- Kapitel 116 -

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Die Herbstsonne brennt erbarmungslos auf das Trainingsareal. Der Sand hat sich ordentlich aufgeheizt und meine Flammen machen den hitzigen Kampf nicht weniger erträglich. Die anderen stehen laut jubelnd am Rand des Areals und feuern mich an. Auf der anderen Seite haben sich Levions Magier aufgestellt und jubeln meinem Gegner zu. Immer wieder gleitet mein Blick zum langhaarigen Magier, der mit nichtssagender Miene den Kampf verfolgt. Seit unserer Auseinandersetzung im Wintergarten haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Einerseits weil sich keine Gelegenheit ergab und andererseits weil ich viel zu beschäftigt mit Chronus' Training war. Dennoch verspüre ich einen Stich in der Magengrube, jedes Mal wenn sich unsere Blicke kreuzen.
Hastig weiche ich einem Faustschlag aus und schüttle meinen Kopf. Ich muss mich konzentrieren. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für ein schlechtes Gewissen. Mein Gegner ist ein Energiemagier. Er verfügt über großes Potential und hat Angriffe auf Lager, die Eliana blass vor Neid werden lassen würden. Grinsend schlittere ich über den Boden. Das ich ausgerechnet jetzt an sie denken würde. Eines jedoch hat sie mich gelehrt. Ich werfe einen Blick über meine Schulter und sehe den jungen Magier auf mich zu stürmen. Energiemagier sind alle äußerst temperamentvoll, was dazu führt, dass sie sich oft im Kampf verlieren. Sie denken immer weniger über ihre Schritte nach und lassen sich von ihrer Aggressivität leiten, was mir genau jetzt in die Hände spielt. Großartig mit meinen Flammen zu protzen war noch nie mein Stil. Möglicherweise weil ich meine Magierklasse immer versteckt halten musste. Anders, als mein Gegner, der mit Blitzen nur so um sich wirft. Er scheint ein Kämpfer zu sein, der den Nahkampf beherrscht, jedoch gern meidet. Er hält sich seine Gegner lieber auf Distanz und versucht sie ununterbrochen lebendig zu grillen. Leider eine recht effektive Variante seine Kraft einzusetzen. Ich muss näher an ihn heran kommen. Dafür warte ich den richtigen Moment ab. Kurz bevor er seine von Blitzen umgebene Faust auf mich richtet springe ich in hohem Bogen über ihn hinweg. Den Sand, den ich zuvor in meiner Faust umschlossen habe, lasse ich direkt in sein Gesicht rieseln. Augenblicklich zischt er und reibt sich grob über die Augen. Schmerzverzehrt starrt er mir mit geröteten Augen entgegen, während ich hinter ihm bereits erneut in meine Kampfposition übergegangen bin. Ohne Vorwarnung presche ich vor und ziele dabei absichtlich auf sein Gesicht. Er muss seine Augen zusammenkneifen, da sie vermutlich höllisch brennen. Doch ich muss ihm zugestehen, dass er dennoch einen sauberen Kampf liefert. Daher ändere ich meine Strategie und verlagere meinen Fokus auf seinen Unterkörper. Schließlich ist seine Sicht derzeit deutlich beeinträchtigt. Das muss ich zu meinem Vorteil nutzen. Ich weiche einem Schlag aus und spreize eines meiner Beine dabei. Eilig rotiere ich meinen Körper und fege ihn somit von den Beinen. Mit einem Satz fixiere ich ihn auf dem Boden und drücke ihm meine glühenden Fingernägel gegen die Halsschlagader. Schwer atmend verweilen wir für einige Momente in dieser Position, bis er schließlich abklopft und ich mich augenblicklich zurückziehe.
Lauter Beifall und Jubel ist aus der Ecke meines Trupps zu hören. Auch Levions Trupp applaudiert anerkennend, doch ihr Beifall gilt größtenteils ihrem Kameraden.
„Das war der Wahnsinn Ember!", lobt Dewi mich applaudierend und legt euphorisch einen Arm über meine Schulter.
„Du bist aber auch wirklich ein Teufel. Die Aktion mit dem Sand war wirklich hinterhältig. Ich verstehe immer mehr, weshalb General Kalen Gefallen an dir gefunden hat", fügt Darko schelmisch grinsend hinzu, woraufhin auch Jasper lachend einsteigt.
„Naja die Regeln besagen, dass man alles einsetzen darf, bis auf verbotene Zauber", fügt er schulterzuckend hinzu, während ich eilig ein paar Schlücke Wasser zu mir nehme.
„Hier kannst du das bitte einen Moment für mich festhalten?", richte ich die Frage an Salem und drücke ihm im nächsten Moment die Wasserflasche in die Hand. Eilig umrunde ich das Trainingsareal, auf welchem sich die beiden nächsten Magier bereitmachen.
Hera, die sich gerade auf ihrem Platz positioniert, wirft mir ihren Umhang zu, den ich geschickt im Gehen fange. Scheinbar hat sie vergessen ihn abzulegen bevor sie das Feld betreten hat. Als ich auf der anderen Seite angekommen bin steuere ich meinen geschlagenen Gegner an. Ein Wassermagier spült ihm soeben die Augen, da sich noch immer einige Sandkörner in ihnen befinden. Der Braunhaarige Magier schielt mit geröteten Augen zu mir herüber und zieht seine Brauen zusammen.
„Was willst du?" herrscht er, woraufhin Chronus neben ihn tritt. Er möchte eben dazu ansetzen etwas zu sagen, doch ich stoppe ihn.
