- Kapitel 192 -

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Plötzlich geht alles ganz schnell. Die Feuerfontäne der drei Attentäter wird entfesselt. Die Magier auf der Oberfläche hüllen sich in Schutzmembranen, während ihre Kameraden im Untergrund alles geben, um den Boden zu stärken.
Einige sehen den Flammen hinterher, andere schicken Stoßgebete in den Himmel.
Einige liegen sich hoffnungsvoll in den Armen, andere behalten die Nerven und bleiben konzentriert.
Es ist, als wären jegliche Geräusche stummgeschaltet.
Die Sekunden ziehen sich, bis die ersten schmerzverzehrten Schreie die leeren Straßen erfüllen. Jegliche feindliche Magier verbrennen zu Asche, welche durch den Aufwind des Angriffs durch die Luft getragen wird. Die Wucht und die Hitze schlägt allen Beteiligten entgegen. Auch die Magier im Tunnelsystem wischen sich den Schweiß von der Stirn, geben jedoch nicht nach. „Lasst nicht nach! Wir dürfen den Untergrund nicht einstürzen lassen!", brüllt Sekurion und steht Rücken an Rücken zu Alastair, während Levion sie in eine Schutzmembran schließt. Auch Eliana und Midan sehen durch die im Wind wehenden Zeltplanen hindurch. Ihre Augen weiten sich, als sie die Feuerfontäne erblicken. Nathaniel und Kiana verziehen angestrengt ihre Gesichter, als sie ihrem Werk dabei zusehen, wie es alles und jeden vernichtet, der sich dem Angriff in den Weg stellt.
„Es war..nicht genug..", ächzt Nathaniel und stützt sich kraftlos auf den Oberschenkeln ab. Auch wenn sie eindrucksvoll aussieht..die Fontäne wird es nicht bis ganz durch schaffen. Es werden zu viele Gardemagier übrig bleiben. „Verdammt..", presst er zwischen seinen Zähnen hindurch. Der Angriff ist mächtig, weshalb Sekurion ihn auch vorgeschlagen hat. Nathaniel hatte ihn bezüglich dieses Nachteils informiert, doch Sekurion wollte nicht vom Plan abweichen. Andererseits..er hätte auch keinen anderen Ausweg gewusst.
Sie mussten es versuchen.
Darauf hoffen, dass es ausreichen wird.
Er schielt zu Kiana, die mittlerweile bewusstlos auf dem Boden liegt. Die Kraft kostet ihren Tribut, denkt er sich und lässt seinen Blick weiter zu Kenny gleiten. Auch er hat sein Limit fast erreicht. Er muss noch einmal Kraft aufwenden, denkt er sich, während er bereits wild funkelnde Punkte vor seinen Augen tanzen sieht.
Die Schreie der Magier übertönen jegliche Gedanken.
Nur noch einen kurzen Moment..Nathaniel muss sich nur für einen Moment ausruhen.
Schwer atmend sieht er der Fontäne hinterher und erkennt, dass sie allmählich ihren kritischen Punkt erreicht hat.
„Noch ein letztes Mal..", ächzt er und streckt seine Hand zitternd nach vorn. Zaghafte Flammen entkommen seiner Handfläche, ehe er zischend flucht. Er hat den Kraftanteil des Feuerfuchses bereits aufgebraucht. Er muss es aus eigener Kraft schaffen, doch..wie?

