- Kapitel 5 -

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„Freundinnen von dir?", reißt mich die Stimme meines Gegenübers aus meinen Gedanken woraufhin ich unauffällig den Kopf schüttle.
„Kann man so nicht sagen", murmle ich genervt und wende mich wieder dem vorderen Teil der Schlange zu.
„Dann bist du also ganz allein hier her gekommen?", bohrt er weiter während ich stumm nicke. „Du bist ziemlich mutig für eine Blinde", meint er nachdenklich während ich gereizt die Augen schließe.
„Und du bist ziemlich neugierig für einen Fremden", kontere ich und höre ihn schnippisch mit der Zunge schnalzen.
„Also würdest du mir weiterhin Gesellschaft leisten wenn ich mich dir vorstelle?", fragt er ungeniert und greift noch bevor ich etwas darauf erwidern kann von hinten nach meiner Schulter und wirbelt mich zu ihm herum. Perplex und überfordert versuche ich mein Gleichgewicht zu halten während er sich bereits dezent vor mir verbeugt und den Kopf senkt. „Mein Name ist Kairyan, erstgeborener Sohn des Hauses Amissa. Freut mich deine Bekanntschaft zu machen", stellt er sich formell vor während ich etwas unbeholfen auf ihn herab starre. „Dürfte ich nun auch deinen Namen erfahren?", fügt er hinzu woraufhin ich meinen Mund verziehe.
„Ich bin Ember, zweitgeborene des Hauses Akela", knirsche ich, da ich nicht noch mehr Aufsehen erregen will.
„Ember, welch sonderbarer Name", entgegnet Kairyan nachdenklich während ich mit den Schultern zucke.
„Ich stamme aus dem östlichen Teil des Reiches. Vermutlich ist der Name in den anderen Teilen nicht so verbreitet", erkläre ich und schließe zur mittlerweile vorherrschenden Lücke vor mir auf. „Möglich..", murmelt er hinter mir während ich einen weiteren Schritt nach vorn tätigen möchte, da sich die Schlange erneut in Bewegung gesetzt hat, als sich plötzlich ein breiter Rücken in mein Sichtfeld schiebt. In letzter Sekunde kann ich mich davon abhalten in besagten Rücken hineinzulaufen, was zur Folge hat, dass ich abrupt nach hinten schnelle und mein Gleichgewicht verliere. Noch bevor ich wirklich ins Taumeln gerate spüre ich zwei starke Hände an meinen Oberarmen, die mich von hinten stützen und mich somit vor einem harten Aufprall bewahren. Überrascht hebe ich den Blick und sehe in Kairyans wütendes Gesicht, dessen Blick sich in den Rücken vor mir gebohrt hat.
„Alles in Ordnung?", erkundigt er sich während er noch immer nach vorn starrt.
„Ja, alles Okay, danke", entwarne ich und richte mich wieder auf.
„Hey du! Was soll das? Kannst du nicht aufpassen?", pöbelt Kairyan nun verständnislos woraufhin sich der braunhaarige Schrank umdreht und uns beide mit erhobener Braue mustert.
Zugegeben in dieser Pose sieht er tatsächlich noch bedrohlicher aus.
„Hast du ein Problem, Zwerg?", blafft er während ich die Brauen hebe.
Er nennt Kairyan einen Zwerg? Er überragt mich bereits um gute zwei Köpfe. Zwerg wäre so ziemlich die letzte Bezeichnung, die mir im Zusammenhang mit Kairyan einfallen würde.
„Stell dir vor, das habe ich du riesen Affe", kontert der Blondschopf, der noch immer dicht hinter mir steht, fast so, als wolle er bereit sein mich erneut aufzufangen wenn es nötig sein sollte.
„Was hast du gesagt?!", zischt der braunhaarige Kerl vor mir wütend und dreht sich nun komplett zu uns. Auch diese Pose lässt ihn nicht weniger bedrohlich erscheinen, weshalb ich beschließe die Reißleine zu ziehen.
„Kairyan, ist schon in Ordnung. Beruhige dich bitte wieder", flüstere ich ihm zu während mir der breit gebaute Schrank einen flüchtigen Seitenblick schenkt.
„Nein ist es nicht. Das war dein Platz. Wenn er sich für das Duell anmelden will soll er sich gefälligst hinten anstellen, so wie wir alle. Außerdem kann er nicht so mit dir umgehen!", meint er empört und starrt den Kerl noch immer in Grund und Boden. Überrumpelt von seiner Antwort klappt mir der Mund auf und meine Augen weiten sich. Noch nie hat sich jemand anderes, als Meister Tarik, so für mich eingesetzt. Ganz zu schweigen von einem Fremden, der mir erst vor ein paar Minuten zum ersten Mal begegnet ist.

