- Kapitel 9 -

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Mit einem lauten Knall verflüchtigt sich die Barriere, die dafür sorgte, dass keiner frühzeitig das Wettbewerbsareal betritt. Plötzlich ist es für einen kurzen Augenblick totenstill.
Die Ersten werfen mit Zaubersprüchen um sich, sprinten blindlings nach vorn, schwingen sich in die Lüfte oder vergraben sich in den Erdboden. Nach und nach kommen auch die restlichen Teilnehmer in die Gänge und tun es den Vorreitern gleich. Viele nutzen Teleportationsmagie, um sich von Telepunkt zu Telepunkt zu befördern, werden allerdings in der nächsten Sekunde von anderen Magiern festgewurzelt, durch die Luft gewirbelt oder der magischen Energie beraubt.
Es ist ein atemberaubendes Spektakel, was absolut surreal wirkt. Es ist fast so, wie ein abstraktes Gemälde. Man kann nicht wegsehen, doch gleichzeitig möchte man auch nicht wirklich hinsehen.

„Tja, das heißt dann wohl Schluss mit der freundlichen Plauderei", meldet sich Arryn schelmisch grinsend zu Wort und führt mit seiner Hand eine schneidende Bewegung aus. Noch bevor Kairyan und ich reagieren können, finden wir uns gefangen in Eis wieder. Anders als bei Kairyan hat Arryn allerdings nur meine Füße festgefroren. Besagten Kerl neben mir hat es wesentlich schlimmer erwischt. Sein gesamter Körper ist von einem dicken Eisblock umhüllt. Lediglich seine Pupillen bewegen sich unkontrolliert und zeigen, wie wütend er gerade zu sein scheint. „Nimm's mir nicht übel Ember, aber so ist es am besten für dich. Wenn du bereits hier zurückbleibst wird dir zumindest nichts Schlimmeres passieren", ruft Arryn mir zu, während er bereits nach vorn sprintet. Ruhig und gelassen sehe ich der Szene vor mir weiter zu und warte, bis sich die Situation um mich herum etwas beruhigt hat.
Plötzlich ist lautstarkes Knacken zu vernehmen, gefolgt von unzähligen Eissplittern, die durch die Luft fliegen und unter anderem auch meinen Körper treffen. Ich lasse meinen Blick verwirrt zur Seite gleiten und sehe Kairyan, der sich wutentbrannt die Oberarme reibt.
„Arryn! Du verdammter riesen Affe! Du bist ein Eismagier?!", brüllt er woraufhin sich Arryn grinsend umdreht und seinen Vorsprung weiter ausbaut. Unbeeindruckt folge ich dem Geschehen und warte neugierig ab, was als nächstes geschehen wird. „Ich glaub's einfach nicht, glaubst du das? Hat er mich doch tatsächlich in einen riesen Eiswürfel verwandelt", zetert er wütend und mit zitternder Stimme. Grinsend hebe ich einen meiner Mundwinkel und recke neckisch meinen Kopf.
„Ach, hat er das? Und wie hast du dich daraus befreit?", hake ich nach, da ich leider nur eine vage Vermutung habe.
„Ich beherrsche die Magie des Glases", erklärt er fies grinsend und sieht mir stolz entgegen. „Und da Eis und Glas ähnliche Eigenschaften besitzen war es nicht sonderlich schwer seinen Angriff zu umgehen. Beides bricht bei zu hohem Druck", erläutert er triumphierend und klopft sich die übrig gebliebenen Eisstücke von der Kleidung. Seine Dunkelblaue Weste hat an einigen Stellen noch dunklere Flecken bekommen, da das Eis wohl doch schon zu schmelzen begonnen hatte ehe er sich befreien konnte. Erstaunt hebe ich die Brauen, da ich nicht damit rechnete, dass Kairyan tatsächlich ein Glasmagier sein würde. Ich hatte eher auf die Klasse des Wassers getippt.
Mein Wissen über Glasmagier ist recht spärlich, da ich leider noch nie einem über den Weg gelaufen bin, doch Meister Tarik erzählte mir, dass man sie keinesfalls unterschätzen sollte. Ihre Klasse der Magie ist verhältnismäßig selten, weshalb man auch nicht viel über ihre Stärken und Schwächen weiß. Anders als erwartet sollte ich Kairyan also doch lieber ein wenig im Auge behalten.

„Tut mir echt leid, aber diesmal schließe ich mich dem riesen Affen an. Wenn du hierbleibst wird dir nichts Schlimmeres geschehen", meint er entschuldigend lächelnd und schnippt mit den Fingern. Plötzlich spüre ich, wie mich eine dicke Membran aus Glas umgibt. Ich sehe aus, wie ein Goldfisch im Glas, festgefroren am Boden und zur Schau gestellt. Wenn nicht ich es wäre, die in dieser Situation stecken würde hätte ich vermutlich darüber lachen können. „Du wolltest ja keine Gruppe mit mir bilden", meint er schulterzuckend und entfernt sich bereits ein paar Schritte von mir. „Wir sehen uns dann nachdem ich das Duell gewonnen habe, Emberlein", fügt er hinzu ehe er sich komplett umdreht und Arryn nachrennt. Schmunzelnd schaue ich ihm nach und beobachte ihn dabei, wie er in Lichtgeschwindigkeit zu Arryn aufschließt und auch ihn in einem Kasten aus Glas einsperrt.

