- Kapitel 134 -

1.3K 127 2
                                    

Mittlerweile sind weitere Wochen vergangen. Der Schnee bedeckt die Landschaft und die klirrende Kälte erreicht neue Tiefpunkte. Die letzten Tage über bin ich durch die Hölle gegangen. Nach Settos Verschwinden ist nun auch Eliana wie vom Erdboden verschluckt. Keiner hat sie gesehen, keiner weiß wo sie sich aufhält. Mutter und Vater sind krank vor Sorge und vermuten bereits ein Attentat auf das Haus Akela, weshalb sie den Königshof zu Rate gezogen haben. Vater hat die zuständigen Instanzen um meine Beurlaubung gebeten, die sich derzeit noch in der Überprüfung befindet. Ich habe Salem und den anderen bewusst noch nichts von Vaters Anliegen berichtet, da ich ihnen erst reinen Wein einschenken möchte, wenn der Entschluss steht. Abgesehen davon würden sie sich nur noch mehr Sorgen machen wenn sie wüssten, dass ich um eine Beurlaubung gebeten habe. Wer weiß, am Ende kommen sie noch auf Idee gesammelt hier aufzuschlagen. Auch wenn mich ihre Anwesenheit sicher beruhigen würde, so muss ich meine Kräfte nun auf die Rettung Settos und meiner Schwester richten.

Rayon hat sich im Laufe der letzten Wochen als ausgezeichnete rechte Hand erwiesen. Mittlerweile ist er der Einzige, dem ich innerhalb dieser Mauern vertraue. Seine Loyalität und sein Verständnis für die Situation sind bemerkenswert. Als ich ihn darauf angesprochen habe, dass er sich gern mit mir über eine ihm wichtige Angelegenheit unterhalten wollte, meinte er nur, dass das noch Zeit habe und wir zunächst Setto und Eliana finden müssten. Ich habe für mich selbst bereits den Entschluss gefasst, dass egal um was er mich bitten wird, ich ihm diesen Wunsch erfüllen werde sofern es in meiner Macht steht. Nicht zuletzt ist ebenfalls anzumerken, dass er sich vorbildlich um meinen Gefühlzustand kümmert. Seit Settos Verschwinden verspüre ich immer häufiger ein Stechen in meiner Brust. Allgemein hat sich mein körperlicher Zustand verschlechtert. Rayon hatte seine Familie um Hilfe gebeten, da sie eine der wenigen übriggebliebenen Stammhalter einer Reihe von Naturheilern darstellen. Immer wieder versorgt er mich mit Kräutertränken und erleichtert mir die Prozedur die Schmerzen zu ertragen. Er ließ mir mitteilen, dass ich diese Schmerzen womöglich nur aufgrund der Seelenbindung zu Setto verspüre. Seine Großmutter erklärte ihm, dass die Magier früher oft Bindungen mit magischen Wesen eingingen, um ihre Kräfte zu verstärken. Diese Bindung soll stärker gewesen sein, als die Bindung zu den eigenen Kindern. Sie soll einer Art Seelenverwandtschaft gleichkommen, was die Umstände erklären würde. Seine Großmutter ist der festen Überzeugung, dass sich mein Zustand weiter verschlechtern wird, je länger Setto von mir getrennt ist. Ich habe Rayon darum gebeten mich mit seiner Großmutter sprechen zu lassen. Ich sagte ihr, dass mich mein Zustand nicht kümmerte. Alles was mich interessierte war die Frage, ob es Setto ebenfalls schlecht erging, solange er von mir getrennt war. Ihre Antwort ließ die Wut und Verzweiflung in mir weiter hochkochen.
„Der junge Feuerfuchs ist die Bindung mit euch aus freien Stücken eingegangen, Milady. Seine Seele ist an die eure gebunden, seit er sich dazu entschieden hat euch sein Leben zu verschreiben. Sein Schmerz ist euer Schmerz und euer Schmerz ist sein Schmerz. Die Bindung ist nicht zu brechen. Sie besteht sogar bis über den Tod hinaus, Lady Ember. Solange ihr nicht wieder vereint seid oder die Bindung aus freien Stücken löst werden beide Partien unendliches Leid erfahren. Leid, welches durch keine Medizin der Welt heilbar ist", erklärte sie mir, woraufhin ich zischend die Hand zur Faust ballte. „Jedoch..bedenkt eines..Schmerz kommt nicht unverhofft. Schmerz überfällt die Wesen nicht ohne Grund, auch wenn es oft den Eindruck macht. Er ist ein guter Lehrer, wenn nicht sogar der Beste. Die Kunst besteht darin seine Lektionen richtig zu deuten. Schmerz lehrt einen standhaft zu bleiben. Er lehrt einen die Dinge klar und deutlich zu sehen. Schmerz zeigt einem, dass das Herz im Brustkorb noch schlägt und wofür es schlägt. Durch Schmerz lernen wir Menschen, was wirklich wichtig ist. Ich kann euch nicht sagen, was er euch lehren soll. Ich weiß nicht, was ihr erkennen müsst, was ihr verinnerlichen sollt, was ihr ändern sollt. Ich kann euch nur den Hinweis geben genau darauf zu achten, was er euch sagen will. Achtet auf die Zeichen und ihr werdet erkennen, welcher Prüfung ihr euch gegenüberstehend wiederfindet. Eure Magie ist stark. Euer Willen ist stark. Eure Bindungen sind stark. Findet heraus, was in eurem Leben Schwäche wiederspiegelt und ihr werdet die Antwort finden. Welche Antwort es letztlich sein wird steht in den Sternen", fügte sie hinzu, woraufhin ich ratlos in die Ferne blickte.

