- Kapitel 173 -

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„Das ist doch Wahnsinn", flüstert Kairyan, ehe Arryn ihm eine Hand auf die Schulter legt.
„Es gibt leider keinen anderen Ausweg. Wir werden kämpfen müssen", kontert General Sekurion, während ich einen Schritt nach vorn gehe.
„General Sekurion..ich lege mein Leben in ihre fähigen Hände. Was auch immer sie mir befehlen..ich werde es ohne zu zögern durchführen. Ihr Befehl ist dem General Kalens gleichgestellt. Das Einzige, worum ich bitte ist die Sicherheit meiner Familie. Bitte..meine Schwester..meine Eltern..sie sollen ihr Ende nicht auf die Art finden", werfe ich salutierend ein. „Meine Kraft gehört ihnen..mein Können, mein Wissen..alles..ich gebe ihnen alles, nur..", füge ich hinzu und stocke plötzlich. Kenny und Kiana sehen sich derweil alarmiert in die Augen. „Ich lege die ganze Welt in Flammen, wenn sie es wünschen", beendet ich meine Ansprache bitteren Tones, ehe Sekruion mir ein seichtes Nicken entgegen bringt.
„Ich schätze ihre Hingabe. Ich habe nichts anderes von ihnen erwartet, Miss Akela. Alastair hat ihr Potential schon damals erkannt. Ich bereue es, ihnen nicht eher Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Sie in meinen Reihen zu wissen wäre mir eine Ehre", meint er lächelnd. „Ich stehe ihnen stets zu diensten. Bitte, setzen sie mich ganz nach ihrem Belieben ein, Sir", entgegne ich demütig.
„Miss Akela..es erfüllt mich mit Stolz sie so zu sehen. Sie verkörpern die Moral des schwarzen Rings wie kein zweiter Magier. Sie haben gemeinsam mit ihren Kameraden die Attentäter, die mitunter für all das hier verantwortlich sind zurückgebracht. Lassen sie mich ihnen sagen..ich kann mir nur vorstellen, wie sehr sie unter all dem Druck und den Schmerzen leiden. Ihren tierischen Begleiter zu missen..ihren Anführer im Kerker zu sehen..sich hilflos zu fühlen..sich schwach zu fühlen..ich bewundere sie sehr, Ember. Ihr Wunsch ist ehrenwert. Die Familie in Sicherheit zu wissen..ich würde ihnen diesen Wunsch gern erfüllen, doch..ich kann nicht", seufzt Sekurion und sieht aus dem Fenster seines Büros. „Ich kann nicht garantieren, dass ihre Familie überlebt. Ich kann dir nicht einmal garantieren, dass sie das überleben. Trios hat diesen Angriff von langer Hand geplant. Ohne die Hilfe ihrer Schwester wären wir über ihren beängstigtend raschen Vormarsch völlig unwissend geblieben. Nur dank ihr wissen wir überhaupt davon", seufzt er und fährt sich übers Gesicht. Verwundert hebe ich meine Brauen und rühre mich.
„Wie..meinen sie das?", hauche ich überrascht und taumele einige Schritte nach vorn.
„Lady Eliana ist ebenfalls in Trios gewesen. Sie hat sich auf die Suche nach dem Feuerfuchs gemacht", erklärt er und sieht mir mit Nachdruck entgegen. Ich hingegen schiebe meine Brauen ätzend langsam zusammen. Ich kann nur schwer folgen, was Sekurion mir gerade erzählt.
„Ich hatte davon keine Kenntnis das kann ich ihnen versichern. Lady Eliana ist gemeinsam mit einem verbündeten Magier Trios hier aufgeschlagen. Sie berichtete aufgeregt von den Dingen, die sie aufschnappen konnte als sie die Spuren des Fuchses verfolgte. Ich will sie nicht lange auf die Folter spannen. Sie hat ihn tatsächlich gefunden. Nicht nur das..sie hat den entlaufenen Attentäter ebenfalls aufgabeln können. Ich habe versucht sie davon zu überzeugen, dass sie hier bleiben soll..sie auf sie warten soll..doch, ihre Worte waren dieselben wie die ihren", offenbart Sekurion mir, woraufhin ich die Szenen jenes Tages vor dem inneren Augen revue passieren lasse. Die Szenen, in welchen ich Eliana in die Augen sah, dort auf den Straßen Trios. Wie ich ihren blonden Strähnen hinterherjagte. Wie sie versuchte die Kapuze des Umhangs enger nach vorn zu ziehen.
