- Kapitel 45 -

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„Also vergiss nicht, du musst alles geben. Nur so kommen wir zur nächsten Aufgabe", meine ich während wir uns hinter dem Felsen hervortrauen. „Schon verstanden", murrt er und wirft mir einen Seitenblick mit erhobener Braue zu. „Kannst du das denn überhaupt?", triezt er grinsend, woraufhin ich ihm instinktiv einen Schlag gegen die Schulter verpassen möchte, doch ich erinnere mich an die unschöne Wirkung seines Artefakts, die mich zurückschrecken lässt. Stattdessen werfe ich ihm einen vielsagenden Blick zu, ehe ich ebenfalls eine Braue hebe.
„Ich denke ich komme klar", entgegne ich leise lachend und nehme Kurs auf die rechte hintere Nachhut, wohingegen er sich die linke Seite vornimmt.
„Na dann..", murmelt er und sprintet los.

Es dauert nicht lange bis die Abbildungen uns bemerken und sich in unsere Richtung drehen. Sie verlassen ihre Positionen innerhalb der Formation und stürmen auf uns zu. Wenn es keine Projektionen wären hätte ich zugegebenermaßen wirklich Angst. Diese Anzahl an Gegnern ist einfach zu groß, als dass man es allein oder gar zu zweit mit ihnen aufnehmen könnte. Allerdings bestätigt mir das unsere Theorie nur noch mehr. Welchen Grund hätte diese überdimensional große Armee sonst, wenn nicht den, herauszufinden wer dazu bereit ist im Kampf zu sterben und wer nicht. Ich rufe mir meine Worte nochmals ins Gedächtnis und erinnere mich selbst noch einmal daran mit all meiner Kraft anzutreten. Natürlich werde ich meine Magie auf ein Minimum drosseln und Großteils die Kampftechniken anwenden, die ich jahrelang so hart einstudiert habe.

Lange muss ich darauf auch nicht warten. Zwei Gegner kommen frontal auf mich zu und richten ihre Schwerter auf mich. Ich lasse mich auf die Knie fallen und schlittere einige Meter auf dem Boden, direkt unter ihren Waffen hindurch und an ihnen vorbei. Direkt hinter den beiden wartet bereits eine weitere Projektion und zielt mit seinem Pfeil auf Brusthöhe. Ohne großartig darüber nachzudenken drücke ich mich vom Boden ab und hechte nach vorn, gehe über in eine simple Vorwärtsrolle und packe den Bogenschützen am Kragen seiner Rüstung, ehe ich ihn den beiden Gegnern hinter mir zwischen die Beine schleudere.
Zwei Schwerter ziehen haarscharf an meinem Gesicht vorbei, denen ich instinktiv ausweiche. Nach links, nach rechts, nach hinten, bis es mir reicht und ich zu einem kräftigen Sprung ansetze. Ich bringe meine Fingernägel zum Glühen und ziehe sie durch die Kehlen meiner Gegner. Augenblicklich verpuffen sie vor meinen Augen und hinterlassen nichts als seichte Rauchwolken, die langsam den Himmel emporsteigen. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt mir nicht, da mich bereits weitere Projektionen ins Visier genommen haben.

Angestrengt versuche ich mit ihnen fertig zu werden und erhasche dabei zufälligerweise ein paar Blicke Auf Kion, der einige Schwerthiebe mit seinen bloßen Armen pariert. Sein Artefakt scheint in Kampfsituationen wirklich sehr nützlich zu sein. Jedes Mal wenn ein gegnerisches Schwert seinen Körper berührt löst es sich augenblicklich in Luft auf. Die entwaffneten Projektionen lassen sich davon allerdings nicht aufhalten und greifen mit Fäusten an, was Kion mit einigen gezielten Schlägen zu blockieren weiß. Für einen Magier der Illusionistenklasse ist er körperlich, sowie auch kampftechnisch auf einem passablen Niveau. Anders, als die bisherigen Bekanntschaften, die ich mit Magiern seiner Klasse schloss, scheint er nicht davor zurückzuschrecken sich seine Hände schmutzig zu machen.

