- Kapitel 3 -

3.5K 249 27
                                    

„Mir ist völlig egal, was Vater sagte. Ich werde dich sicherlich nicht teleportieren. Du willst am Duell teilnehmen? Schön, dann sieh zu wie du selbst nach Adrastos kommst", stellt Eliana klar nachdem wir uns von Vater und dem versammelten Dienstpersonal verabschiedet haben. Wir sind bereits einige Meter durch den dicht bepflanzten Wald gelaufen und folgen dem Trampelpfad, der zu einem Teleportationsportal führt. Von hier bis zur königlichen Hauptstadt ist es zu weit, um sich durch eigene Kraft zu teleportieren deshalb nutzen wir für weitere Distanzen diese Portale.

„Wie du meinst", entgegne ich abweisend und zucke desinteressiert mit den Schultern. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie sie mich skeptisch beäugt. Sie scheint noch immer nicht hinter mein Geheimnis gekommen zu sein, da sie noch immer diesen fragenden Ausdruck auf dem Gesicht trägt. Es ist beinahe so, als könnte ich ihre Gedanken anhand ihres Gesichts ablesen.

Wie um alles in der Welt kann sie mit mir Schritt halten? Wieso stolpert sie nicht? Wieso läuft sie gegen keinen der Baumstämme?

All das wird ihr gerade womöglich im Kopf umhergehen während wir still schweigend nebeneinander herlaufen.
„Ich werde dich auch nicht beschützen wenn wir dort sind, dass das klar ist. Schlimm genug, dass wir den gleichen Nachnamen tragen..ich hoffe nur General Veros verwechselt mich nicht mit dir", nörgelt sie woraufhin ich lachend die Augen schließe und den Kopf in den Nacken fallen lasse.
„General Henry Veros? Dir ist schon bewusst, dass er unsere Artefaktzeremonie abgehalten hat und uns beiden gegenüber saß? Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch abgesehen davon eine Verwechslung zwischen uns ohnehin unmöglich ist", weise ich sie dezent auf die Tatsache hin, die sie scheinbar durch ihre verzerrte Traumblase, in der sie sich befindet, vergessen hat.
„Natürlich bin ich mir dessen bewusst! General Veros war schließlich schwer beeindruckt, als er mein Artefakt zum ersten Mal materialisiert vor sich liegen sah. Allein deshalb schon solltest du dir, was ihn betrifft, keine Hoffnungen machen. Mit deiner dümmlich aussehenden Brille bist du ihm vielleicht als größter Schwächling aller Zeiten in Erinnerung geblieben, mehr aber auch nicht", blafft sie woraufhin ich die Augen verdrehe.
„Weil du ja bessere Chancen hast, als ich", spotte ich schmunzelnd und ernte ein Nicken ihrerseits.
„Also, bevor er sich für dich entscheidet wird er mich auswählen, das liegt ja wohl auf der Hand", plappert sie weiter während ich spüre, wie sich die Energieströme der Umgebung verändern. Sie scheinen sich immer weiter zu verdichten, was bedeutet, dass wir uns dem Portal nähern.
„Wenn du fertig mit deinen Lobpreisungen an dich selbst bist, würde ich gern den Anfang machen. Auf diese Weise kommen wir nicht zusammen an und ich bin bereits weg bevor du die andere Seite des Portals erreichst. Was hältst du davon?", unterbreche ich ihre Lobeshymnen und ernte einen verwirrten Ausdruck ihrerseits.
„Pfft, du willst den Anfang machen? Du kannst dich doch nicht einmal über ein Portal teleportieren. Es ist ein Wunder, dass du es vom Garten ins Haus schaffst..aber bitte, ich lasse dir sogar ausnahmsweise den Vortritt, da sich dein Vorschlag gut angehört hat und ich ohnehin weiß, dass das nichts wird", lacht sie und führt mit ihrer Hand eine ausladende Geste vor.

Augenverdrehend lasse ich sie stehen und stelle mich in die Mitte des Portals ehe ich mit geschlossenen Augen leise beginne, die Worte des Zauberspruchs zu sprechen. Mein imaginäres Zauberspruchbuch erscheint mir aufgeschlagen vor meinem inneren Auge während ich die Zauberformel weiter ablese. Nachdem ich auch den letzten Teil ausgesprochen habe umschwirrt mich ein bläulich schimmernder Nebel, welcher typisch für Portalteleportationen ist. Mit einem Mal finde ich mich in der belebten Hauptstadt wieder und stehe mitten auf der Portalplattform der anderen Seite. Hastig trete ich ein paar Schritte nach vorn, um Eliana Platz zu machen und denke überhaupt nicht daran auf sie zu warten. Schließlich war abgemacht, dass sich unsere Wege hier in Adrastos trennen.

