- Kapitel 174 -

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Der Wind bläst harsch um die Beine der Magier, als sie sich ihren Weg durch den östlichen Wald bahnen.
„Es ist so still", merkt Midan skeptisch an und sieht sich immer wieder prüfend um.
„Die Tiere des Waldes spüren wohl, dass etwas vor sich geht", murmelt Eliana und beschleunigt ihr Tempo unterbewusst.
Ihre Gedanken kreisen chaotisch umher.
Es gibt so vieles, dass sie bereut. So vieles, das sie anders machen würde wenn sie es damals doch nur schon besser gewusst hätte. Sie wird nachdenklich und still.
Der Osten liegt direkt an der Gefahrengrenze. Wer weiß wie weit die Gardesoldaten Trios entfernt sind. Wer weiß, ob sie lebend in die Hauptstadt zurückkehren wird. Ob sie je die Chance haben wird sich bei Ember zu entschuldigen?

„Eliana", reißt Midan sie aus den Gedanken, ehe er sachte nach ihrer Hand greift. Er atmet einmal tief ein und aus.
„Ich weiß ich bin nicht bekannt dafür Leute aufzumuntern. Außerdem bin ich nicht gerade die Nettigkeit in Person aber..ich weiß wie schwer es dir fiel Setto zurückzulassen", spricht er das heikle Thema an. „Ich weiß wie lange du darauf hingearbeitet hast ihn deiner Schwester persönlich zurückzubringen. Ich weiß ebenfalls, dass sich das gerade anfühlt als hättest du versagt", fährt er fort und stellt sich mit breiten Schultern vor sie. Er kann es einfach nicht ertragen sie so deprimiert zu sehen.
„Doch bitte denke auch daran, wie viel du geschafft hast. Wie vielen Menschen du geholfen hast", fügt er hinzu und umklammert ihre Schultern. Die Blondine hingegen senkt beschämt den Blick.
„Ich habe Setto zwar zurückgebracht, doch..ich habe mich meiner Schwester nicht gestellt. Ich habe mich einfach vor meiner Verantwortung gedrückt. Ich bin kein Stück besser, als vor der ganzen Misere. Alles was ich wollte war wenigstens einmal in meinem Leben etwas richtig zu machen", bricht es aus Eliana heraus. Wütend verzieht sie ihr Gesicht, während sich stille Tränen um ihre Wimpern bilden.
„Wie könnte ich Ember noch unter die Augen treten?", schreit sie ihm entgegen, doch Midan bleibt ruhig und sieht ihr unnachgiebig entgegen. Er versteht weshalb sie so entmutigt ist, doch sie blendet all das Gute was sie getan hat fast schon zwanghaft aus. Es ist fast so als wollte sie sich schlecht fühlen.
„Du hast mehr als nur einmal das richtige getan, Eliana. Du hast meine Siedlung beschützt, obwohl du weder Verpflichtung noch Bindung dazu hattest. Du hast die drohende Gefahr der Konoda fast im Alleingang zerschlagen und du hast Setto zurückgebracht. Du hast ihn vielleicht nicht direkt vor Embers Füße gelegt, doch sie wird ihn definitiv wieder an ihrer Seite haben und das dank dir! Wer weiß, vielleicht hält sie ihn genau jetzt in ihren Armen und dankt dem Himmel für seine Rückkehr. Es war die richtige Entscheidung ihn im Hauptquartier bei General Sekurion zu lassen. Den beiden die Möglichkeit zu geben sich so schnell wie möglich wiederzusehen. Alles andere hätte die Wiedervereinigung doch nur noch weiter verzögert", zählt Midan erneut die Fakten auf, was Eliana keinen Platz für Widerworte lässt. „Und jetzt konzentrieren wir uns darauf deine Familie und die Menschen dieser Stadt zu retten. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Selbstzweifel. Du bist stark und clever, Eliana. Du hast ein gutes Herz. Du hast viele falsche Entscheidungen getroffen. Lange Zeit magst du vielleicht den falschen Weg gegangen sein, doch du hast es erkannt. Du hast dich aus freien Stücken dazu entschieden die Dinge zu ändern, dich zu ändern. Du bist unfassbar mutig und stolz. Ich habe großen Respekt vor dir. Nicht viele können sich die Fehler der Vergangenheit eingestehen. Noch weniger bemühen sich ihre Fehler wiedergutzumachen, doch du tust es. Du trotzt jeglichen Hindernissen, zwingst sogar das Schicksal dazu sich vor dir zu beugen", seufzt er kopfschüttelnd und umfasst zaghaft ihre Wange in der Hoffnung endlich zu ihr durchgedrungen zu sein. „Auch wenn Ember dir nicht verzeihen wird, auch wenn du diese Schuld nie von den Schultern werfen kannst..du hast viel dafür getan Vergebung zu verdienen. Auf deinem Weg hast du so viele Menschen auf deine Seite gezogen..mich auf deine Seite gezogen. Egal wo du auch hingehst ich werde dir folgen. Egal was du getan hast..egal was du tun wirst..ich werde immer an deiner Seite sein", fügt er ehrlich hinzu und streicht mit seinem Daumen über ihre makellose Haut. Eliana schließt für einen Moment die Augen.
Sie genießt diese Zärtlichkeit nur für einen kurzen Augenblick.
Nur für wenige Sekunden erlaubt sie sich seine Worte anzunehmen.
„Auch dich habe ich nicht verdient, Midan. Ich danke dir, dass du an meiner Seite bist", flüstert sie, ehe sie sich von ihm entfernt.
„Wir müssen weiter", murmelt sie und schlägt sich weiter durch den Wald.

