- Kapitel 132 -

1.2K 126 4
                                    

Eliana POV

Verdammt! Nein..nein, das kann nicht sein, das darf nicht sein, überschlagen sich ihre Gedanken, als sie ratlos durch die Straßen rennt und vergeblich versucht den jungen Mann irgendwo zu entdecken. Der Schattenpanther neben ihr sieht sie mit fragendem Blick von unten herab an, doch das registriert sie nicht einmal. Zu fokussiert ist ihr Blick auf die Straßen.
Wo ist er hin? Wo versteckt er sich? Wieso ist er überhaupt davongelaufen? Ich bin recht leger gekleidet und habe mich noch nicht Mals vorgestellt. Mein Titel kann also nicht der Grund für seinen überstürzten Abgang sein, schießt es ihr durch den Kopf, während sie versucht ihre Gedanken zu sortieren.
Sie ballt ihre Hände zu Fäusten und knirscht genervt mit den Zähnen. Sie fragt sich inständig, wie Ember nur immer mit solchen Situationen umgehen kann. Es ist ihr ein Rätsel, wie ihre Schwester es nur immer wieder anstellt ihre Pläne zur Perfektion auszuführen. Seufzend schüttelt sie den Kopf. „Ich bin eben einfach nicht wie sie", murmelt sie und fasst sich mit zwei Fingern an die Stirn. Ihr Begleiter hingegen stupst sie mit seiner Schnauze an die Wade, was ihre Aufmerksamkeit auf ihn lenkt. „Wir müssen diesen Kerl finden. Immerhin wissen wir, dass er hier in Sefir ist. Wir haben eine Chance, wir dürfen nur nicht nachlassen", richtet sie ihre Worte an den schwarzen Panther, wobei sie sich hiermit eher selbst beruhigen wollte, als den Panther.
Während sie noch immer nach einem Weg sucht die Fährte des Mannes aufzuspüren begibt sich ihr Begleiter zum ersten Mal einige Meter von ihr weg. Seine Schnauze ist dicht über den Pflastersteinboden gerichtet und überfliegt den Untergrund. Seine grünen Augen färben sich violett, als er sich plötzlich aufrichtet. Verwirrt wirft sie dem Tier einen fragenden Blick zu, als sie sieht, wie er langsam eine andere Richtung einschlägt. Immer wieder blickt er sich um und wartet auf die Energiemagierin. „Was ist denn los? Geht es dir nicht gut? Wo willst du denn hin?", fragt sie irritiert und besorgt, während sie versucht mit ihm Schritt zu halten, da er sein Tempo nun beschleunigt. Er scheint zu wissen, dass sie ihm folgt, weshalb er keine Zeit verliert. „Hör mal wir haben keine Zeit dafür! Wir müssen diesen Kerl unbedingt finden! Bitte, es ist sehr wichtig", entkommt es ihr flehend, da sie ihr schlechtes Gewissen schon wieder überrennt. Sie fühlt sich hilflos und zum ersten Mal in ihrem Leben wünscht sie sich von ganzem Herzen Ember an ihrer Seite zu haben. Sie würde sicherlich wissen, was zu tun ist. Sie würde mit der Situation fertig werden, so wie sie es immer tat.
Was mache ich hier eigentlich?
Ich sollte einfach wieder umkehren und Ember um Hilfe bitten. Ich sollte mich bei ihr entschuldigen, sie um Vergebung bitten..übermannen sie ihre Selbstzweifel, ehe sie eisern den Kopf schüttelt. Nein, das geht nicht. Ich kann ihr nicht unter die Augen treten. Nicht nach all dem was geschehen ist..nicht nach all dem was ich ihr angetan habe. Nicht nach all dem, was ihr schmerzlich klargeworden ist.
Wie konnte ich all die Zeit über nur so ignorant sein?
Wie habe ich das nur aus meinem Kopf verbannen können? Ich habe keine andere Wahl..ich muss Setto zurückholen und kann nur darauf hoffen, dass Ember mir verzeihen wird. Nein, selbst wenn nicht..selbst wenn sie mir nicht verzeihen kann muss ich Setto zurückholen. Das ist alles, was ich tun kann, um meine Schandtaten wenigstens zu einem gewissen Teil wieder gut zu machen, denkt sie und spornt sich weiter an.