Die Wucht der Stadt schlägt mir entgegen und lässt meine Sinneseindrücke verrücktspielen. Die Schwingungen hier übersteigen alles bisher Gewohnte und auch die Geräusche sind allesübermannend.
Wie ironisch, nicht wahr?
All meine Sinne versagen oder spielen verrückt, alle bis auf einen.
Meine Augen funktionieren hervorragend und ermöglichen es mir mich unbeschadet durch das Gedrängel zu manövrieren. Ich suche einen Weg, der in eine weniger überfüllte Straße führt und atme erleichtert auf, als ich etwas abseits des Getümmels in einer Nische stehen bleibe. Das der Mittelpunkt des Königreichs kein Vergleich zu unserer beschaulichen Stadt im östlichen Teil des Reiches ist war mir bewusst, doch dass sie einem so viel abverlangt hatte ich nicht erwartet. Allein die Gebäude sind viel prunkvoller und größer erbaut. Etliche Verzierungen sind auf den Tür- und Fensterrahmen zu sehen während auf einigen Fensterbrettern ein wahres Meer an Blumen steht. Die Straßen sind so gut gepflegt, dass sie frisch gepflastert aussehen. Selbst die Bewohner präsentieren sich in ihren besten Roben. Anders als bei uns zu Hause sieht man hier allerdings Menschen der niederen Bevölkerungsschicht Seite an Seite mit den Adeligen durch die Straßen streifen. Es scheint völlig legitim zu sein, dass Adelige und niedere Gesellschaftsränge dieselben Straßen nutzen. Nun, bei solch einer großen Stadt mit dieser Menge an Bewohnern wird es wohl auch keine andere Möglichkeit, als diese geben.

Leider haben sich meine Sinne noch immer nicht beruhigt und erschweren es mir den richtigen Weg herauszulesen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich damit Erfolg hätte, selbst wenn ich sie anwenden könnte. Es sind einfach viel zu viele Menschen in dieser Stadt. Es dürfte nahezu unmöglich sein die Hauptstelle des schwarzen Rings allein auf diese Art und Weise aufzuspüren.

Dank Meister Tarik erlernte ich die Fähigkeit auch ohne meine Augen zu sehen. Noch lange bevor ich Agira verliehen bekam studierte ich diese besondere Technik ein. Sie basiert auf den Schwingungen und Impulsen der Umgebung. Es ist möglich einige dieser unsichtbaren Wellen zu spüren während sie sich ihren Weg durch den Untergrund bahnen. Meister Tarik erklärte mir damals, dass es vergleichbar mit dem Sehsinn von Fledermäusen ist. Auch sie nutzen die Impulse und Schwingungen in Form von Schallwellen, die ihnen präzise genau sagen können, wo sich ein Hindernis befindet und wie es in etwa aussieht. Wirklich viel erkennen kann man auf die Art und Weise natürlich nicht. Alles was man sieht sind undefinierbare Objekte, die bei Bewegung gewisse Wellen von sich geben. Wenn es sich um lebende Wesen handelt ist sogar das Herz zu sehen. Der schlagende Puls löst dabei Schwingungen aus, die als seltsam unförmiger Punkt auf Brusthöhe des Objektes zu erkennen sind. Nun, es dient wahrlich nicht der Ästhetik, doch es erfüllt den Zweck nicht in alles und jeden hineinzulaufen. Im Normalfall ist es durch anwenden dieser Technik nicht sonderlich schwer größere Menschenansammlungen aufzuspüren, doch in einer Stadt, die aus einer einzigen Menschenmasse besteht gestaltet sich das doch schwieriger als gedacht.

Seufzend schüttle ich den Kopf und sehe mich prüfend um. Ich werde wohl jemanden nach dem Weg fragen müssen.
Ob Eliana auch solche Probleme hat?
Vermutlich nicht.
Sie wird wahrscheinlich bereits einer ihrer schnöselhaften Freundinnen in die Arme gelaufen sein und sich bequem von einem der Bediensteten zur Hauptstelle kutschieren lassen.

Manche sind eben mit dem silbernen Löffel im Hintern geboren und andere müssen ihn sich erst einmal verdienen.

Blind FireWhere stories live. Discover now