Ich lache leise auf und sehe mich derweil um. Neben, sowie vor mir liegen einige Magier reglos auf dem Boden oder sind kurz davor das Bewusstsein zu verlieren. Sie wurden entweder einfach überrannt oder bereits zu Anfang ausgeschaltet. Wie pathetisch schon zu Beginn so zu enden, denke ich mir und schüttle den Kopf. Mittlerweile hat sich der aktive Kampfbereich um ein ganzes Stück nach vorn verlagert, weshalb ich es für sicher genug halte meine Magie anzuwenden.

Meine Magie..sie war schon immer mein wohlbehütetstes Geheimnis. Seit der Artefaktverleihung weiß ich zu welcher Klasse Magier ich zähle. Weder meine Eltern noch meine Schwester wissen Bescheid. Sie gehen davon aus, dass ich zur selben Klasse gehöre, wie Eliana und ich dieselben Kräfte besitze, wie Vater. Ich bin allerdings alles andere als eine Energiemagierin. Meister Tarik ist der Einzige, der die Wahrheit kennt. Er war es auch, der meinte, dass meine Kraft meine größte Waffe sein würde. Er bläute mir ein, wie wichtig es sein wird meine wahre Magie so lange wie möglich geheim zu halten, denn sobald herauskommen würde zu welcher Klasse Magier ich zähle würden sich alle gnadenlos auf mich stürzen. Ich habe nicht vor seine Theorie zu testen, weshalb ich seinem Ratschlag folge und wie abgemacht im Hintergrund bleibe. Zumindest vorerst.

Mit einem einfachen Zauber, der noch nicht einmal eines wirklichen Zauberspruches bedarf bringe ich die Eisklumpen an meinen Füßen zum Schmelzen. Kleine rote Flamen sind zu sehen ehe sie auch schon wieder verschwunden sind. Als nächstes muss ich mich um den Glaskasten kümmern, den Kairyan so liebevoll für mich konstruierte. Glas und Eis haben noch eine weitere Gemeinsamkeit, die er wohl nicht bedacht hat. Beides schmilzt bei hohen Temperaturen.

Grinsend strecke ich meinen Zeige- und Mittelfinger aus während ich die restlichen Finger einklappe und meine Hand an meine Lippen führe. Ich flüstere die Worte des notwendigen Zauberspruchs und bringe meine Fingernägel somit auf Temperatur.

Clavus erat arida"

Mit glühenden Fingerspitzen zeichne ich einen Kreis auf die Glasoberfläche, der groß genug ist, um hindurch zu schlüpfen. Zufrieden puste ich auf meine Finger, um sie ein wenig abzukühlen und balle im nächsten Moment meine Hand zur Faust und hole aus. Anders als erwartet zerbricht der Kasten allerdings komplett, anstatt, dass nur die kreisrunde Fläche herausbricht. Die Scherben prasseln auf mich herab und ich halte mir schützend den Arm über die Augen.
Frei von jeglichen Hürden beginne nun auch ich nach vorn zu sprinten und halte dabei Ausschau nach möglichen Angreifern. Mittlerweile hat sich der Untergrund stark verändert. Die Erdmagier haben ganze Arbeit geleistet. Überall liegen Erdbrocken herum mit der Größe eines Felsens. Immer wieder umgehe ich riesige Erdlöcher, die aus dem Boden klaffen. Hier und da sehe ich kleine Pfützen oder dunkle Brandflecken eines Blitzeinschlags. Die Wassermagier sowie auch die Energiemagier mischen wohl ordentlich mit, denke ich mir während ich die anderen allmählich einhole.

Als ich dem Schlusslicht der Gruppe näher komme verstecke ich mich zunächst hinter einem der riesigen Erdbrocken, um die Umgebung zu analysieren. Es herrscht viel Bewegung hinter, sowie auch vor mir. Ich vernehme etliche Schwingungen enormen Ausmaßes. Einige Erdmagier tummeln sich im Untergrund und graben sich systematisch nach vorn, während die anderen sich auf der Oberfläche gegenseitig auszustechen versuchen und nur mühsam vorankommen. Wenn ich mich mitten ins Getümmel stürze wird es mir wohl ähnlich ergehen. Das hat keinen Sinn. Mit meiner Magie kann ich nur das Feuer beherrschen, was mir momentan nicht viel bringt, um vorwärts zu kommen. Die beste Strategie wird es wohl sein von Felsbrocken zu Felsbrocken zu rennen. So entgehe ich dem Gerangel in der Mitte des Erdstreifens und komme weitestgehend ungesehen vorwärts. Dank Meister Tariks hartem Training wird mangelnde Kondition sicherlich nicht der Grund meines Versagens sein.

Ich sehe mich nochmals prüfend um und habe dabei auch den Himmel im Blick, da nicht alle Luftmagier in Gruppen unterwegs sind und es sein könnte, dass sich einzelne noch hier hinten aufhalten. Die Wolken am Himmel haben deutlich abgenommen, was mir einen klareren Blick beschert. Die Luft scheint rein zu sein, weshalb ich beschließe meinen Plan in die Tat umzusetzen.

Blind FireWhere stories live. Discover now