Ihr Begleiter hingegen jagt mittlerweile regelrecht durch die Seitenstraßen und springt mit Leichtigkeit über die Hindernisse, die auf seinem Weg liegen. Eliana schiebt ihre Brauen zusammen und verengt ihre Augen. Das hier ist ein Kinderspiel im Vergleich zum Duell der magischen Künste. Gekonnt schlägt sie einen Salto nach dem anderen und sprintet teilweise horizontal die Hauswände entlang. Sie lässt sich nicht abhängen und bleibt weiterhin beharrlich auf des Panthers Fersen. Sie kann nicht zulassen, dass ein Wesen, welches nur strahlenden Sonnenschein und sengende Hitze gewohnt ist hier in der klirrenden Kälte umherstreunt. Sie kann ihn nicht sterben lassen. Dafür hatte sie ihn zu lieb gewonnen. Plötzlich kommt das Tier zum Stehen und sieht sich suchend um. Seine Schnauze schwebt erneut dicht über den Untergrund, ehe er seinen Kopf hebt. Erleichtert kommt Eliana zum Stehen und fällt ihrem Begleiter um den Hals. „Mach so etwas nie wieder! Du kannst nicht einfach davon rennen! Ich weiß nicht, was ich getan hätte wenn ich dich aus den Augen verloren hätte", tadelt sie und umfasst die weichen Wangen des Panthers, wie die eines Kindes. Die violette Färbung seiner Augen hat sich um ein Vielfaches intensiviert, was sie nachdenklich den Kopf neigen lässt. Das Tier befreit sich sachte aus ihrem Griff und wandert unruhig auf und ab. Immer wieder sieht er der Energiemagierin entgegen, ehe er hinauf zu den Hausdächern starrt. Eliana braucht eine Weile, bis sie auf die Idee kommt seinem Blick zu folgen und kommt nicht umher ihren Mund weit zu öffnen, als sie den flüchtigen Mann hinter einem breiten Balken entdeckt. Er späht versteckt auf die Straße und hat sie dabei im Blick. Als er bemerkt, dass er aufgeflogen ist springt er mit einem Satz aus dem Schatten und schwingt sich gekonnt auf das Hausdach, ehe er bereits davoneilt. Eliana beißt ihre Zähen zusammen und zügelt ihre aufsteigende Wut. „Nein, ich darf die Kontrolle nicht verlieren. Ich muss mich zusammenreißen", ermahnt sie sich selbst und sprintet die Straße entlang, während der Panther ihr folgt. Er nutzt einige umherstehende Fässer als Aufgang und lässt sich elegant auf eines der Hausdächer gleiten. Erstaunt verfolgt die junge Magierin die Szenerie und kann sich ein anerkennendes Grinsen nicht verkneifen. „Schnapp ihn dir!", brüllt sie in die Lüfte und tut ihr Bestes Schritt zu halten. Wenn der Panther ihn von oben verfolgt und sie ihm von der Straße aus auflauert wird er irgendwann keine Fluchtmöglichkeiten mehr haben. Soweit ihr Plan, jetzt muss er nur noch aufgehen. „Bitte..nur dieses eine Mal..lass auch meine Pläne funktionieren", presst sie ein Stoßgebet in den Himmel hinauf und beschleunigt ihr Tempo weiter.

