- Kapitel 181 -

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Seit einer gefühlten Ewigkeit hetze ich nun durch die Gegend, um die Magier anzuweisen. Die Erdmagier haben sich bereits Sekurions geplantem Tunnelsystem angenommen, während die Energiemagier sich entsprechend ausrüsten. Die wenigen dunklen Magier der Hauptstadt sowie der niederen Trupps stehen der Sache noch mehr als skeptisch gegenüber, befolgen die Befehle der Nummer Eins jedoch ohne Fragen zu stellen.
Ich werfe einen Blick in Richtung Norden und senke frustriert die Lieder. Die Wassermagier lassen auf sich warten. Ich habe keine Zeit um mir darüber den Kopf zu zerbrechen.
Es wird ohne sie gehen müssen.
So lange die Garde nicht weiter vornaschreitet stehen die Chancen gut sie zu stoppen bevor sie weitere Schritte einleiten. Salems Information nach zu urteilen sind hochrangige Gardemagier in den Palast eingedrungen. Sie werden nicht eher handeln, ehe sie kein Zeichen ihrer Verbündeten erhalten. Diese Zeit müssen wir zu unserem Vorteil nutzen.
Ob es ihm und den anderen wohl gut geht?
Ob es Alastair gut geht?
Sie sind durchaus fähig und lassen sich nicht so schnell unterkriegen, doch..tief in meinem Inneren breitet sich ein ungutes Gefühl aus. Ich würde am liebsten alles stehen und liegen lassen, nur um nachzusehen, ob Salem mir wie sonst auch durch die kleine Magiekugel entgegengrinst. Wenn er hier wäre würde er mir durch die Haare fahren und mich wegen meines fehlenden Vertrauens tadeln. Doch ich kann mir nicht helfen. Ich spüre einfach, dass meine Sorge begründet ist. Dennoch..solange sie mich nicht rufen muss ich mich auf meine jetzigen Aufgaben konzentrieren. Es hilft niemandem wenn ich nun unaufmerksam werde.
Ich darf nicht nachlassen.
Hera, Dewi, Raven und Jasper geben schließlich auch ihr Bestes an den Grenzposten.

Unzählige Magier rennen mit angestrengten Gesichtsausrücken an mir vorbei und bereiten alles weitere vor, als General Sekurion mich plötzlich zur Seite zieht.
„Die Vorbereitungen sehen gut aus. Es wird nicht mehr lange dauern bis auch ich in den Untergrund gehen werde. Halten sie die Stellung auf der Oberfläche. Sie werden meine Augen sein, während sie die Magier mithilfe der anderen zurückdrängen werden. Bis es soweit ist möchte ich, dass sie zum Hauptquartier zurückkehren und auch die verbliebenen Magier um Unterstützung bitten", weist er mich an, woraufhin ich ihn mit erhobenen Brauen mustere.
„Aber Sir-", setze ich zum Protest an, werde jedoch von ihm unterbrochen.
„Auch wenn wir nun die Hilfe der niederen Trupps haben..es wird nicht ausreichen sollte die Garde sich zur Wehr setzen sobald sie unseren Plan durchschaut haben. Wir können auf keinen einzigen unserer Magier verzichten. Der Rest unserer Streitmacht ist noch zu weit entfernt. Sobald auch sie hier eintreffen können wir uns immer noch Gedanken über eine Neueinteilung machen", grätscht er dazwischen und lässt mich verstummen.
„In Ordnung", murmle ich zweifelnd und setze mich in Bewegung. Sollten wirklich alle Magier des schwarzen Rings ausrücken wären auch die Räumlichkeiten der Gefangenen unbewacht. Es hinterlässt ein ungutes Gefühl in mir zu wissen, dass die drei Attentäter völlig unbewacht zurückbleiben würden.
Dennoch..es ist ein Befehl.
Ich kann mich nicht sträuben. Ich muss gehorchen. Mit Sicherheit hat auch General Sekurion dieses Risiko bedacht. Womöglich hat er den Sträflingsgang mit einer Barriere verstärkt. Ich kann nur hoffen, dass das ausreicht um sie aufzuhalten.
Dass es ausreicht, um Nathaniel aufzuhalten.

