- Kapitel 120 -

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Während Alastairs Trupp noch enger zusammenrückt und die Zeit gemeinsam genießt ereignet sich unweit des Speisesaals ebenfalls eine interessante Konversation.
Der blonde Zeitmagier Chronus hat sich in den Wintergarten zurückgezogen und staunt nicht schlecht, als er seinen Truppführer General Sorin in Gedanken versunken vorfindet. Der von Pflanzen dekorativ eingerichtete Bereich ist in Dunkelheit gehüllt. Lediglich der Mond wirft sein Licht durch die breite Glasfront. Einen Moment starrt er auf den Rücken seines Truppführers, als er stumm auf dem Absatz kehrt macht. Er möchte ihm die Ruhe gönnen, die er hier an diesem Ort sucht.
„Chronus, geselle dich doch zu mir", erklingt die sanfte Stimme General Sorins und lässt den Blondschopf inne halten. Er schließt die Augen und atmet einmal tief ein und aus, ehe er Sorins Bitte nachkommt.
„General Sorin, bitte verzeiht die Störung. Ich hatte nicht erwartet um diese Zeit noch jemanden hier im Wintergarten vorzufinden", erklärt Chronus und verbeugt sich dabei dezent. Sorin hingegen winkt ab und hebt einen seiner Mundwinkel.
„Du brauchst dich nicht rechtfertigen. Jedem hier ist es gestattet diesen wunderschönen Anblick zu jeder Tages – und Nachtzeit zu bewundern. Es ist unsagbar beruhigend in die Ferne zu sehen und den prachtvollen Sternenhimmel dabei über sich zu haben", entgegnet Sorin und legt den Kopf in den Nacken, ehe er die Augen schließt.
„Gibt es denn etwas, dass euch beunruhigt?", tastet Chronus sich behutsam vor, während der langhaarige Magier ihm einen undefinierbaren Blick von der Seite zuwirft.
„Genauso wie ich verfügst auch du über die Gabe die Zeit zu beherrschen. Ich denke dir ist mehr als bewusst, was mich beunruhigt", kontert er leise lachend und verstummt im nächsten Moment erneut. Chronus hingegen seufzt ergeben und lässt sich auf dem Platz am Tisch neben Sorin nieder. Mit betrübtem Ausdruck starrt auch er den Sternen entgegen.
„Ja..dessen bin ich mir tatsächlich bewusst", murmelt er, woraufhin Sorin ihm einen provokanten Blick schenkt.
„Du versuchst Ember darauf vorzubereiten, nicht wahr?", fragt er und nippt an seiner Teetasse, aus welcher herrlicher Lavendelduft strömt.
„Sie ist stark, das steht außer Frage. Doch für das, was noch kommt ist sie einfach noch nicht bereit", knirscht Chronus und ballt unmerklich seine Hand zur Faust. „Wieso weiht ihr sie nicht ein? Ember ist überaus intelligent und hat gute Kameraden um sich. Sie würde euch mit Sicherheit verstehen", fügt er fragend hinzu und sieht ihm ratlos entgegen.
„Denkst du wirklich sie würde sich genügend Zeit nehmen? Mittlerweile kannst du sie recht gut einschätzen, weshalb dir selbst klar sein sollte, dass sie die Dinge überstürzen würde. Es mag sein, dass sie eine meisterhafte Strategin ist, doch sobald es um General Kalen geht kann sie einfach nicht rational bleiben. Ich habe gesehen wie schwer es ihr während des Duells gefallen ist", erklärt Sorin ausdruckslos und fixiert dabei einen Punkt in der Ferne vor ihnen.

