitet.
„Was?! Wie viele höchstpunktzahlen waren das insgesamt?",
„Wer hat diese Ergebnisse wohl erzielt?",
„Pff, das kann ja nur jemand mit einem Bindungspartner gewesen sein. Den stecke ich locker in die Tasche!"
Gespannt lausche ich General Sekurions Worten und schweife dabei immer wieder zu Alastair, der ebenfalls angespannt mitfiebert. Für einen Moment schließe ich die Augen.
Alastair, auch wenn du momentan nicht an meiner Seite sein kannst, so warst du es, der mich erst soweit gebracht hat. Ob Sieg oder Niederlage spielt keine Rolle mehr für mich. Ich durfte dich, all die anderen und mich selbst kennenlernen, das ist Lohn genug. Völlig gleich, ob ich hier heute als Gewinner oder Verlierer hervorgehe, ich werde einen Weg finden dich da rauszuholen und deine Unschuld zu beweisen.

„Das Ergebnis dieser Punktevergabe wurde vom Rat der Generäle abgesegnet und ist als rechtswirksam zu erachten. Ich gratuliere ihnen..", fährt General Sekurion fort, woraufhin ich meine Augen wieder öffne.
„..Miss Ember Akela", verkündet er, woraufhin sich meine Augen weiten. Plötzlich habe ich das Gefühl, dass die Zeit still steht. Verwirrt blicke ich mich um, doch die Farben der Umgebung sind noch da. Levion hat die Zeit nicht gestoppt, dennoch überkommt mich dieses Gefühl der Trägheit. Die Geräusche, das Stimmengewirr um mich herum erscheint mir dumpf und surreal.
Träume ich?
Nein, ich bin wach.
Mit offenem Mund wandert mein Blick nur stockend hinüber zu Eliana, die wutentbrannt die Augen aufeinanderpresst. Sie fällt auf die Knie und brüllt sich die Seele aus dem Leib, doch ich höre nichts. Völlig überfordert lasse ich meinen Blick zu Alastair wandern, der jubelnd in die Hände klatscht, ein breites Lachen auf den Lippen und vor Freude strahlenden Augen. Ich schwenke den Blick hinüber zu Kairyan und Arryn, die frustriert und gekränkt zu Boden sehen. Kairyan hat die Brauen zusammengezogen und beißt die Zähne zusammen, während Arryn mit eiskalter Miene den Boden fixiert. Doch nur wenige Sekundenbruchteile später erkenne ich, wie Arryn ein seichtes Grinsen auflegt, den Kopf hebt und anerkennend zu mir rüber sieht. Auch Kairyan sammelt sich und sieht mir gefasst entgegen. Ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen, ehe er triumphal die Faust in die Höhe wirft. Auch Kion und Arsu zeigen klatschend ihre Anerkennung, was mir ein unsagbares Gefühl der Erleichterung beschert.
Erst nach und nach fange ich an zu begreifen, dass ich das Duell tatsächlich gewonnen habe.
Ich bin die Siegerin des diesjährigen Duells der magischen Künste.
„Meinen Glückwunsch, Ember", dringen Levions Worte nur leise zu mir durch, doch ich habe sie gehört. Ich drehe mich um und sehe ihm fassungslos entgegen. Ohne weiter darüber nachzudenken schlinge ich meine Arme um ihn und lasse jegliche Anspannung fallen. Ich spüre, wie er seine Arme um mich legt und mir behutsam über den Rücken streicht.
„Ich schätze da wollen dir wohl noch mehr Leute gratulieren", weist er mich schmunzelnd darauf hin, bevor ich mich sachte von ihm löse und im nächsten Moment bereits wild durch die Luft geschleudert werde.
„Emberlein! Du hast es geschafft! Ich fasse es nicht", brüllt Kairyan mir ins Ohr, während er mich allmählich wieder auf den Boden setzt.
„Auch ich gratuliere dir, Ember. Du hast den Sieg verdient", fügt Arryn hinzu und boxt mir schief grinsend gegen die Schulter.
„Sehr gut Ember!", höre ich Arsu rufen und wende meinen Blick nach hinten.
„Spitze! Du bist wirklich eine starke Magierin!", pflichtet Kion ihr bei und klatscht erneut lautstark in die Hände.