Kurz bevor er sich geschlagen geben will spürt er eine Hand auf seiner Schulter gefolgt von braunen Haaren, die rötlich schimmernd im Wind wehen. Er schielt zur Seite und weitet die Augen, als er Ember neben sich stehen sieht. Wortlos sieht sie ihm entgegen. Ihr Ausdruck wirkt gefasst, doch in ihren Augen spiegelt sich Trauer. Etwas muss schief gelaufen sein, schießt es ihm durch den Kopf. Seine Gesichtszüge werden weicher, ehe er auch ihr eine Hand auf die Schulter legt.
„Viele haben heute ihr Leben gelassen. Sie haben sich geopfert, um uns dem Sieg einen Schritt näher zu bringen. Auch wenn es dich nur am Rande betrifft..auch wenn ihr bereits große Opfer gebracht habt..", richtet sie ihr Wort an ihn und erkennt Kiana aus dem Augenwinkel am Boden liegen. „..bitte lasst jetzt nicht nach. Lasst all die Tode meiner Kameraden nicht umsonst gewesen sein", meint sie mit Trauer in der Stimme. „General Kalen..ist er?", keucht Nathaniel, während er sich mit angestrengtem Gesicht auf Ember stützt.
„Er ist wohlauf", entgegnet sie und senkt den Blick.
„Der Feuermagier Salem..ich konnte ihn nicht retten", haucht sie betreten. „Meine Schwester sowie zwei weitere Kameraden wurden schwer verletzt. General Kalen hat beinahe all seine Kraft aufgebraucht und auch ich habe kaum noch übrig", fügt sie hinzu und sieht der Fontäne entgegen.
Nathaniel hebt die Brauen während er die Augen weitet. Er nickt zaghaft und senkt den Blick. „Dein Verlust tut mir leid. Er muss ein starker Magier gewesen sein wenn er sich stolz gegen den Kronprinzen Trios behaupten konnte. Auch wenn dir diese Worte keine Genugtuung geben können..doch für die anderen besteht Hoffnung auf Besserung. So lange das Herz noch schlägt, so lange die innere Flamme noch brennt..", versucht er ihr Beistand zu leisten. Überfordert ringt er nach passenden Worten, da er bisher noch niemandem Trost spendete.
Bislang dachte er immer so abgestumpft zu sein hätte keine Nachteile, doch wenn er Ember nun so vor sich stehen sieht.
Der Schmerz ihr ins Gesicht geschrieben steht..er wünschte er könnte ihr einen Teil der Last von den Schultern nehmen.
„Das war er..", entgegnet Ember und sieht Salems Gesicht vor sich. All die Nachmittage mit ihm und Hellion auf dem Trainingsgelände des Hauptquartiers, all die Abende am Tisch mit ihm und den anderen, all die Aufträge die sie gemeinsam durchführten..All die Gespräche mit ihm, sein Lachen, sein ungläubiger Ausdruck auf dem Gesicht wenn Dewi und Darko ihn wieder einmal zur Weißglut brachten.
„Er war ein guter Freund", fügt sie hinzu und streckt ihre Hand nach vorn.
Salem..ein letztes Mal..greifen wir zusammen an, denkt sie und schließt andächtig die Augen. Nathaniel hingegen fehlen die Worte.
Stattdessen beißt er entschlossen die Zähne aufeinander. Wenn er Ember schon nicht mit Worten unterstützen kann dann mit seiner Kraft. Er nimmt den letzten Rest an magischer Kraft zusammen und streckt seine Hand erneut aus. Embers Arm wird von blauen Flammen umgeben, während Nathaniels rote Flammen sich anschließen.
Kenny sieht sich derweil um und scheint zu begreifen, was die beiden Geschwister vorhaben. Ein verschmitztes Grinsen zeichnet sich ab.
„Das wird wohl nicht reichen..", murmelt er und beschwört ein Portal vor Nathaniel und Ember, die direkt darauf zielen.
„Nathaniel", reißt Ember ihren Bruder aus den Gedanken, weshalb er zu ihr schielt.
„Ich danke dir", haucht sie und lässt los. Ihre Flammen entfesseln sich und werden dicht von denen ihres Bruders verfolgt, während Nathaniel ihr mit großen Augen entgegensieht. Sie durchdringen das Portal und gelangen innerhalb weniger Augenblicke an den äußeren Rand der Feuerfontäne. Sie geben ihr einen weiteren Auftriebsschub und beschleunigen die Drehgeschwindigkeit noch einmal aufs Maximum.
Lachend stemmt Kenny eine Hand in die Hüfte und ballt siegessicher seine Hand zur Faust. „Jawohl! Das wird sie niedermetzeln", grinst er und sieht seinen Kameraden freudig entgegen.

Blind FireWhere stories live. Discover now