Chronus hingegen hebt die Brauen, als ihn die Erkenntnis trifft. Seufzend lehnt er sich gegen die Stuhllehne und senkt den Blick. Für einen Moment herrscht Stille zwischen den beiden Männern, ehe Sorin sie durchbricht.
„Es war eine gute Idee ihr zu sagen, sie müsse stärker werden um in wichtige Entscheidungen miteinbezogen zu werden. Du hast ihre Motivation gesteigert ohne Sorgen hervorzurufen oder Druck zu erzeugen", schneidet er das Thema an, woraufhin Chronus peinlich berührt zur Seite sieht. Lob von seinem großen Vorbild zu erhalten hinterlässt eine Gänsehaut auf seinem Körper. „Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es am besten anstellten sollte, doch dank dir ist das nicht länger von Nöten", fügt Sorin lächelnd hinzu und nippt erneut an seiner Tasse. „Du lobpreist Embers Intelligenz stets in den Himmel, wobei du doch ebenso viel Cleverness besitzt", lacht der Langhaarige leise auf und stellt die Tasse wieder auf den Tisch, während Chronus die Augen weitet und den Kopf schüttelt.
„Ember ist jünger als ich und bereits so strategisch begabt. Vor sechs Jahren, als ich noch zwanzig gewesen bin, hätte ich vermutlich vieles nicht so galant gelöst, wie sie es tut. Sie verfügt über enorme Kraft, prahlt jedoch nicht mit ihr. Ihr Kampfstil ist bemerkenswert und zeugt von jahrelangem und hartem Training. Sie wirkt unnahbar, distanziert und auch ein wenig zwielichtig, was ich zum Teil auch so von ihr erwartet habe. Während des Duells agierte sie oft in moralischen Grauzonen. Es wirkte beinahe rücksichtslos auf mich, doch als ich sie dann allerdings nach dem Trainingskampf mit Kilan reden hörte wurde mir eindeutig klar, dass sie ihr Herz am rechten Fleck hat", erklärt Chronus geistesabwesend, während Sorin interessiert eine Braue hebt.
„Warst du nicht überrascht, als du sie nun plötzlich so emotional erlebt hast?", möchte der silberhaarige Magier wissen und stützt mit halb geöffneten Augen seinen Kopf auf seiner Hand ab.
„Selbstverständlich, und ich habe es definitiv nicht so erwartet. Doch mir ist klar geworden, dass ich eine entscheidende Sache außer Acht gelassen habe", beginnt der Duttträger zu erläutern, während Sorins Blick sich weiter intensiviert.
„Ach ja? Und die wäre?", hakt er nach, auch wenn er die Antwort bereits kennt.
„Ihre Gefühle, die sie für General Kalen hegt. Das ist auch der Grund, weshalb sie sich so irrational verhält wenn es um ihn geht", führt er seine Erklärung aus, was Sorin ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
„Und auch wenn du dir über ihre Gefühle im Klaren bist, ignorierst du deine eigenen um ihr dabei zu helfen den Mann zu retten, dem ihr Herz gehört?", wirft er plötzlich die Gegenfrage in den Raum, weshalb Chronus augenblicklich errötet und schockiert in Sorins Gesicht starrt. „Ich-Ich bin nicht..ich meine ich habe nicht-", stammelt er unsicher, ehe er sich einen Moment sammelt.
„Mag sein, dass ich ein gewisses Interesse an ihr habe, doch mir ist durchaus bewusst, dass dies stets einseitig bleiben wird. Ich sehe wie unglücklich sie ist. Wie sehr sie unter der Situation leidet. Selbst wenn sie am Ende ihre Arme um einen anderen schließt, möchte ich sie glücklich sehen. Ihre Augen sollen genauso strahlen, wie am Tag ihrer Siegerehrung. Deshalb und weil ich weiß, was auf sie wartet, helfe ich ihr. Ich könnte es mir nicht verzeihen wenn ihr etwas zustößt nur weil ich zu egoistisch gewesen bin", entgegnet Chronus ehrlich und hat den Blick dabei stets zu Boden gerichtet. Sorin hingegen schließt zufrieden die Augen und lehnt sich erneut nach hinten.
„Darum bitte ich euch nun darum ihren Gefühlsausbruch zu verzeihen. Die Auseinandersetzung mit euch lastet schwer auf ihr..doch ich bin mir sicher, dass sie Gesagtes bereut", fügt Chronus hinzu und sieht Sorin eindringlich entgegen. Dieser lässt seine Gedanken darüber verschlossen.

Anders, als Chronus vermutet, hegt dieser nämlich keinen Groll gegen die junge Magierin. Ganz im Gegenteil. Seit diesem Streit mit ihr fühlt er sich schuldig. Auch er hat seine Entscheidungen hinterfragt und mit dem Gedanken gespielt Ember in alles einzuweihen. Letztlich hat er sich allerdings dagegen entschieden. Ihre Sicherheit und ihre Trainingsfortschritte sind wichtiger und entscheidender, als seine fast schon väterlichen Gefühle ihr gegenüber. Selbst wenn sie lediglich dreizehn Jahre voneinander trennen, empfindet er so. Generälen des schwarzen Rings ist es nicht untersagt eine Familie zu gründen, doch Sorin sagte diesem Traum bereits vor langer Zeit ab. Sein Leben ist viel zu gefährlich, als dass er es seinen Liebsten zumuten könnte. Doch wenn er je das Glück gehabt hätte, eine Tochter zu haben, würde er sich wünschen, dass sie zu einer genauso starken und ehrbaren Magierin herangewachsen wäre wie Ember.
„Ich habe wahrlich gute Männer in meinen Reihen", meint er und lässt seinen Blick zur Seite gleiten. Chronus ist tatsächlich nicht der Einzige, der sich in die hübsche Brünette verguckt hat. Sorin sind bereits einige Magier ins Auge gesprungen, die ganz offensichtlich eine Schwäche für sie zu haben scheinen. Sowie sein Stellvertreter sind mit Sicherheit auch diese Magier zum gleichen Schluss gekommen. Genauso wie er haben auch sie sich dafür entschieden, ihr helfend zur Seite zu stehen, selbst wenn das bedeutet, sie früher oder später einem anderen zu überlassen. Es beruhigt ihn zu sehen, dass Ember so starke und fähige verbündete in der Zukunft an ihrer Seite hat. Er ist überzeugt davon, dass die nächste Generation an Magiern, die den schwarzen Ring eines Tages leiten werden, Großartiges vollbringen können und sich jeder Herausforderung glorreich entgegenstellen werden.

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