- Kapitel 114 -

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In der Mitte der Glaskuppel bleibe ich stehen und sehe atemlos auf die umliegenden Wälder. Frustriert lasse ich mich nieder und winkle meine Beine an. Ich kann einfach nicht fassen, was Levion mir an den Kopf geworfen hatte.
Das übersteigt deine Kompetenzen.."
Wenn Sekurion und er über solch großartige Kompetenzen verfügen würden, wäre Alastair bereits auf freiem Fuß. Wütend ziehe ich die Brauen zusammen und unterdrücke den Drang lauthals loszubrüllen. Ich habe Alastair alles zu verdanken. Alles, was ich während des Duells erreicht habe. Ohne ihn hätte mich wohl keiner der Generäle aufgenommen. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht dort, wo ich bin. Und nun will man mir erzählen, dass ich absolut nichts für ihn tun kann?
Das ist doch verrückt. Ich vermisse ihn.
Ich vermisse den Klang seiner Stimme, seine Berührungen, seine Anwesenheit. Meine Sicht verschwimmt vor mir, während sich eine einzelne Träne ihren Weg nach unten bahnt. Hastig wische ich mir übers Gesicht. Ich war geduldig. Ich habe alles getan, was man von mir verlangt hat. Ich habe trainiert, mich gesteigert, mich nicht über die einfachen Aufträge beklagt, jede freie Minute in den Trupp investiert, doch allmählich reißt mein Gedultsfaden. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen sich diese Woche intensiv mit der Rettung Alastairs zu befassen. Gemeinsam mit den anderen. Uns wäre sicherlich etwas Brauchbareres eingefallen, als weiterhin abzuwarten.
Mein Magen zieht sich zusammen bei dem Gedanken daran. Auch wenn ich unfassbar wütend bin, so fühle ich mich schlecht solche Gedanken zu haben. Ich habe schließlich auch Levion einiges zu verdanken. Ohne seine Führung hätte ich die letzte Etappe wohl nicht bezwingen können.

„Darf ich mich zu dir setzen?", reißt mich eine tiefe Stimme aus den Gedanken, weshalb ich schreckhaft zusammenzucke. Mein Puls rast, während ich mir atemlos an die Brust fasse. Ich habe Chronus überhaupt nicht wahrgenommen. „Es ist dein zu Hause, ich kann dir hier wohl nichts verbieten", meine ich während ich noch immer meinen Herzschlag pochen fühle.
„So war das nicht gemeint", kontert er augenverdrehend und setzt sich. Einige Minuten der Stille vergehen, als er sich plötzlich räuspert. „Das Gespräch mit General Sorin verlief wohl nicht so, wie du es dir erhofft hattest", stellt er fest, woraufhin ich nur die Augen verdrehe.
„Du bist ein Zeitmagier, du weißt doch, wie es lief", murre ich und ziehe meine Beine enger an mich.
„Hör mal Ember, ich denke nicht, dass ich ein Recht dazu habe meine Meinung zu äußern, doch..ich glaube General Sorin hat recht", seufzt er und sieht verlegen zur Seite. Wütend verenge ich meine Augen zu Schlitzen.
„Ja du hast wirklich kein Recht deine Meinung zu äußern", murre ich in abweisendem Tonfall.
„Hör Mal, es ist nicht so, dass ich nicht auf deiner Seite stehe, doch..gegen die Königsfamilie zu gehen könnte nicht nur General Kalen sondern auch dich den Kopf kosten. Bitte versteh doch, dass General Sekurion und General Sorin ihr Bestes tun, um die Situation zu lösen", versucht er es erneut.
Mit mäßigem Erfolg.
„Warst du schon einmal in den Kerkern? Weißt du wie es dort zugeht?", kontere ich herausfordernd und sehe ihn bedröppelt den Kopf schütteln. „Das dachte ich mir. Wie könntest du auch? Anders als du muss Alastair es sich nicht vorstellen. Er ist dort unten. Völlig unschuldig versauert er dort, während wir hier heile heile Welt spielen. Hältst du das für fair?", frage ich ihn direkt und sehe ihm dabei in seine blauen Augen. Verblüfft starrt er mir entgegen, ehe er erneut laut hörbar ausatmet.
„Nein, das halte ich nicht für fair, aber für notwendig. Wenn es sein Leben rettet und ihm Zeit verschafft, würde ich das in Kauf nehmen", erklärt er nüchtern und sachlich, während ich fassungslos den Mund öffne.
„Was ist denn nur los mit euch allen? Habt ihr alle den Verstand verloren?", entkommt es mir hysterisch, woraufhin Chronus meine Hände ergreift und sie fest umklammert.
„Ember, so beruhige dich doch. Ich verstehe deine Wut..Wenn General Sorin dort eingesperrt wäre, würde ich wohl genauso reagieren, doch lass dir sagen, dass es weder General Kalen noch dich weiterbringt jetzt durchzudrehen. Konzentriere dich stattdessen auf das, was du tun kannst", trichtert er mir eindringlich ein.
„Und das wäre?!", blaffe ich verständnislos. „Dein Training", kontert er ruhig und sieht mir dabei noch immer autoritär entgegen. „Werde stärker. Werde mächtiger. Erlange den nötigen Status. Sobald du das geschafft hast wird man dir zuhören. Man wird dich hinzuziehen. Auch General Sorin wird sich deinen Ratschlag einholen, vertraue mir. Du bist so clever und gerissen. Das hat dir den Sieg im Duell gebracht. Nutze deinen Kopf, anstatt ihn dir zu zerbrechen", erklärt er woraufhin sich meine Augen weiten. „Denk doch weiter! Ich weiß, dass du das kannst. Du bist so eine gute Strategin. Lass dich nicht von deiner Wut leiten. Das hast du doch auch während es Duells nicht getan. Du hast stets einen kühlen Kopf bewahrt und dich nicht aus der Ruhe bringen lassen, egal was man dir auch entgegen warf. Du hast dich behauptet und letztlich gewonnen. Zurecht. Wo ist die Ember hin verschwunden, die alle in ihren Bann gezogen hat? Ich war selten so angetan von einem Teilnehmer, wie von dir. Du hast das Potential etwas Großes zu werden, Ember. Verbaue es dir nicht selbst, ich bitte dich", fügt er ruhiger hinzu und lässt von meinen Händen ab.

