- Kapitel 170 -

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„Wir sollten einen Kampf vermeiden. Wenn sie wirklich einen Angriff planen sind wir maßlos unterlegen", flüstere ich, woraufhin Arryn nickt. „Wir hätten nicht einmal eine reelle Chance wenn du bei Kräften wärst. Es wird schwer genug die Grenze zu passieren ohne, dass wir den Gardesoldaten in die Arme laufen", ergänzt er, weshalb ich betreten zur Seite sehe. Als er meine Reaktion sieht legt sich augenblicklich ein mitfühlender Ausdruck auf sein Gesicht.
„Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das schon", meint er aufmunternd und legt mir behutsam eine Hand auf die Schulter. „Ist es schlimmer geworden?", fragt er besorgt, woraufhin ich stumm nicke. Es bringt schließlich nichts es zu leugnen. Meine Kräfte liegen derzeit beim absoluten Minimum. Jeder noch so kleine Einsatz von Magie zehrt unsagbar an mir. Sogar der kleine Zauber der glühenden Fingernägel hat mir beinahe alles abverlangt. Mir vor den beiden Feuermagiern nichts anmerken zu lassen hat mir auch den letzten Rest an Kraft geraubt.
„Du weißt ich sage das nicht gern, doch..vielleicht solltest du allmählich in Betracht ziehen die Bindung zu Setto zu lösen", kommt es ihm schwerfällig über die Lippen, ehe sich mein Blick schlagartig verdunkelt.
„Niemals", zische ich und balle meine Fäuste. „Wenn ich die Bindung jetzt löse werde ich ihn nie wieder sehen. Nur dank der Bindung weiß ich, dass er überhaupt noch am Leben ist. Setto ist nicht nur mein Begleiter sondern ein Teil meiner Seele, Arryn. Wenn ich die Verbindung zu ihm verliere, verliere ich auch einen Teil von mir selbst", erkläre ich und stütze mich kraftlos am nächstgelegenen Baumstamm ab. Der braunhaarige Schrank reagiert blitzschnell und greift mir unter die Arme. Währenddessen beäugt der Attentäter uns nachdenklich. Es wird mir nicht mehr lange möglich sein es vor ihnen zu verbergen, schießt es mir durch den Kopf, was mich die Zähne aufeinanderbeißen lässt. Wir müssen so schnell es geht zurück nach Hause.