Unsere Blicke kreuzen sich für wenige Sekunden, ehe sich jeder wieder um seine eigenen Angelegenheiten kümmert. Ich habe mittlerweile aufgehört zu zählen, wie viele Projektionen ich bereits verschwinden lassen habe. Es waren einige, doch sie scheinen einfach kein Ende zu nehmen. Geschickt weiche ich mehreren Speeren aus, die von Gegnern in der Mitte nach mir geworfen werden. Allmählich komme ich aus der Puste. Meine Reaktionen werden langsamer und auch meine Angriffe werden schwächer. Mir geht eindeutig die Kraft aus.
Prüfend schiele ich zu Kion, der auch schon etwas erschöpft wirkt, doch er lässt es sich nicht anmerken. Er kämpft eisern weiter. Ohne mit der Wimper zu zucken nimmt er sich eine Projektion nach der anderen vor. Schnaubend grinse ich und schüttle meinen Kopf.
Ich werde doch wohl nicht vor ihm schlapp machen, oder? Nein, sicherlich nicht, dafür hat Meister Tarik mich zu gut ausgebildet. Ich kann noch nicht einknicken, ich darf noch nicht einknicken! Ich weiß, dass ich noch viel mehr leisten kann. Abgesehen davon sieht General Kalen mir zu. Ich will ihm zeigen, zu was ich wirklich fähig bin. Ich will, dass auch er stolz auf mich ist, dass er es nicht bereut sich für mich entschieden zu haben. 

Mit neugewonnener Motivation und noch größerem Kampfgeist als zuvor, lege auch ich all meine Kraft in meine Angriffe, Paraden und Tricksereien.
Es ist wie verhext, je mehr ich mich anstrenge, desto aggressiver scheinen die Projektionen zu werden. Je länger sich der Kampf zieht, desto schwieriger wird es sie zu besiegen ohne dabei selbst von ihren Waffen getroffen zu werden. Es scheint fast so, als hätten sie verschiedene Schwierigkeitsstufen, die sich nach und nach erhöhen.
Schwer atmend leite ich einige Fausthiebe an mir vorbei, ehe ich der Projektion mit meinen glühenden Fingernägeln den Gar ausmache. Mittlerweile kann ich Kion nicht mehr sehen, so stark haben mich die Gegner umzingelt. Sie greifen von allen Richtungen an, was mir immer mehr Bewegungsraum nimmt. Ich beschließe einen Positionswechsel vorzunehmen. Ich nehme ein wenig Anlauf und springe über zwei der Projektionen hinweg, die ihre Schwerter hastig in die Höhe schnellen lassen, in der Hoffnung mich im Flug mit ihren Klingen zu erwischen. Ich muss gestehen, dass es wirklich knapp war, doch ich lande sicher und unberührt hinter der Traube an Projektionen, die sich um mich scharrte.
Plötzlich entdecke ich Kion, der mittlerweile einiges an Kraft verloren hatte. Er greift nicht länger direkt an, sondern versucht die Angriffe der Projektionen gegen sie selbst zu richten. Das spart Kraft und Energie. Eine ziemlich clevere Strategie.

„Du bist ja noch hier", presst er zwischen zwei Hieben heraus und wirft mir einen kurzen neckischen Blick zu.
„Natürlich, ich kann doch nicht vor dir schlapp machen", kontere ich lachend und weiche dabei erneut herannahenden Speeren aus.
„Hätte ich nicht gedacht. Du scheinst nicht schlecht zu sein", meint er schnippisch, woraufhin ich herzhaft auflache.
„Vielen Dank, du bist aber auch nicht übel", gebe ich das Lob zurück und donnere eine der Projektionen auf einen der Gegner hinter Kion. Dieser duckt sich erstaunt und blickt über die Schulter.
„Das hätte böse enden können, Dankeschön", bedankt er sich während ich lächelnd nicke.

Wir nagen beide am Zahnfleisch unserer Kräfte. Weder Kion noch ich können sehr viel länger weitermachen. Es neigt sich wohl dem Ende zu. Die Frage ist nur, wer von uns als erstes geht.
Plötzlich spüre ich ein seltsames Gefühl in meiner Magengegend, weshalb ich meinen Blick sinken lasse. Gerade war ich noch damit beschäftigt einem Schwert auszuweichen, da geschah es.
Ich sehe eine seltsam schimmernde, beinahe durchsichtige Klinge aus meinem Körper kommen. Zaghaft lasse ich meinen Blick nach hinten gleiten und sehe einer der Projektionen direkt in die schalen Augen. Mit einem leichten Schmunzeln sehe ich zu Kion, der noch immer mit einigen Angreifern kämpft, ehe auch sein Blick zu mir schnellt. Seine Augen weiten sich, als er die Klinge aus meinem Bauch herausklaffen sieht.
„Tja, sieht wohl so aus, als würde ich schon einmal vorgehen", rufe ich ihm zu und grinse erschöpft dabei. Noch bevor er irgendetwas erwidern konnte umhüllt mich ein dichter, bläulich schimmernder Nebel. Er verschleiert mir die Sicht so sehr, dass ich Kion nicht mehr sehen kann.
„Wir sehen uns, Ember! Viel Glück bei deiner nächsten Aufgabe!", höre ich ihn brüllen und lache leise auf. „Dir auch, Kion!"

Blind FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt