- Kapitel 136 -

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Midan POV:

Der dunkle Magier lehnt entspannt am Balken einer Dachkonstruktion und fixiert seinen Blick dabei auf die junge Magierin, die seit einiger Zeit ein wenig zu viel Interesse an ihm zeigt. Er entfernt sich seit ihrem letzten Versuch ihn zu einzufangen nicht mehr weit von ihr. Er hält lediglich den Sicherheitsabstand zum Schattenpanther, der ihn davor schützt erneut durch die Gassen hetzen zu müssen. Eines muss er der Kleinen aber wirklich lassen. Ausdauer hat sie wie keine Zweite. Es gibt nicht viele Magier, die mit ihm mithalten können. Um sie loszuwerden muss er tatsächlich zu seiner Trumpfkarte greifen und seine Magie einsetzen. Allein dafür verdient sie zumindest zwei Prozent seines Respekts. Ein Schmunzeln schleicht sich auf seine Lippen, als er ihr dabei zusieht, wie sie einen halben Nervenzusammenbruch erleidet, da sie scheinbar die Karte in ihren Händen nicht lesen kann. Ob sie nun orientierungstechnisch einfach eine Versagerin ist oder sie die Sprache nicht spricht kann er von diesem Punkt aus nicht sagen. Dennoch amüsiert ihn der Anblick sichtlich.
Auch wenn die beiden Königreiche Adaron und Trios nebeneinander liegen so haben sich die Kulturen und Traditionen unterschiedlich entwickelt. Um ein passendes Beispiel zu nennen, die Sprache. Viele Grenzgänger, Diplomaten und Händler haben sich die Sprachen beider Reiche angeeignet, die breite Bevölkerung jedoch zeigt kein großes Interesse an einem Sprachaustausch.
„Schade eigentlich..hättest du dich mit unserer Sprache befasst könntest du zumindest etwas mit der Karte in deinen Händen anfangen", flüstert er hämisch lachend und hält sich die Hand vor den Mund. Wütend zerknüllt die Magierin die Karte und wirft sie schwungvoll auf den Boden. Auch auf die Entfernung hinweg könnte er schwören, dass sie von kleinen Blitzen umgeben ist. Er hebt die Brauen und zieht einen Mundwinkel nach oben. An Temperament scheint es ihr ebenfalls nicht zu mangeln. Kurz bevor Midan bereits denkt, sie würde ein rechtes Donnerwetter entfachen ballt sie ihre Hände zu Fäusten und atmet mehrfach tief ein und aus. Verwundert kneift er die Augen zusammen. Sie schlägt sich gegen die Wangen und verzieht augenblicklich ihr Gesicht. Ein erneutes Lachen entkommt seiner Kehle, da sie sich auf ihr stark verbranntes Gesicht geschlagen hat. Ein Wunder, dass sie sich bisher noch nicht gehäutet hat. Ihre Schneeweiße Haut ist ordentlich in Mitleidenschaft gezogen worden.
„Tja, deshalb trägt man hier meist eine Kopfbedeckung junge Dame", murmelt er verschmitzt. „Wobei..In deinem Fall wäre ein Ganzkörperschutzanzug wohl angebrachter gewesen", fügt er glucksend hinzu und kann sich kaum zurückhalten. Ein heftiger Windstoß fegt über die Stadt hinweg und bringt einiges an Sand mit sich. Gekonnt zieht Midan seinen Umhang enger um sich und verbirgt sein Gesicht darin. Er späht erneut auf die Straßenkreuzung unter sich und sieht die Magierin auf dem Boden kauern. Schützend beugt sie sich um ihren Schattenpanther, was dem jungen Magier einen weichen Ausdruck eintreibt. Man kann über dieses Mädchen sagen was man möchte, doch sie kümmert sich gut um ihren Begleiter. Scheinbar sieht das auch die Raubkatze so. Es ist nicht das erste Mal, dass Midan einen Schattenpanther zu Gesicht bekommt, doch bisher waren seine Begegnungen mit diesen Wesen immer recht brutal. Dieses Exemplar ist das Erste, welches eine echte Bindung zu einem Magier aufgebaut hat. Er klebt regelrecht an ihrer Seite. Die beiden zu trennen wäre ein Ding der Unmöglichkeit.
Ein letztes Mal jault der Windzug durch die Gassen, was ihre blonden Locken wild umherwirbeln lässt. Die Kapuze des beigen Umhangs hat nicht genügend Kraft um die Menge an Haaren zu bändigen. Hastig greift die Magierin nach der Kapuze und zieht sie erneut über ihren Kopf. Dabei hat sie Schwierigkeiten den Stofffetzen an seinem Platz zu halten. Immer wieder reißt sich der Stoff beinahe wie von selbst aus ihrer Hand. Die Sonnenstrahlen dringen durch die Wand aus Sandkörnern hindurch und werfen ihr Licht direkt auf ihre Augen, was sie zum Leuchten bringt. Von hier oben aus betrachtet wirken sie wie kleine funkelnde Saphire.
Nachdenklich fasst er sich an die Lippen und hebt eine Braue dabei.
„Hübsch ist sie ja schon..Anstrengend und wildgeworden aber dennoch ansehnlich. Wie viel sie wohl auf dem Schwarzmarkt wert wäre? Wenn sie mir zu sehr auf die Nerven geht verkaufe ich sie einfach", spottet er und wird augenblicklich für seinen unverschämten Witz bestraft, als er sich an einigen umherfliegenden Sandkörnern verschluckt. Hustend klopft er sich gegen die Brust und stützt sich im nächsten Moment auf den Oberschenkeln ab. Genervt verzieht er sein Gesicht und seufzt dabei.
„Ist ja schon gut..Karma hat es zur Zeit aber auch wirklich auf mich abgesehen", murrt er und schielt erneut zur Blondine hinab, die mittlerweile einen weiteren Versuch startet, die nun zerknüllte Karte zu entziffern. Einige Male dreht und wendet sie das Blatt Papier und sieht sich immer wieder um. Interessiert geht er in die Hocke und stützt seinen Kopf dabei auf seiner Handfläche ab.
Cleveres Ding..wenn du dich anstrengst kannst du vielleicht einige Gebäude auf der Karte wiedererkennen.
Sie dreht sich weiter um die eigene Achse und blickt nun direkt in seine Richtung, weshalb er sich ohne viel Mühe erneut in Schatten hüllt. Bei genauerer Betrachtung fällt ihm ein gewisses Detail an ihrem Umhang auf. Die Schnalle sieht beschädigt aus und auch das Muster am Saum kommt ihm verdächtig bekannt vor. Ungläubig runzelt er die Stirn und lehnt sich noch ein Stück weiter nach vorn.
„Das ist doch..das ist mein Umhang!", entkommt es ihm schockiert.
„Du kleine Diebin", murrt er und verzieht sein Gesicht. Mit geballter Faust starrt er sie nieder und beschließt sich seinen Umhang wieder zu holen. Irgendwann muss sie ihn schließlich auch einmal ablegen.

Die Tage vergehen und Midan ist der Blondine noch immer dicht auf den Fersen. Bislang hatte er mehrfach die Gelegenheit gehabt ihr den Umhang zu stibitzen, doch jedes Mal zögerte er einen Moment zu lange und die Chance zog vorüber. Er kann sich selbst nicht erklären, weshalb er es nicht über sich bringen konnte. Als er sie eines Nachts am Ende einer Sackgasse sitzen sah und sie dabei beobachtete, wie sie in den Umhang gehüllt in den Schlaf driftete wollte er schon zum Sprung ansetzen, doch er tat es nicht. Sie zitterte am ganzen Körper und nicht einmal die Körperwärme des Schattenpanthers reichte aus, um das Zittern zu stoppen. Er verzog den Mund und schlich wieder in die Schatten des Nebengebäudes.
Irgendwie tut sie ihm leid. Ganz allein hier auf den Straßen zu überleben..schutzlos, ahnungslos und wie er feststellen musste..geldlos. Seufzend schlägt er sich auch heute wieder gegen die Stirn, als er sieht, dass sie einem der Händler etwas in ihrer Handfläche entgegen streckt. Sie verkauft nach und nach ihre Wertgegenstände, um wenigstens einmal am Tag etwas Essen zu können. Er beißt die Zähne aufeinander und schnaubt genervt. Auf diese Weise wird sie gar nicht erst so lange leben, um den Zeitpunkt zu erreichen freiwillig aufzugeben.
„Na und wenn schon..das ist doch nicht mein Problem..eigentlich spielt es mir sogar in die Karten", murmelt er und rümpft die Nase, ehe er sich erneut tiefer in die Innenstadt verzieht.

Weitere Tage ziehen ins Land und Midan beschließt sich einmal einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Die letzten Tage über hatte er die junge Magierin nicht zu Gesicht bekommen, was ihn stutzig werden ließ. Wer weiß, vielleicht liegt sie ja mittlerweile irgendwo verscharrt in einem Abflusskanal. Nur um Sicherzugehen, dass sie keine Gefahr mehr für ihn darstellt sucht er gezielt die Gegenden ab, in denen sie sich das letzte Mal herumtrieb. Er springt von Schatten zu Schatten und sieht sich prüfend um, doch von der Blondine oder dem Schattenpanther ist keine Spur zu sehen. Verwundert hebt er die Brauen und beschleunigt sein Tempo. Selbst wenn sie die Stadt hätte verlassen wollen, wäre sie noch lange nicht über die Stadtgrenzen gekommen.
Nachdenklich hält er inne und läuft mit gesenktem Blick die Straße entlang. Immer wieder weicht er einigen vorbeiziehenden Bürgern aus, bis er mit jemandem zusammenprallt. Ächzend reibt sich die Braunhaarige den Kopf und sieht ausdruckslos auf. Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen.
„Pass doch auf wo du hinläufst", murrt Midan und möchte bereits weitergehen, als er plötzlich grob am Arm gepackt wird. „Bitte verzeiht meine Unachtsamkeit..werter Herr. Ich hoffe doch sehr, dass ihr meine Entschuldigung annehmt", erklingt die seidig schneidende Stimme der Magierin, deren Blick beinahe in Flammen steht. Ihr Griff ist fest, doch nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die seinen Arm durchziehen. Schmerzverzehrt zischt er auf und entreißt ihr sein Handgelenk.
„Natürlich..junge Dame..", presst er angestrengt hervor und bleibt mit seinem Blick an der schwarzgrünen Uniform hängen. Magier des schwarzen Rings, schießt es ihm durch den Kopf, woraufhin er unauffällig die Augen weitet.
„Lass uns weitergehen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns", mischt sich nun ein weiterer Magier des Ordens ein und führt das Mädchen behutsam weiter. Währenddessen starrt ihm ein Blondschopf wütend entgegen, ehe auch er sich seinen Kameraden anschließt. Verwirrt bleibt Midan zurück und schüttelt den Kopf. Was bei allen Dünen machen denn Magier des schwarzen Rings hier?

Blind FireWhere stories live. Discover now