Der Tag neigt sich dem Ende zu und ich bin nur langsam wieder bei Kräften. Dennoch, die kurze Regenerationszeit muss ausreichen um zumindest über die Grenze zu gelangen. Wortlos machen wir uns bereit und binden die beiden Gefangenen vom Baumstamm. Arryn packt jeweils einen von ihnen an die Seite, ehe er sie sich über die Schultern wirft. Er gibt uns mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass wir voranschreiten sollen. Kayrian und ich werfen uns einen kurzen Blick zu, bevor wir in der Dunkelheit des Waldes verschwinden. Während ich die linke Seite übernehme kümmert Kayrian sich um die Rechte. Arryn wird letztlich demjenigen folgen, der als erstes ein Zeichen in Form seiner Magierklasse am Himmel erscheinen lässt. So stellen wir sicher, welcher Weg keinen Zusammenstoß mit Gardesoldaten verspricht.
Soweit zumindest die Theorie.
Sollte es hart auf hart kommen wird Kayrian unterstützend zurückeilen, da ich momentan ohnehin nicht viel ausrichten kann. Ich springe geschickt von Ast zu Ast und fliege somit schon fast über die Köpfe der Gardesoldaten hinweg, die unter mir am Lagerfeuer sitzen. Es sind nicht viele, doch Arryn sollte ihnen definitiv nicht über den Weg laufen. Mit den beiden Feuermagiern auf den Schultern ist er stark eingeschränkt wenn es zum Kampf kommen würde. Ich hoffe, dass es auf Kayrians Seite besser aussieht. Leise zähle ich die Köpfe über die ich hinwegfliege und komme schließlich außer Atem auf der anderen Seite des Waldrandes auf dem Boden auf. Schweißperlen rinnen mir den Nacken entlang, während ich mich schwerfällig aufrichte. Ich sehe mich prüfend um, kann den Blondschopf jedoch nicht entdecken. Ich scheine wohl die Schnellste gewesen zu sein. Seufzend sammle ich meine Kraftreserven zusammen und führe meine Finger dicht an meinen Mund. Flammen umgeben meine Hand als ich sie hoch in die Luft richte. Lautlos schießt eine lodernde Flamme gen den Nachthimmel und nimmt die Form der Zahl siebzehn an. So viele Soldaten konnte ich auf dem Weg hierher zählen. Nur wenige Minuten später sehe ich Kayrian aus dem Gestrüpp stolpern. Er ist übersäht von Kratzwunden und wischt sich murrend über die Uniform.
„Tch, sieh mich nur an! Ich bin voller Dornen", nörgelt er und kommt langsam auf mich zu getrottet. „Hast du Arryn das Zeichen gegeben?", fragt er und ist noch immer damit beschäftigt sich die Dornen aus dem Gesicht zu ziehen.
„Ja, doch scheinbar ist mein Weg der gefährlichere gewesen", entgegne ich und sehe ihn die Brauen heben.
„Wirf noch einmal einen Blick auf meine Wenigkeit. Ich denke du bist weitaus glimpflicher davongekommen, als ich", kontert er, während ich den Kopf schüttle.
„Ich bin auf einen Baum geklettert und habe den Weg von Ast zu Ast springend zurückgelegt. Dabei habe ich siebzehnt Soldaten unter mir gezählt. Ich denke Arryn wäre um einiges dankbarer durch Dornenbüsche zu rennen, als sich gegen die Garde durchschlagen zu müssen", spotte ich und verschränke meine Arme vor der Brust. „Mach dich bereit dich noch einmal hineinzustürzen", füge ich mahnend hinzu und sehe ihn die Schultern nach vorn fallen lassen. „Ich habe langsam wirklich das Gefühl mein Leben in letzter Zeit zu oft aufs Spiel zu setzen. Wenn das so weitergeht werde ich keine dreißig Jahre alt", seufzt er und richtet sich die Frisur. „Wir müssen zusehen, dass du so schnell wie möglich wieder zu alter Kraft gelangst", fügt er grinsend hinzu, was ich mit einem Augenrollen quittiere.
„Während des Duells hast du noch ganz andere Töne von dir gegeben", trieze ich mit erhobener Braue, während er abwinkt.
„Was soll ich sagen? Ich war jung und dumm", kontert er schulterzuckend, was mir ein leises Lachen entlockt. Auch Kayrian lächelt mir entgegen und scheint erleichtert darüber zu sein, dass ich noch die Kraft habe auf seine dämlichen Sticheleien einzugehen. In den letzten Wochen sah das teilweise schon anders aus. Ich habe durchaus gemerkt, dass die beiden sich zunehmend Sorgen um mich machten. Lautes Trampeln reißt uns aus den Gedanken, weshalb der Blondschopf sich schützend vor mich stellt. „Bleib zurück", weist er mich an und starrt erwartungsvoll in die Dunkelheit des Waldes. Mit zusammengekniffenen Augen erschafft er eine Glasbarriere um uns herum, ehe ein brauner Schopf vom Mondlicht angestrahlt wird. Grinsend rennt unser Muskelpacket auf die Wiese, dicht gefolgt von fünf Gardesoldaten.
„Ich konnte sie nicht alle abschütteln! Die hier sind noch übrig", ruft der Braunhaarige lachend und rennt in einem Affenzahn an uns vorbei. Kayrian und ich sehen uns verwirrt in die Augen, ehe wir Arryn mit unseren Blicken folgen.
„Hey! Lauf nicht einfach davon du Riesenaffe!", brüllt Kayrian zornig und lässt die Glasmembran schrumpfen, sodass sie nur noch mich umgibt. „Den Rest überlasse ich dir! Das schaffst du schon", hören wir den Eismagier lachend rufen, was auch mir ein Grinsen eintreibt.
„Also wirklich! Ist das zu fassen?!", entkommt es dem Blondschopf, der einen Glasspeer durch die Brust eines Soldaten bohrt.
„Dieser Kerl ändert sich auch nie!", führt er sein Genörgel murrend fort, während ich ihm schmunzelnd dabei zusehe, wie er einen Soldaten nach dem anderen ausschaltet, während ich noch immer im Glaskasten stehe.
„Es ist immer dasselbe mit ihm! Erst nagelt er uns fest und rennt dann davon", knurrt Kayrian genervt und wirft den letzten der Soldaten auf den Rücken, ehe er auch ihm einen Glasspeer durch die Brust bohrt.
„Nun hör schon auf zu grinsen! Habe ich denn nicht recht? Es ist genauso wie damals während der ersten Etappe", erklärt er und deutet auf den Glaskasten um mich herum, während er sich die Hände an der Hose abstreift und auf mich zukommt.
„Das ist schon fast nostalgisch", fügt er lachend hinzu und betrachtet die Situation schief grinsend, während auch mir die Bilder der ersten Etappe in Erinnerung kommen.
Er hat recht.
Arryn hatte uns beide damals mithilfe seiner Eismagie an Ort und Stelle festgesetzt und sich aus dem Staub gemacht. Nachdem der Glasmagier sich befreien konnte steckte er mich in einen Glaskasten, ähnlich diesem hier. Unweigerlich entkommt mir ein lautes Lachen, als mir die Parallelen dieser Szene klar werden. „Ich denke, einige Dinge ändern sich wohl nie", presse ich zwischen zwei herzhaften Lachern hervor, ehe Kayrian den Glaskasten verschwinden lässt.
„Wie bist du damals eigentlich da raus gekommen?", fragt er, während wir Arryn hinterher laufen.
„Ich habe meine Fingernägel zum glühen gebracht und ein Loch in die Glasscheibe gebrannt", erkläre ich schwer atmend, da mir das Rennen doch ein wenig mehr Kraft raubt, als ich dachte.
„Du bist einfach unglaublich Emberlein", entgegnet der Blondschopf lachend und wirft den Kopf in den Nacken.

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