- Kapitel 122 -

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Die Herbstsonne zeigt sich von ihrer scheuen Seite. Dichte Wolken breiten sich über der Landschaft aus und es herrscht ein scharfer Wind. Der Nachmittag ist von Ernsthaftigkeit, aber auch von herzhaften Sticheleien geprägt. Die letzten Trainingskämpfe werden abgehalten und auch Embers letzter Kampf rückt immer näher. Momentan gehört das Trainingsareal noch Dewi und seinem Gegner, doch schon bald wird auch die braunhaarige Magierin ihre Fortschritte präsentieren können. Das klärende Gespräch mit General Sorin hat ihre Laune erheblich verbessert. Es gab ihr Motivation und neue Einsichten. Neue Ziele, denen sie sich ab sofort voll und ganz widmen möchte.

In der Zwischenzeit hebt sich die Stimmung auch in den königlichen Kerkern. Voller Stolz verfolgt er das Treiben vor sich, welches ihm sein tierischer Begleiter überliefert. Die pechschwarze Katze, Mei, die von goldenen Fasern überzogen ist, schnurrt zufrieden bei Alastairs Anblick. Es scheint sie sehr zu freuen, dass er sich prächtig amüsiert. Nebelkatzen, auch Dämonen der Nacht genannt, sind unsagbar missverstandene Tiere. Sie empfinden Freude und Zuneigung, anders, als die Gesellschaft vermutlich denkt. Ihre Erscheinung und ihr natürlicher Lebensraum schrecken viele ab. Sie sehen förmlich sagenhaft aus. Der goldene Schimmer, der es aussehen lässt, als wäre Mei von schwebenden Fäden umgeben. Die leuchtenden Augen, die einem nahezu in die Seele blicken. Da kann einem schon einmal ganz anders zumute werden. Auch Alastair empfand Skepsis zu Beginn, doch als er Mei damals fand, so schwach und ausgehungert, konnte er sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Es war eine regnerische Nacht gewesen. Er war gerade auf dem Rückweg, da ihm seine Gegner entwischt sind. Mürrisch zog er durch den Schwarzdornwald im Norden des Reiches. Er machte sich Gedanken darüber, wie er dies General Sekurion nur beibringen könnte, als ihn ein leises Geräusch aufhorchen ließ. Das schwache Miauen kam von der völlig durchnässten kleinen Katze. Suchend sah er sich nach der Mutter um, da Mei zu diesem Zeitpunkt gerade erst ein paar Wochen alt gewesen sein musste. Als er sie auch nach mehreren Minuten nicht entdecken konnte entschied er sich das Kätzchen mit sich zu nehmen. Er pflegte sie gesund und nahm sie schließlich bei sich auf. Seither streunt Mei nach Herzenslust durchs Quartier, verschwindet immer wieder für eine Weile und taucht schließlich wieder auf. Alastair hatte sich damit arrangiert und ihr jegliche Freiheiten gewährt. Er weiß, dass er sich auf Mei verlassen kann, wenn er sie braucht. Genauso wie jetzt im Moment. Mei ist seine einzige Verbindung zur Außenwelt, abgesehen von General Sorin, der ihn hin und wieder heimlich besucht.
„Genauso kenne ich meine Kleine! Zeig es ihm!", feuert er sie leise an und ballt glorreich seine Hand zur Faust, während Mei auf seinem Schoß sitzt und die Schattenprojektion des Geschehens ausstrahlt. Alastair muss gestehen, dass es ihm beinahe das Herz gebrochen hat Ember so zu sehen.
Die letzten Monate waren nicht leicht für sie, dessen ist er sich bewusst. Auch das er der Auslöser für das Alles gewesen ist, ist ihm schmerzlich bewusst. Viel zu oft verfluchte er seine Zelle. So oft wollte er ihr einfach entfliehen, in Embers Arme rennen und sie fest zu sich ziehen. Ihr sagen, dass alles gut werden würde. Ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen bräuchte, dass es ihm gut ginge. Das er unfassbar stolz auf sie sei. Auch wenn Mei ihm dazu die Möglichkeit bot, so wusste er, dass es falsch wäre. Nur ein unüberlegter Schritt und es wäre aus für ihn. Das weiß er nur zu gut.