„Ich möchte mich nach dir erkundigen. Außerdem möchte ich meine Hilfe anbieten. Kann ich etwas für dich tun?", beantworte ich seine Frage und verneige mich respektvoll vor ihm, was Chronus verblüfft die Augen weiten lässt.
„Pfft, ich will deine Hilfe nicht..verzieh dich dorthin zurück, wo du hergekommen bist", zischt er wütend, woraufhin Chronus ihm einen Schlag gegen den Oberarm verpasst.
„Du kannst tatsächlich etwas für ihn tun, wenn du es noch immer wünscht", richtet der Wassermagier sein Wort an mich und dreht seinen Oberkörper in meine Richtung. Seine grünen Augen werden von kleinen Lachfältchen umspielt, die perfekt zu seinen blonden Haaren passen. Stumm nicke ich und warte auf weitere Anweisungen.
„Sobald ich fertig damit bin seine Augen zu spülen wird eine Salbe aufgetragen, die die Schmerzen lindert und die Rötung zurückgehen lässt. Sie entfacht ihre Wirkung allerdings nur mit Wärme", erklärt er und widmet sich nebenbei weiterhin der Spülung. Ich nicke wissend, da ich verstanden habe worauf er hinausmöchte und sehe mich suchend nach der Salbe um.
„Sie befindet sich in meiner Gürteltasche auf der linken Seite. Es ist ein weißes Schälchen", meint er und deutet auf seine Tasche hin. Ohne zu zögern öffne ich die Schnalle der Ledertasche und suche nach besagter weißen Schale.
„Ist sie das?", frage ich und sehe ihn kurz darauf nicken.
„Ich schlage vor du trägst sie auf, dann kann sie ihre Wirkung gleich entfalten", macht er den Vorschlag und schüttelt seine Hände aus, während er einen Schritt zur Seite macht, um mir den nötigen Platz zu verschaffen.
„Ist das auch für dich in Ordnung?", frage ich den Braunhaarigen, der mir mittlerweile mit seinen blutunterlaufenen Augen wie ein Dämon entgegenblickt. Mürrisch rümpft er die Nase, nickt jedoch stumm.
„Beginne mit den Bereichen außen herum bevor du über das Augenlied streichst", erklärt der Wassermagier und sieht mir dabei über die Schulter.
„Wenn du mir ins Auge stichst wird dein Körper von mehreren Hundert Volt durchströmt", blafft der Energiemagier, woraufhin ich ergeben seufze und seinen Hals sanft mit meiner Hand umfasse. „Ich gebe mir Mühe deine wunderschönen Augen nicht noch weiter zu verletzen", säusle ich mit aufgesetztem Lächeln und ziehe ihn dabei näher zu mir heran. Solange, bis sich unsere Nasenspitzen beinahe berühren.
„Was mit dem undankbaren Rest von dir geschieht kann ich aber nicht sagen", flüstere ich und lasse sein Blut unter meiner Handfläche immer heißer durch seine Adern fließen. Mit schockiertem Gesichtsausdruck blickt er mir entgegen und beißt die Zähne zusammen. Er hält still und lässt mich die Salbe unterhalb seiner Augen auftragen, während die anderen wortlos dabei zusehen. Scheinbar hat meine Überredungskunst ihnen die Sprache verschlagen. Er selbst lässt mich dabei nicht aus den Augen. Sein Blick bohrt sich fast schon in meine Seele, während ich konzentriert die fettende Masse verteile.
„Schließ die Augen", weise ich ihn an, woraufhin er wiederwillig tut, wie ihm geheißen wurde. Als ich fertig bin die Salbe zu verteilen massiere ich sie mit erwärmten Fingern ein. Hierfür habe ich eine Hand gegen seinen Hinterkopf gedrückt, während ich mit der anderen vorsichtig die geröteten Stellen umrunde. Die anderen haben sich mittlerweile dem Kampf zwischen Hera und ihrem Gegner gewidmet, weshalb uns kaum noch jemand Beachtung schenkt. Sogar Chronus hat sich in die vorderen Reihen gestellt. Ich bücke mich ein Stück und sehe mir mein Werk an. Mit einem stummen Nicken widme ich mich der anderen Seite und wiederhole die Prozedur.
„Das reicht jetzt aber", murrt der Braunhaarige vor mir und möchte meine Hand von sich schieben.
„Bitte lass es mich ordentlich machen", entgegne ich und werde im nächsten Moment seltsam von ihm gemustert.
„Wieso bist du nur so stur?", nörgelt er und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Weil ich nicht möchte, dass du meinetwegen weiterhin Schmerzen hast oder sogar bleibende Schäden davonträgst. Das hier war nur ein Trainingskampf. Es besteht also kein Grund für mich, mich nicht um dich zu Sorgen oder zu kümmern", erkläre ich ihm, da er scheinbar wirklich nicht versteht, weshalb ich ihm meine Hilfe anbiete. Sein Mund klappt ein Stück weit auf, während seine Wangenknochen sich rötlich verfärben. Dieser Ausdruck auf seinem Gesicht ist allerdings nicht von Dauer. Er weicht den zusammengeschobenen Brauen und dem wütenden Blick. Er rümpft erneut die Nase, hält jedoch ohne sich weiter zu beschweren still, bis ich fertig bin.
„Ich wünsche eine gute Besserung. Es hat mich gefreut dein Gegner gewesen zu sein", verabschiede ich mich und verneige mich erneut dezent vor ihm. Ich möchte bereits umkehren, als er sich räuspert.
„Danke", murmelt er undeutlich und verneigt sich ebenfalls dezent, was mir einen verblüfften Gesichtsausdruck eintreibt.

Blind FireWhere stories live. Discover now