- Kapitel 100 -

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„Du zögerst zu lang", erklingen die Worte Tariks, während er Ember dabei zusieht, wie sie einen neu zusammengestellten Parcours bewältigt.
„Deine Schritte sind zu unsicher. Höre mehr auf dein Umfeld", korrigiert er sie streng, woraufhin die Brünette sich weiter anspannt und versucht seine Anweisungen umzusetzen. Er lässt sie noch ein wenig dem Verlauf des Parcours folgen, ehe er konzentriert die Augen schließt.
Die magische Kraft in ihm bündelt sich. Er bildet die Umgebung vor seinem inneren Auge ab und fokussiert einen bestimmten Punkt direkt vor Embers Füßen. Ein kraftvoller Impuls rast durch den Untergrund und implodiert, als die Brünette den Fuß auf die Stelle setzt.
Zischend kommt sie ins Taumeln.
Kurz bevor sie das Gleichgewicht völlig verliert drückt sie sich mit voller Kraft vom Boden ab und springt nach vorn. Knapp landen ihre Beine auf dem dünnen, hoch in der Luft schwebendem Metallbalken.
Mit seiner Impulsmagie kann Tarik nicht nur Schwingungen und Impulse wahrnehmen, sowie entsenden, sondern auch Dinge bewegen. Durch etliche zeitgleich entsendete Impulse ist es ihm möglich Dinge schweben zu lassen und sie ihre Position verändern lassen.
„Du warst zu langsam. Diesen Angriff hättest du spüren müssen", weist er sie zurecht. Stumm nimmt sie seine Beobachtungen wahr und nickt lediglich, ehe sie weiter voran schreitet.

„Das war eine einzige Katastrophe..", seufzt sie erschlagen, als sie nach dem Training betrübt auf ihn zu trottet. Ein seichtes Lächeln umspielt seine Lippen.
„Aber nicht doch", kontert er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen. Ember verzieht ihr Gesicht und stemmt ihre Hände in die Hüften.
„Was? Inwiefern war meine Leistung heute akzeptabel? Meine Instinkte sind nahezu eingeschlafen wie es scheint", entgegnet sie genervt und richtet den Blick zur Seite.
„So würde ich das nicht ausdrücken", meint Tarik leise lachend und führt dabei eine Hand ans Kinn. „Ich habe dich lediglich strenger bewertet, als sonst. Wahrscheinlich kam dir das heutige Training deshalb katastrophaler vor, als es eigentlich war", erklärt er und entlockt der Brünetten einen erstaunten Gesichtsausdruck.
„Deine Balance ist nach wie vor hervorragend, wenn nicht sogar noch besser, als zuvor. Dein Gespür für Bewegungen außerhalb deines Radius hat sich ebenfalls verbessert. Abgesehen davon bist du um einiges bedachter und vorsichtiger mit deinen eigenen Bewegungen geworden. Ein gutes Zeichen. Du denkst nach, bevor du blind drauf lospreschst. Das hast du früher eher selten getan", fährt er fort und lacht leise auf beim letzten Teil seiner Aussage. „Allerdings denkst du zu lange nach. Deine Entscheidungen müssen flüssiger getroffen werden. Du musst die Mitte zwischen Vorsicht und aktivem Handeln finden. Dann werden deine Bewegungen automatisch sicherer und schneller", erklärt er, woraufhin Ember erstaunt nickt.