Die Versuchung jedoch ist verlockend.
Mei kann sich dank ihrer speziellen Fähigkeiten von Ort zu Ort teleportieren, ohne dabei aufzufallen. Noch dazu ist es ihr möglich magische Barrieren zu umgehen, da die Kraft der Nebelkatzen stärker ist, als die der Magier. Doch er muss sich gedulden, genauso wie Ember. Er ist sich allerdings sicher, dass er hier irgendwie wieder herauskommen wird. Und das auch ohne Gesetze zu brechen. Auch wenn er dies für Ember tun würde.
„Wenn ich dich nie wieder sehen dürfte..dann würde ich..", murmelt er in Gedanken versunken. „Nein! So darf ich nicht denken. Ich werde dich wieder sehen. In Freiheit. Dann werde ich dir die Welt zu Füßen legen, du wirst sehen. Warte nur noch ein wenig länger", fügt er leise hinzu und verfolgt den Kampf zwischen Ember und Chronus weiterhin.
Während Alastair gebannt dem Kampf folgt hat Ember alle Hände voll zu tun Chronus in Schach zu halten. Es ist das erste Mal, dass sie gegen ihn antritt. Ihre Strategien gingen bisher gut auf, doch auch er konnte einige Treffer landen. Wenn sie richtig aufgepasst hat, sieht es nach einem Unentschieden aus. Wütend beißt sie die Zähne zusammen. „Nein, so darf es nicht enden", murmelt sie leise vor sich hin und sammelt ihre Kräfte am Rande des Areals.
Konzentriert geht sie die Fakten durch.
Feuer und Zeit haben absolut keine Verbindung zueinander. Die beiden Magierklassen haben nichts miteinander zu tun. Daher gibt es auch keine natürlichen Angriffe, die sie anwenden könnte. Einige ihrer neu erlernten Angriffsmanöver, die sie mit Salem zusammen ausgearbeitet hat, haben ihr bereits einige vorteilhafte Situationen eingebracht, doch zum Sieg führt sie das nicht, dessen ist sie sich selbst bewusst.
Innerhalb weniger Sekunden geht sie ihre Möglichkeiten durch und kommt zu dem Schluss, dass sie die von Chronus erlernte Technik einsetzen muss, um den Kampf zu ihren Gunsten zu wenden. Selbst wenn Chronus diese Methode besser beherrscht, als sie, so bringt es ihm einen wesentlich kleineren Vorteil, als ihr.
Es bleibt keine andere Möglichkeit.
Den Kampf noch weiter in die Länge zu ziehen erscheint ihr als unsinnig. Die beiden scheinen sich Kräftemäßig ebenbürtig zu sein, weshalb er ihr keine andere Wahl lässt.
Entschlossen blickt sie ihm entgegen und schließt daraufhin die Augen. Sie spürt, wie er eine große Menge an Magie ansammelt. Sie kann es sehen. Ein Gedanke durchstreift sie. Er wird die Zeit verlangsamen, so wie im Training. Er macht also wirklich ernst, denkt sie und beißt die Zähne erneut zusammen.
„Dieses Mal nicht", murmelt sie grinsend und konzentriert ihren Magiefluss. Dichter, immer dichter schmiegt sich ihre Kraft um ihren Körper und hüllt sie vollständig ein. Erst als sie vollständig von der hell lodernden Aura umhüllt ist öffnet sie erneut die Augen. Chronus sieht ihr wissend grinsend entgegen und sprintet auf sie zu. Er setzt darauf, dass sie die Technik noch nicht vollständig erlernt hat. Mögliche Lücken in der Membran zu finden ist sein Ziel. Sobald er diese ausfindig gemacht hätte, würde er zuschlagen. Ember hingegen sieht seine Schritte bereits voraus und verdichtet ihre Membran weiter. Auch sie prescht nach vorn und stellt sich dem Nahkampf.