Die Straße teilt sich nur wenige Meter vor ihr, was sie dazu zwingt den Blick zu heben. Ihre Augen weiten sich, als sie den Kerl direkt neben ihr auf den Dächern der Häusern rennen sieht. Seine Kapuze ist ihm vom Kopf gerutscht, während er versucht den Panther abzuhängen. Sie wirft einen erneuten Blick nach vorn und grinst siegessicher, da sich keine Dächer mehr in Reichweite befinden, was ihn dazu zwingen wird wieder auf den Boden zu springen. „Bitte, hört mich doch wenigstens an! Ich möchte nur mit euch sprechen! Ich habe nicht vor euch zu verletzen!", ruft sie ihm entgegen, weshalb er ihr einen Blick von der Seite zuwirft. Eliana könnte schwören, dass sich ein schelmisches Grinsen auf seinen Lippen bildet, als er sein Tempo noch weiter beschleunigt. Wütend beißt sie die Zähne aufeinander, während ihre Stirnader zu pochen beginnt.
Wie kann er es wagen? Wie kann er es wagen sie zu ignorieren!
Als das Ende der Dächer immer näher rückt und der Flüchtige sein Tempo nach wie vor nicht verringert reißt sie schockiert die Augen auf. „Er wird doch nicht..", haucht sie fassungslos, ehe sie den Kopf schüttelt und sich entlang der Hauswände ebenfalls auf die Dächer schwingt. Er wird springen..Er wird über die Hauptstraße springen und auf den Dächern der anderen Seite landen, schießt es ihr durch den Kopf, weshalb sie ihr letztes bisschen Kraft in ihre Beinmuskulatur steuert. Sie muss ihn einfach erwischen, sie muss einfach. Sie selbst hat nicht die Kraft, um den Sprung heil zu überstehen, weshalb sie ihn zu fassen bekommen muss bevor es zu spät ist.
Nur noch wenige Meter trennen die beiden, während auch der Schattenpanther sein Bestes gibt. Er ist dem Kerl noch um einige Fußlängen näher, als sie.
Plötzlich geht alles ganz schnell.
Ihre Gedanken verstummen und ihr Körper agiert von ganz allein. Ohne zu zögern verlassen ihre Füße den sicheren Grund der Dachziegel und befördern sie in hohem Bogen durch die Lüfte. Beinahe wahnhaft streckt sie ihre Hand aus und schlingt ihre Finger um den Umhang des Kerls, der ebenfalls hoch durch die Luft fliegt. Die Zeit ist wie verlangsamt. Der Umhang, der stechende Blick der violetten Pupillen des Magiers, die Narben auf seinem Gesicht, das seichte Grinsen auf seinen Lippen, als er merkt, dass Eliana nicht genügend Schwung aufbringen konnte. Der Panther, der ebenfalls hinter den beiden her hechtete. All das zieht innerhalb weniger Sekunden an Elianas Augen vorüber und doch kommt es ihr wie eine kleine Ewigkeit vor. Sie sieht die Hauswand vor ihr immer näher kommen, während der Kerl weit über ihr sicher auf dem Hausdach landet. Ihre Hand ist noch immer fest in seinen Umhang geklammert. Nichts auf dieser Welt würde sie dazu bringen loszulassen.
Absolut nichts.
Mit einem kräftigen Ruck zieht sie am Umhang, was zur Folge hat, dass dieser sich ruckartig löst. Die Schnalle des Stofffetzens klirrt lautstark, während der Flüchtige am Rande des Dachs taumelt. Der weiße Stoffsack über seinen Schultern gleitet ihm beinahe durch die Hände, doch er fängt sich hastig wieder. Mit sicherem Stand wendet er sich nach hinten und sieht Eliana mit erhobenen Brauen ins Gesicht. Lautlos fällt sie. Sie fällt immer tiefer und hat den Umhang dabei noch immer fest im Griff. Auch ihr Begleiter schafft es nicht gänzlich auf die andere Seite und krallt sich am Rande der Ziegel fest. Verzweifelt versucht er sich hochzuziehen, während Eliana dem Boden immer näher kommt. Ihr Blick ist durchdringend. Tosende Wut, Verzweiflung und Trauer spiegeln sich in ihm. Der Magier starrt ihr noch für wenige Sekunden entgegen und hadert mit sich. Kurz bevor er sich dazu entschließt ihr zur Hilfe zu eilen schwingt die Energiemagierin ihr Zepter. Sie zielt dabei auf den Untergrund und federt ihren Sturz mithilfe ihrer Magie ab. Sie entsendet eine Blitzkugel in die Lüfte und umschließt den Schattenpanther, ehe sie ihn sicher auf den Boden gleiten lässt. Wortlos starren die beiden Kontrahenten sich in die Augen. Mehrere Sekunden lang durchbohren sie sich mit ihren Blicken, ehe der Flüchtige die Beine in die Hand nimmt und davon eilt.
Ihr Begleiter schmiegt sich dankbar an ihr linkes Bein, während sie den Blick auf den Umhang richtet. Wütend krallt sie ihre Fingerspitzen in den Stoff und blickt erneut in die Höhe.
„Ich werde dich finden..warte es nur ab", murmelt sie verschwörerisch, während dichter Schneefall ihre Sicht benebelt.

Blind FireWhere stories live. Discover now