Weitere Tage sind seither vergangen. Tage in denen ich alles darauf setzte Setto sowie auch Eliana wiederzufinden. Ich folgte ihren Spuren. Ich befragte die gesamte Stadt samt ihrer umliegenden Vororte. Ich reiste etliche Meilen weit und klapperte gemeinsam mit Rayon jedes Gasthaus ab. Ich besuchte unzählige Basare und Märkte, doch es ließ sich keine Spur finden. Lediglich in der kleinen Stadt Sefir konnte ich schwache Fährten Settos ausfindig machen. Zu meiner Verwunderung entdeckte ich sogar die Überreste Elianas Magie. Ich kann mir bei bestem Willen keinen Reim darauf machen.
Wieso sollten Setto und Eliana am selben Ort gewesen sein?
Ein immer lauter werdende Gedanke beschleicht mich, während ich mit Rayon im Schlepptau den Trampelpfad aus Sefir entlang stapfe.
Hatte Eliana etwas mit Settos Verschwinden zu tun?
Waren ihre Spuren deshalb am selben Ort zusammengelaufen?
Denke ich vielleicht in die völlig falsche Richtung? Schließlich hatte sie mir bei der Suche nach ihm geholfen.
Haben die Entführer Setto und Eliana mit sich genommen?
Ich weiß es nicht. Ich kann nicht sagen, welche Theorie mehr Sinn ergibt. Beide Möglichkeiten erscheinen mir durchaus logisch.

„Rayon, sieh mal", meine ich, als ich mich auf den Boden kniee.
„Die Spuren sind frisch", gibt er seine Einschätzung ab, woraufhin ich nicke.
„In Anbetracht dessen, dass es seit vorgestern nicht mehr geschneit hat kann man davon ausgehen, dass derjenige, der hier entlang gelaufen ist nicht allzu weit entfernt sein kann", füge ich hinzu und sehe auf die weiten Felder vor uns.
„Denkt ihr etwa, dass die Spuren zu eurer Schwester gehören?", fragt er nun ganz direkt. „Ihr Magiefluss ist eindeutig zu sehen. Das sind ihre Fußabdrücke, doch die Spuren daneben kann ich nicht zuordnen", meine ich nachdenklich und fasse mir dabei ans Kinn.
„Die Abdrücke zeigen Attribute einer Katze..doch sie sind viel zu groß dafür. Sie müssen einem magischen Wesen gehören, kein Zweifel", erklärt Rayon und erhebt sich.
„Die Spuren führen weiter in den Osten..nicht mehr lange und wir erreichen die Grenze, die unser Königreich vom Königreich Trios trennt", merke ich an und schürze meine Lippen.
„Denkt ihr etwa, dass Trios etwas damit zu tun hat?", entkommt es ihm aufgebracht.
„Ich weiß es nicht..es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass ich in die Machenschaften des Reiches Trios verwickelt wäre", erkläre ich, während Erinnerungen des Duells aufkeimen.
Hatte das alles etwa mit dem Anschlag zu tun?
Könnte es sein, dass die Attentäter dahinter stecken?
Andererseits würden sie sich niemals so weit ins Landesinnere wagen. Irgendwas übersehe ich hier.
„Ich denke nicht, dass das Reich Trios etwas damit zu tun hat..vielmehr glaube ich, dass Bürger des Reiches dahinterstecken. Was genau es damit auf sich hat weiß ich allerdings noch nicht. Es wird sich zeigen", murmle ich und setze den Weg fort.

Blind FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt