- Kapitel 79 -

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Mit neuer Motivation erhebe ich mich und klopfe mir den Dreck von meiner geliebten Uniform, die Alastair so hingebungsvoll für mich anfertigte. Ich werde diesen Kampf gewinnen, nicht weil ich muss, nicht weil ich allein es will, sondern weil neben mir noch viele andere an mich glauben. Viele, die mir helfend zur Seite standen, als ich es brauchte und doch nicht wollte. Alastair sowie auch Levion haben sich in Gefahr begeben, nur um mich zu schützen. Nun brauchen sie meine Hilfe. Jetzt bin ich an der Reihe alles für sie zu riskieren, alles für Alastair zu riskieren.
Ich werde gewinnen.
„Levion, erscheine", befehle ich meinem Bindungspartner und sehe kurz darauf bereits die goldenen Nebelschwaden erscheinen.
„Du hast gerufen? Hast du etwa noch eine Frage?", erklingt seine Stimme süffisant, während er mich mit erhobener Braue mustert. Ich grinse ihm entgegen und wende mich ab.
„Ja, aber nur noch eine", entgegne ich ihm amüsiert, woraufhin ich seine Schritte hinter mir vernehme. „So? Und welche wäre das?", hakt er neugierig nach, während er sich mit verschränkten Armen neben mich stellt. Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und sehe entschlossen nach oben. Seine Augen funkeln und werden von seinen langen Wimpern umschlossen, welche ihm einen scharfsinnigen Blick verleihen.
„Levion, bist du bereit dazu während des Kampfes nicht von meiner Seite zu weichen und mir Rückendeckung zu geben?", stelle ich ihm die Frage, die mir auf der Seele brennt und sehe im nächsten Moment in sein überrascht dreinblickendes Gesicht. „Selbstverständlich", entgegnet er mir nachdem er sich wieder gesammelt hat und schließt dabei leise lachend die Augen. Ich habe dem nichts weiter hinzuzufügen und entferne mich bereits, um ein bis zwei Schritte von ihm, als ich meinen Namen höre. „Ember, mir ist durchaus bewusst, dass dir folgendes nach all den heutigen Erkenntnissen möglicherweise nicht mehr allzu viel bedeuten wird, jedoch..du sollst wissen, dass Alastair wahnsinnig stolz auf dich wäre wenn er dich so sehen könnte. Nein, er wäre nicht nur stolz auf dich, er ist es"

Mit geweiteten Augen richte ich meinen Blick hinter mich und kann nichts weiter tun, als fassungslos zu starren. Ich kann fühlen, wie mein Herz einen Satz macht, wie meine Augen allmählich feucht werden und meine Sicht leicht verschwimmt. Ich schließe meine Augen und atme langsam aus, um mich zu beruhigen.
„Ja, du hast recht..es spielt wirklich keine so große Rolle mehr für mich, dennoch..", beginne ich, während ich mich wieder dem Eingang des Hohlraums zudrehe.
„..werde ich es während des gesamten Kampfes und darüber hinaus im Hinterkopf behalten", entgegne ich entschlossen, ehe wir gemeinsam auf den Hohlraum zuschreiten.
Kurz bevor wir die Schwelle übertreten halte ich inne und atme noch ein letztes Mal tief ein und aus. „Wenn du es nicht innerhalb der ersten zehn Sekunden schaffst deine Kraft zu entfesseln, wirst du diesen Kampf verlieren", erklingt Levions Stimme ruhig neben mir, während er genau wie ich in die Dunkelheit blickt.
Mit besorgter Miene blicke ich zu Boden und zwinge mich dazu mich zusammenzureißen.
„Zehn Sekunden also hmm..Das bekomme ich hin", murmle ich entschlossen und scanne den Raum sorgfältig nach der magischen Präsenz der Projektion ab. Levion hingegen schweigt und verbirgt seine wahren Gedanken hinter einem nichtssagenden Lächeln. Quadratmeter um Quadratmeter suche ich angestrengt nach der Projektion, bis mein Blick schließlich an der violett schimmernden Wolke hängen bleibt, die nicht allzu weit von uns entfernt in der Dunkelheit lauert.
„Hab dich..", hauche ich triumphal und presche im nächsten Moment in Richtung meines Gegners. Levion folgt mir währenddessen stumm, hält jedoch genügend Abstand um mir Freiraum zu geben. Meine Gedanken überschlagen sich, wirbeln wie wild in meinem Kopf umher. Ich habe nur zehn Sekunden Zeit um den gigantischen Raum mit Licht zu füllen. Gleichzeitig weiß ich, dass ich eigentlich überhaupt nicht nachdenken darf. Genauer gesagt muss ich einfach nur stumpf meinen Instinkten folgen, doch mit der Tatsache im Hinterkopf, dass der Plan bei auch nur einem einzigen Fehler scheitern würde, lässt es sich eben nicht so einfach abstellen.
Eins, Zwei,..
Genug jetzt! Ich habe nicht die Zeit für diesen Quatsch. Ich muss mich konzentrieren! Ich werde heute nicht verlieren! Nicht heute!
Drei, Vier,..
Ich mache das hier für Alastair. Ich kämpfe für ihn, für Kairyan, für Arryn. Für alle, die mir in letzter Zeit zur Seite standen und mich hier hin gebracht haben.
Fünf,..
Für all diejenigen, deren Traum bereits nach der ersten Etappe scheiterte. Für alle die, die nach der zweiten Etappe ausschieden. Für all diejenigen, die aufgrund des Attentats nicht länger für ihre Wünsche kämpfen konnten.
Sechs, Sieben,..
Ich kämpfe für Meister Tarik, der jahrelang seine Zeit in mich und mein Training investiert hat. Ich möchte nicht länger nur, dass er stolz auf mich ist, sondern dass er voller Überzeugung sagen kann, es hat sich gelohnt.
Acht, Neun,..
Ich will heute gewinnen. Für alle anderen und für mich selbst.
Zehn.
Ich werde gewinnen.
Der Kraftfluss in mir entlädt sich innerhalb von Sekundenbruchteilen. Ich spüre, wie mich die Kraft belebt, wie sie mich in ihren Bann zieht, wie sie durch mich hindurchströmt. Dieses Gefühl ist so atemberaubend und überwältigend, dass ich meine Augen dabei schließe.
Ich denke an nichts.
Ich fühle nichts.
Ich konzentriere mich nur auf meine Kraft. Ich will den Raum brennen sehen. Ich will ihn voll und ganz einnehmen. Ich will über alles bisher geschaffte hinauswachsen. Die Flammen verbünden sich mit der Luft um mich herum, mit dem Boden unter mir, mit den Felsen neben mir. Ich kann sehen, wie sie sich ihren Weg bahnen, ohne die Augen zu öffnen. Ich sehe alles, was sie sehen.
Ein noch nie dagewesenes Gefühl der Weitsicht überkommt mich. Zum ersten Mal im Leben habe ich das Gefühl endlich begreifen zu können, wie wenig ich bisher eigentlich von meiner Umgebung tatsächlich wahrgenommen habe, wie wenig ich tatsächlich gesehen habe. Es gibt so unendlich viele Perspektiven, so viele unzählige Blickwinkel, dass ich die Menge an Informationen überhaupt nicht richtig verarbeiten kann, doch das ist momentan zweitranging. Ich lasse es einfach weiterhin geschehen, lasse meine Flammen alles und jeden verschlucken, der sich ihnen in den Weg stellt.

Blind FireWhere stories live. Discover now