Während Tarik und Ember die heutigen Trainingsfortschritte besprechen sitzt Eliana in ihrem Zimmer im zweiten Stockwerk des Anwesens und sieht herablassend zu den beiden herunter. Sie hatte Embers Artefakt doch zerstört, wie konnte sie dennoch so leichtfüßig durch die Gegend wandern? Zum ersten Mal überhaupt hat sie ihrer Schwester beim Training zugesehen und musste ihr zugegebenermaßen einiges an Talent und Fähigkeit zugestehen. So schwer es ihr auch fiel und so ungern sie dies auch tat, so war es schlichtweg Tatsache. Selbstverständlich würde sie das niemals offen zugeben.
Sie ertappte sich bei der Frage, wie lange Ember wohl schon so unbeschwert und ohne jegliche Hilfe zurechtkam.
Wie lange war sie bereits so stark?
Eliana verzieht wütend ihr Gesicht. All die Jahre über wohnten sie im selben Haus, unter dem selben Dach und nie ist ihr irgendetwas derartiges aufgefallen.
War sie einfach zu ignorant gewesen?
Hätte sie etwas bemerkt, wenn sie nicht so voreingenommen gewesen wäre?
Hätte sie womöglich auch so stark werden können wenn sie statt gegen Ember mit ihr trainiert hätte? Angewidert reißt sie die Augen auf.
Ihre Gedanken driften in die völlig falsche Richtung. Kopfschüttelnd wendet sie ihren Blick ab und starrt auf die Tischplatte vor sich.
Dieses dumme Gör..wieso musste sie sich auch ausgerechnet in ihre Familie schleichen?, schießt es ihr durch den Kopf, als sie schwammige Erinnerungen überkommen. Augenblicklich verdrängt sie diese und verstärkt krampfhaft ihren Griff um die Feder in ihrer Hand.
Da sie nun keine Zukunft im schwarzen Ring vor sich hat, muss sie sich nun bereits jetzt schon mit den Gepflogenheiten des Familienoberhauptes auseinandersetzen. Eigentlich sah ihr Plan für die Zukunft anders aus. Eigentlich wollte sie die letzten Jahre, in denen ihr Vater die Position des Oberhauptes noch ausführen würde, im schwarzen Ring verbringen. Sie hoffte darauf, sich mehr Ansehen und einen noch besseren Stellenwert in der Gesellschaft aufzubauen. Dadurch wären auch die Geschäfte und Verhandlungen als Familienoberhaupt wesentlich einfacher gewesen. Schließlich weiß auch sie, dass Vertrauen nach Leistung kommt. Jedoch wurden ihre Pläne jäh durchkreuzt. Verachtend beißt sie die Zähne aufeinander.
Diese dumme Ember! Wieso musste es auch ausgerechnet die Klasse der Feuermagier sein?! Ausgerechnet die Klasse, gegen die ihre Blitzmagie nicht sonderlich effektiv ist.
Hätte sie nicht eine Erdmagierin oder eine Luftmagierin sein können?! Das hätte völlig ausgereicht, denkt sie genervt und pustet sich einige ihrer herabfallenden Strähnen aus dem Gesicht. „Lady Eliana, euer Vater wünscht euch nun zu sprechen", reißt eine der älteren Bediensteten sie aus ihren Gedanken, woraufhin sie lediglich verachtend seufzt.
„Ich komme", murrt sie, ehe sie ihr aus dem Zimmer in den Korridor folgt. Mit verzogenem Gesicht schlurft sie der Bediensteten hinterher und möchte am liebsten jetzt schon wieder umkehren. Natürlich weiß sie, was ihr Vater mit ihr besprechen möchte, weshalb ihr die Lust an diesem Gespräch sogleich vergangen ist. Die weiße Flügeltür des Büros öffnet sich, während die alte Dame sich dezent verneigt und sich entfernt. Mürrisch tritt Eliana ein und hört, wie die Türen hinter ihr geschlossen werden. Unmotiviert sieht sie ihrem Vater entgegen, der sie mit zusammengefalteten Händen bereits abwartend mustert.
„Bitte, setz dich doch", bietet er ihr an, doch sie weiß ganz genau, dass das keine Bitte war. Sie tut, wie ihr geheißen und lässt sich, sichtlich abweisend, in den Stuhl sinken und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Was gibt es denn so dringendes, Vater?", säuselt sie gespielt und setzt dabei ihr unschuldigstes Lächeln auf. Ihr Vater seufzt tief ehe er die Arme sinken lässt. „Hast du dich mittlerweile bei Ember für dein unmögliches Verhalten entschuldigt?", redet er nicht lange um den heißen Brei herum und mustert seine Tochter aufmerksam. Diese hingegen verdreht unmerklich die Augen.
„Nein, und ich sehe auch nicht ein, mich für etwas zu entschuldigen, was nicht falsch war", kontert sie angesäuert, woraufhin sich die Muskeln ihres Vaters anspannen.
„Deine Sturheit ist unerhört. So haben deine Mutter und ich dich nicht erzogen. Wie kannst du nur so respektlos gegenüber deiner eigenen Schwester sein?", entkommt es ihm empört, während Eliana wütend das Gesicht verzieht.
„Meine eigene Schwester?! Fragt ihr euch doch lieber erst einmal, wie ihr so dreist sein konntet und sowohl Ember als auch mich so lange belügen konntet!", entweichen ihr die Worte schneller, als gewollt. Hastig verstummt sie und beißt die Zähne aufeinander.
Wie konnte ihr das nur herausrutschen?
Bislang konnte sie es doch auch für sich behalten, egal wie gereizt sie gewesen war. Ihr Vater hingegen entgleiten die Gesichtszüge, während er sie mit großen Augen anstarrt.
„Was willst du damit andeuten?", hakt er nach, nachdem er sich ein wenig gesammelt hat und versucht die Fassung zu bewahren.
„Pfft, tu nicht so scheinheilig. Du weißt genau was ich meine, Vater", kontert sie genervt.
Nun ist die Katze ohnehin schon aus dem Sack. Es bringt wohl auch nichts mehr ihr Wissen über diese Sache zu vertuschen.

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