Seufzend schüttle ich den Kopf und schiebe ihn mit meinem Arm ein Stück hinter mich.
„Lass mich das regeln, okay?", flüstere ich woraufhin er ungläubig schnaubt.
„Was? Nein, das kannst du vergess-", beginnt er zu protestieren, doch ich schneide ihm das Wort ab. „Komm schon, wer würde einer Blinden denn in aller Öffentlichkeit wehtun? Ich habe eindeutig bessere Chancen hier heil rauszukommen als du", grätsche ich dazwischen und sehe ihn überrascht blinzeln. Zufrieden drehe ich mich nach vorn und setze mein jahrelang einstudiertes freundliches Lächeln auf. „Bitte verzeih den kleinen Ausraster meines Freundes. Es ist nur so..", beginne ich und fahre mit meinen Fingerspitzen entlang meines Brillengestells. „..dass ich blind bin..", fahre ich fort und ziehe mir Agira vom Nasenrücken. Das Grau meiner Pupillen kommt zum Vorschein und erfüllt seinen Zweck. Ein ersticktes Seufzen seitens des Schranks ist leise zu vernehmen, welches er erfolglos zu unterdrücken versuchte. Mein Gehör ist einfach zu trainiert, als dass mir das hätte entgehen können. Grinsend neige ich meinen Kopf ein wenig. „..und du hast mich erschreckt, als du plötzlich unerwartet vor mir aufgetaucht bist. Ich wäre beinahe gestürzt, deshalb ist mein Freund auch so besorgt. Bitte hab Verständnis und lass die Sache auf sich beruhen", beende ich meine Showeinlage und verbeuge mich zum Abschluss dezent vor ihm während ich mir die Brille wieder aufsetze. Er hat gesehen, dass ich blind bin, das müsste reichen, um die Angelegenheit abzukühlen.

Als ich mich wieder aufrichte sehe ich schwaches Schamgefühl in seinen Augen, was mir die Mundwinkel ein wenig anhebt.
„Wenn du deinen Freund zur Anmeldung begleiten willst solltest du dich neben ihn stellen, dann passiert so etwas auch nicht", knirscht er woraufhin ich den Kopf schüttle.
„Oh, nein nein, ich begleite ihn nicht, ich möchte mich selbst für das Duell anmelden", meine ich und schenke ihm ein weiteres einstudiertes Lächeln. Entsetzen macht sich auf seinem Gesicht breit und er lässt die vor der Brust verschränkten Arme sinken.
„Was? Du willst am Duell teilnehmen? Aber-", prustet er lachend los und zeigt mit seinem Finger auf mich.
„Was ist daran denn so amüsant?", frage ich ruhig, doch lasse etwas Herausforderndes in meinem Ton mitschwingen.
„Was daran amüsant ist? Ach, weißt du was? Das lasse ich dich selbst herausfinden. Bitte, tritt vor. Entschuldige, dass ich dir deinen Platz gestohlen habe", meint er noch immer lachend und vollführt eine ausladende Geste.
„Vielen Dank, wie überaus freundlich von dir", bedanke ich mich und schreite an ihm vorbei gefolgt von Kairyan.
„Du nicht. Ich habe es nur ihr angeboten", ertönt die Stimme des braunhaarigen Schranks neben mir erneut, weshalb ich meinen Blick nach hinten wandern lasse. Er hat einen Arm vor Kairyans Brust ausgestreckt und hindert ihn somit daran zu mir aufzuschließen.