General Sekurions Räuspern zieht die Aufmerksamkeit erneut auf sich.
„Doch, das ist noch nicht alles", fährt er fort, weshalb alle Blicke gebannt auf ihm liegen. „Aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen ist sich der Rat der Generäle darüber einig geworden ihnen in Anbetracht der vorangegangenen Ereignisse einen Wunsch zu gewähren", erklärt er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und sieht mir dabei abwartend entgegen. Seine Miene ist ausdruckslos, nicht zu deuten, doch trotzdem keimt in mir das Gefühl auf, dass er ganz stark an dieser Idee beteiligt war. Nachdenklich starre ich ins Leere hinter ihm, während Kairyans Augen zu funkeln beginnen. „Was? Hast du das gehört? Du hast einen Freifahrtschein Emberlein! Wünsch dir Gold soviel du tragen kannst! Oder nein, warte..wünsch dir einen eigenen Palast!", sprudelt es verträumt aus ihm heraus, ehe Arryn ihm erneut auf den Kopf schlägt.
„Du Goldfisch. Geld hat ihre Familie doch genügend. Sie ist genau wie wir eine Adelige, falls du das vergessen haben solltest", murrt er kopfschüttelnd, während der Blondschopf die getroffene Stelle auf seinem Kopf inspiziert.
„Verdammt! Lass das gefälligst! Wenn du so weiter machst habe ich an der Stelle bald keine Haare mehr!", beschwert er sich schmollend und reibt sich über den blonden Schopf. Derweil gehe ich meine Optionen durch. Ich habe, wie Kairyan es schon sagte, tatsächlich einen Freifahrtschein dafür, mir alles zu wünschen, was ich will.
Ich kann den Wunsch dafür nutzen, Alastair aus dem Kerker zu holen!
Ich hole bereits tief Luft und will eben zur Antwort ansetzen, als ich plötzlich stoppe. Wenn ich den Gedanken weiterspinne, sagen wir bis zu dem Zeitpunkt an dem Alastair wieder frei wäre, was würde dann geschehen?
Man würde ihn doch nicht einfach so wieder zurückkehren lassen. Die königliche Familie würde niemals Ruhe geben wenn es keinen Schuldigen für das Attentat gibt. Abgesehen davon hätten wir General Veros auch nicht mehr so unter Kontrolle, wie jetzt im Moment. Folglich bedeutet das, dass man Alastair seines Amtes des Generals entheben würde, schlimmer noch, man würde ihn möglicherweise gleich des schwarzen Rings verweisen und ich würde Veros auch noch in die Karten spielen! Ich würde Alastairs Leben ruinieren, sollte ich mir nun seine Freiheit wünschen. So sehr es mich auch schmerzt, ich kann ihm leider noch nicht helfen.
Geknickt senke ich den Blick. Ein Seufzen entrinnt mir, da ich außer diesem einen Wunsch tatsächlich nichts anderes brauche. Ich habe während des Duells so viel gelernt, dass ich einige Dinge, die ich mir zuvor sehnlichst erträumt habe nun überhaupt nicht mehr brauche.
Eigentlich ist dieser Wunsch an mich verschwendet, schießt es mir durch den Kopf.
„Was hast du denn?", erkundigt der Blondschopf sich und packt mich an den Schultern, ehe er mich kurz und kräftig schüttelt.
„Lass den Unsinn", presse ich hervor und schlage seine Hände von mir. Diese beiden Schwachmaten. Sie wüssten sicherlich mehr mit dem Wunsch anzufangen, als ich. Genauer gesagt, wüssten sicher alle hier mehr damit anzufangen, als ich. Ich lasse meinen Blick schweifen, ehe mir eine Idee kommt. Wenn ich schon nichts mit dem Wunsch anfangen kann, dann kann ich ihn vielleicht zu Gunsten der anderen nutzen? Schließlich haben sie soeben erfahren, dass sie verloren haben. Obwohl ihnen allen bewusst ist, dass sie ihre Kräfte verlieren werden freuen sie sich für mich, jubeln sogar für mich. Gerade Kairyan und Arryn war der Sieg wichtig. Das weiß ich. Trotzdem standen sie abseits der Etappenprüfungen immer hinter mir. Auch Kion und Arsu hatten sicherlich ihre ganz eigenen Gründe, weshalb sie hier gewinnen wollten und dennoch erkenne ich auch bei ihnen wahrhaftige Freude und Akzeptanz. Nicht zu vergessen mein herzallerliebstes Schwesterlein..was soll ich sagen? Sie zählt eben zur Familie. Selbst wenn es uns wohl beide nicht sonderlich erfreut, so fließt das gleiche Blut durch unsere Adern. Abgesehen davon hat Eliana dazu beigetragen mir während des Duells aufzuzeigen, wie stark ich wirklich bin und dafür danke ich ihr.
Sie alle haben mir während des Duells auf ihre eigene Art und Weise zur Seite gestanden ohne etwas dafür zu verlangen. Nun bin ich an der Reihe ihnen etwas zurückzugeben.

„Ich darf mir alles wünschen, was ich will, richtig?", hake ich skeptisch nach und ernte bestätigendes Nicken seitens General Sekurion.
„Gut, dann wünsche ich mir, dass alle übrig gebliebenen Teilnehmer ihre magischen Kräfte behalten dürfen", verkünde ich und werde ungläubig gemustert. Selbst General Sekurion entgleiten die Gesichtszüge für einen kurzen Moment, ehe er seicht grinsend eine Braue hebt.
„Bist du dir sicher, dass das dein Wunsch ist?", vergewissert er sich, woraufhin ich bestätigend nicke.
„Nun denn, wenn dies dein Wunsch ist dann soll es so sein", entgegnet er und lässt seinen Blick durch die Reihen gleiten.
„Welch überaus selbstloser Wunsch", flüstert Levion mir zu, woraufhin ich ihm lediglich ein Lächeln schenke. Auch Alastair sieht mit schiefem Grinsen zu mir empor und schüttelt fassungslos den Kopf.

Blind FireWhere stories live. Discover now