Verwirrt und zerstreut lässt er mich zurück und erhebt sich. Währenddessen huschen etliche Erinnerungen vor meinem inneren Auge vorbei. Er hat Recht.
Ich habe mich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Weder von Gegnern, noch von Alastairs Verhaftung. Ich habe ihm versprochen zu siegen und das tat ich auch. Auch wenn ich es ungern zugebe, so hat Chronus mir die Augen geöffnet.
Was war denn nur los mit mir?
Stand ich tatsächlich soweit neben mir? „Chronus warte", entkommt es mir fordernd, woraufhin er sich gespannt umdreht. Auch ich erhebe mich und komme auf ihn zu. „Danke", meine ich und strecke ihm die Hand entgegen. Verwundert sieht er auf sie herab, ehe er meine Geste erwidert. „Verzeih mir jegliche unangebrachte Verhaltensweisen. Ich schätze dich und deine Offenheit sehr", füge ich hinzu und sehe verlegen zur Seite. „Weißt du in letzter Zeit habe ich das Gefühl neben mir zu stehen. Ich kann meinen Platz einfach nicht finden. Deshalb lasse ich meine angestaute Wut oft an den Personen aus, die mir am Herzen liegen. Du bist einer davon und das tut mir leid", gestehe ich offen und senke beschämt den Blick.
„Nicht doch..Ich kann mir vorstellen wie viel Druck auf dir lastet. Es ehrt mich, dass ich dir etwas bedeute. Deshalb möchte ich dir helfen. Was hältst du von einer Trainingseinheit?", fragt er plötzlich, was mich aus dem Konzept bringt. „Du willst gegen mich kämpfen?", wiederhole ich verblüfft und ernte stummes Nicken seinerseits. „Ich möchte dir helfen den Rang zu erlangen, der dir gebührt. Ich hätte dich gern in meinem Trupp gesehen. An meiner Seite, doch du hast dich anders entschieden, was ich verstehe. Dennoch hast du meine Unterstützung. Lass mich dich trainieren. Auch wenn ich kein Feuermagier bin, so kann ich dir garantieren, dass du nicht enttäuscht sein wirst. Deine Gegner werden schließlich auch nicht nur Feuermagier sein", erklärt er mit einem Grinsen auf den Lippen, weshalb ich nicht anders kann, als ebenfalls zu schmunzeln.
„Na schön..also gut. Trainiere mich, Chronus. Ich bin gespannt auf deine Fähigkeiten", meine ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht, was Chronus eine verräterische Röte eintreibt.

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