Die beiden kommen am äußeren Stadtrand an und atmen erleichtert auf, als sie sehen, dass noch nichts geschehen ist. Keine feindlichen Gardesoldaten sind zu sehen. Stattdessen kann man einige Bürger des Reiches dabei beobachten, wie sie ihre wöchentlichen Einkäufe erledigen. Eliana kann sich das Ausmaß eines Angriffs nur vage vorstellen. Nur Bruchstückhaft sieht sie die Menschen dieser Stadt vor Angst davonlaufen. Sie hört entfernt die Schreie der Kinder.
„Wir kommen noch rechtzeitig", spricht Midan Elianas Gedanken aus woraufhin diese hastig den Kopf schüttelt.
„Wir müssen uns beeilen. Der Stadtrat befindet sich im Rathaus. Wenn wir Glück haben kommen wir ohne Probleme ins Zentrum. Sobald wir General Sekurions Informationen weitergegeben haben kümmern wir uns um die Evakuierung", erklärt die Blondine und hechtet durch die Gassen.
„Gibt es denn einen Ort, der sicher ist?", hakt Midan nach und versucht mit ihr Schritt zu halten.
„Es gibt einen unterirdischen Bunker nahe des Waldrandes. Man hat ihn seit dem großen Massaker von Nishi nicht mehr benutzt, doch er müsste noch intakt sein", ruft sie über ihre Schulter, während ihr Panther geschmeidig neben ihr herläuft. „Ich erinnere mich..Die Unterrichtsstunden über diesen Krieg zogen sich über mehrere Wochen", knirscht Midan und schwelgt in Erinnerungen an seine Jugend. „Glaubst du der Bunker wird für die Menge an Menschen ausreichen?", kommt dem Blauhaarigen plötzlich der Gedanke. Aus dem damaligen Unterricht hat er vor allem eines mitgenommen. Das Königreich Adaron war schon immer reich an hervorragenden Magiern, doch die Einwohnerzahl war um einiges geringer als heute. Erst nach der zweiten Expansion des Reiches vor knapp einhundert Jahren konnte Adaron diese Größe an Fläche vorweisen. „Wir werden es auf den Versuch ankommen lassen müssen. Sollte es nicht ausreichend Platz geben müssen die vorhandenen Erdmagier den Innenraum des Bunkers vergrößern", spekuliert Eliana und bleibt außer Atem vor einem strahlend weißen Gebäude stehen. Prunkvoll ragt es in die Höhe.
„Da ist es", japst sie und sprintet im nächsten Moment die Marmorstufen hinauf.

Blind FireWhere stories live. Discover now