„Es gibt auch Mittel und Wege sich zu verteidigen, ohne Magie einzusetzen", schwirren ihr Tariks Worte von damals im Kopf umher. Mit einem zufriedenen Lächeln schlägt sie Chronus eine Faust nach der Anderen um die Ohren. Wieder einmal stellt sie fest, dass Tarik recht behalten hat. Ein Tritt folgt. Anschließend ein weiterer Schlag. Immer und immer wieder holt sie aus und drängt ihn somit in die Ecke. Chronus sieht die Bedrohung und löst den Zauber auf, da es ihn zu viel Kraft kostet ihn aufrecht zu erhalten und mit Ember fertig zu werden. Daraufhin nimmt die Zeit wieder normale Geschwindigkeit an. Dies stört Ember jedoch nicht. Egal ob durch Magie beeinflusst oder nicht. Gegen ihre Kampfkunst kommt kein Zauber der Welt an, dessen ist sie sich sicher. Ein lautes Lachen entkommt ihr, während sie immer weiter auf den Blondschopf einprügelt. Die Membran, die mittlerweile überhaupt nicht mehr nötig ist, hält sie dennoch aufrecht. Mit Leichtigkeit schneiden ihre Handflächen durch die Luft und verursachen große Schäden bei Chronus. Durch die Membran um sich herum hinterlassen ihre Schläge noch tiefere Wunden, als sonst. Wunden, die mit bloßen Augen nicht zu erkennen sind. Sie zehren an der Magie des Gegners. Als Ember dies erkennt formen sich ihre Lippen zu einem noch breiteren Grinsen. Sie fängt an zu begreifen, welch mächtige Waffe sie soeben entdeckt hat. Wenn man Magier dieser besonderen Klassen äußerlich nicht angreifen kann, dann ist es innerlich möglich. Es ist möglich sie zu schwächen. Chronus selbst scheint dieser Aspekt der Technik nicht bewusst zu sein. Der Blondschopf sieht lediglich verwirrt aus der Wäsche und bringt etwas Abstand zwischen die beiden. Ember hingegen hat sich bereits die nächsten Schritte durch den Kopf gehen lassen und experimentiert mit den neuen Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Ohne zu zögern verpasst sie ihm einen Schlag nach dem anderen und verwendet zur Abwechslung auch mächtigere Zauber. Zauber, die ihre Flammen klar und deutlich zeigen. Chronus steht wortwörtlich mit dem Rücken zur Wand und versucht verzweifelt einen Ausweg zu finden, doch Ember kommt ihm zuvor. Mit einem gezielten Tritt lässt sie ihn zu Boden gehen und drückt ihn mit ihrem rechten Fuß gegen den sandigen Untergrund. Siegessicher sieht sie ihm von oben herab entgegen, woraufhin er lächelnd den Kopf nach hinten fallen lässt.

Während Jubel und lautes Klatschen erklingt, erfreut sich auch Alastair des Sieges seines Schützlings. Leise klatschend sitzt er auf seiner Pritsche und hat Mei nach wie vor auf dem Schoß dabei. Diese starrt ihm unsicher entgegen, beruhigt sich allerdings schnell wieder, als sie sein bezauberndes Lächeln sieht.
„Ich wusste du schaffst das!", versucht er seine Freude zu unterdrücken und zieht sich seinen Kragen über den Mund. „Du bist so unfassbar stark geworden. Ich wünschte ich könnte dich genauso wie die anderen kämpfen sehen. Lebendig und nicht nur durch eine Projektion..", seufzt er im nächsten Moment und lässt den Blick sinken. „Dennoch..vielen Dank Mei. Ohne dich würde ich nichts von ihr zu sehen bekommen. Du bist eben ein wahrlich treuer Begleiter", meint er und streicht seiner Katze behutsam über den Rücken, was sie zufrieden Schnurren lässt.

Blind FireWhere stories live. Discover now