Sekurions Untergebene stürmen eilig an mir vorbei und steuern direkt auf das Zentrum des Geschehens zu. Schwer atmend stütze ich meine Arme auf den Oberschenkeln ab und sortiere meine Gedanken für einen Moment. Der Vorplatz des Hauptquartiers gleicht einer der Ebenen des Duells der magischen Künste. Überall klaffen weite Risse den Boden entlang. Rauch und Qualm steigt in die Luft und die umliegenden Häuser sehen bei Weitem nicht mehr so prachtvoll aus, wie noch vor wenigen Stunden. Seufzend fahre ich mir durch die Haare und rücke Agira gerade, während Setto neben mir auf dem Boden sitzt. Der glühend heiße Steinboden scheint auch ihm nichts auszumachen, was mir ein seichtes Lächeln einbringt. Ich bin unsagbar froh ihn endlich wieder an meiner Seite zu haben.
Meine Kraft zurückzuhaben.
Ich bin noch in Gedanken, als die Luftangriffe erneut über die Hauptstadt regnen.
„Nein..", hauche ich und haste bereits zurück. Die Barriere wird nicht lange standhalten, schießt es mir durch den Kopf als ich ein loderndes Flammenmeer hinter mir explosionsartig aufsteigen sehe. Ich ziehe scharf die Luft ein und stolpere dabei fast über meine eigenen Füße. Fassungslos starre ich zurück auf den Haupteingang des Hauptquartiers und entdecke wenig später einen braunhaarigen Schopf hinaus stolzieren, welcher sich den Schutt von der Uniform klopft. Ein siegessicheres Grinsen ziert seine Lippen als sich unsere Blicke treffen. Für einen Moment ist es so, als würde die Welt still stehen. Erneut verhöhnt mich mein Schicksal und lässt mir keine Wahl. Wieder einmal finde ich mich mit dem Messer im Rücken vor. Nach all der Zeit stellte sich heraus, dass ich einen Bruder habe.
Einen leiblichen Bruder.
Mein Fleisch und Blut.
Und obgleich unsere Bande dicker als Stahl sein müssten sieht er mir vernichtend entgegen, rammt mir das Messer noch tiefer in die Wunde. Die Zauber, die ich ununterbrochen vor mich hinmurmle, um die Barriere zu stützen verlassen meine Lippen nahezu automatisch. Mein Geist ist voll und ganz auf meinen Bruder fixiert und dennoch kann ich mich nicht rühren. Sobald ich aufhöre meine Magie zu wirken würde die Barriere bröckeln ehe sie schließlich in sich zusammenfallen würde. Ich kann nur dabei zusehen, wie Nathaniel grinsend winkt und in den dichten Rauchschwaden verschwindet. Ich beiße die Zähne aufeinander und kneife die Augen zusammen. All die Anstrengung die Attentäter zu finden, sie hier her zu bringen, sie gefangen zu nehmen, sie für ihre Taten büßen zu lassen..all das löst sich gerade vor meinen Augen in Rauch auf. Mit Nathaniels Flucht schwindet auch die Chance Alastair zu entlasten. Den einzigen Menschen auf dieser Welt, den ich neben Tarik tief in mein Herz geschlossen habe. Doch selbst wenn mir all das bewusst ist kann ich ihm einfach nicht hinterherjagen. Ich darf mich nicht vom Fleck bewegen.
Was würde aus Sekurion werden?
Was würde aus all den Magiern werden, die sich auf mich verlassen?
Was würde aus Kairyan werden?
Aus Salem und Ray..aus Darko und Alastair?
Sie würden unter den brennenden Geschossen begraben werden. Nicht einer von ihnen würde lebend davonkommen. Ich beiße mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmecke.
„Ich werde dich wiederfinden, Nathaniel. Und wenn ich bis ans Ende der Welt gehen muss", zische ich entschlossen und kehre ihm mit gemischten Gefühlen den Rücken zu, um meine Kameraden zu unterstützen, die sich bereits in den Tunneln befinden. Auch Setto scheint meinen Zwiespalt zu bemerken, doch ich sehe ihm entschlossen entgegen.
„Ohne deine Hilfe schaffe ich das nicht", meine ich und bitte ihn darum mir seine Kraft zu leihen. Seine Aura umhüllt seinen zierlichen Körper flammend, ehe ich einen enormen Kraftzuwachs spüre.
„Machen wir sie dem Erdboden gleich, Setto", zische ich und lasse die äußerste Schicht der Barriere Feuer fangen.
„Lassen wir sie spüren mit wem sie sich angelegt haben!", brülle ich und lasse die Flammen weiter wandern.

Blind FireWhere stories live. Discover now