Im Normalfall wäre mir das völlig egal gewesen. Ehrlich gesagt wäre ich sogar ziemlich froh darüber gewesen Kairyan endlich los zu sein, doch nachdem er sich so für mich eingesetzt hat und sich sogar diesem Kerl stellen wollte nur um meinen Platz und meine Ehre zu schützen kann ich einfach nicht so sein.

Schnell greife ich nach der Hand, die Kairyan den Weg versperrt und suche gezielt nach seinem Handgelenk. Ich positioniere meine Finger und bohre meine Nägel in das dünne Fleisch an dieser Stelle und ziele dabei auf einen der Nervenstränge, die dort verlaufen und seine Sehne. Scharfes Lufteinziehen ist zu hören während seine Finger sich schmerzverzerrt verkrampfen.
„Oh, aber er gehört zu mir. Du wirst ihn passieren lassen, nicht wahr? Du wirst es für mich tun, das wirst du doch, oder?", frage ich lieblich lächelnd und deute Kairyan an sich in Bewegung zu setzen. Als er dicht hinter mir steht lasse ich von dem Braunhaarigen ab und ziehe sachte meine Hand zurück. „Vielen Dank nochmals. Du bist wirklich sehr freundlich", bedanke ich mich überspitzt und sehe, wie er sein Handgelenk beäugt.
Natürlich versteht er nicht, was ich gerade mit ihm gemacht habe, da er offensichtlich keinerlei Erfahrung in Sachen Kampfkunst hat. Meister Tarik lehrte mich die Art zu kämpfen ohne Magie anzuwenden. Er erzählte mir, dass man früher, noch bevor die Magie legal genutzt werden konnte, auf diese Art und Weise Kriege führte oder sich duellierte. Woher er das alles weiß ist mir ein Rätsel, doch ich bin ihm überaus dankbar seine Weisheit mit mir geteilt zu haben. Damals empfand ich das Kampftraining als ermüdend und unnütz, doch je älter ich wurde, desto klarer wurde mir, dass es so etwas wie unnützes Wissen nicht gibt. Wissen ist Macht und ganz besonders für Menschen, wie mich.

Verwirrt und perplex drängt er sich hinter Kairyan in die Schlange und starrt dabei unentwegt zu mir während er noch immer sein Handgelenk festumklammert.
„Hey was zum?! Wo kommst du denn her? Stell dich gefälligst-", pöbelt der Magier, dessen Platz gerade geklaut wurde. „Schnauze!", murrt der Braunhaarige ohne dabei seinen Blick von mir zu nehmen.

„Danke", richtet Kairyan nun sein Wort an mich woraufhin ich genervt seufze.
„Schon gut", winke ich ab und drehe mich wieder nach vorn.
„Du kannst ruhig zugeben, dass du nicht von mir getrennt sein wolltest", entgegnet er mir süffisant, was mich die Augen aufreißen lässt.
„Bilde dir bloß nichts ein! Ich habe dir nur geholfen weil du für mich eingestanden bist", kläre ich die Situation auf und ernte ein zufriedenes Grinsen seinerseits.
„Natürlich, deshalb nanntest du mich auch deinen Freund, nicht wahr Emberlein?", säuselt er woraufhin ich ihm mit meinem Ellenbogen in die Rippen schlage.
„Nenn mich noch einmal so und mein Ellenbogen landet das nächste Mal eine Etage tiefer", knurre ich und vernehme nur leises Keuchen hinter mir.

Blind FireWhere stories live. Discover now