Ich war mir so sicher. Ich hätte schwören können, dass es sich um Eliana handelte. Der Moment als sich unsere Blicke trafen..als ich plötzlich spürte, dass es Eliana sein muss. Wie sie immer weiter davonlief.
Verbittert verziehe ich das Gesicht.
Es ist tatsächlich Eliana gewesen. Ich habe mich nicht geirrt. Es war meine Schwester.
Meine Familie.
„Eliana..", entkommt es mir leise während ich mir schockiert an den Mund fasse.
Sie hat nach Setto gesucht?
Wieso um alles in der Welt hat sie das getan?
Tat ich ihr etwa leid?
„Ich konnte sie nicht davon abhalten in den Osten des Reiches zu gehen. Sie meinte, dass es ihnen das Herz brechen würde wenn euren Eltern etwas geschehen würde. Ich habe sie inständig darum gebeten hierzubleiben, doch sie lehnte ab. Sie sagte, dass sie die Hauptstadt schützen würden, während sie sich um eure Familie kümmern würde. Ich weiß ihr beiden habt nicht das beste Verhältnis, doch-", erklärt Sekurion nach Worten ringend, ehe ich ihm ins Wort falle.
Es spielt keine Rolle weshalb sie es tat. Eliana riskierte innerhalb der letzten Monate alles, um Setto wieder zurückzubringen. Sie log unsere Eltern an, schlich sich einfach davon. Um Himmels Willen sie schlich sogar über Landesgrenzen. Gott allein weiß, was alles hätte passieren können. Ein seichtes Schmunzeln kann ich mir an der Stelle nicht verkneifen. Was alles hätte passieren können..und zwar mit all den Bürgern Trios, die sich ihr in den Weg gestellt haben könnten, denke ich und schließe die Augen. Eliana mag verrückt sein, doch sie ist nun wirklich nicht zu unterschätzen.
„Sie wird es schaffen", grätsche ich dazwischen und seufze. „Sie wird den Osten verteidigen. Nun bin ich beruhigt. Meiner Familie wird nichts geschehen. Der Stadt wird kein Schaden zugefügt. Nicht solange Eliana dort ist", füge ich hinzu und hebe entschlossen meinen Blick. „Meine Schwester wird ihre Aufgabe erfüllen..genauso wie ich meine erfüllen werde. General Sekurion..Ich brauche keine weiteren Einzelheiten. Alles was ich brauche sind ihre Befehle. Sagt mir was ich tun soll und ich werde es tun. Nun hält mich nichts mehr", meine ich konzentriert und verneige mich tief. Der oberste Befehlshaber zieht überrascht die Brauen nach oben. Für gewöhnlich ist er nicht so ungeschickt darin solche Nachrichten zu übermitteln. Es scheint, als habe er sich bereits auf den eigentlich folgenden Dialog vorbereitet. Mich nun so gefasst und ruhig zu sehen bringt ihn wohl aus dem Konzept.
„Miss Akela..ich..", setzt er an, ehe er den Kopf schüttelt. „Es ist erschreckend wie gut ihre Schwester sie kennt..sie meinte, dass alles gut werden wird sobald sie ihn wieder in ihren Armen halten würden", erklärt er kopfschüttelnd und winkt eine der Wachen herein. Dieser hat ein orangenes Fellknäul auf den Armen, woraufhin sich meine Augen weiten.
Für einen kurzen Moment ist es, als würde die Zeit stehen bleiben. Ich spüre meine Seele vor Freude pochen. Jede Faser meines Körpers zwingt mich dazu sich nach vorn zu bewegen. Auch die Augen des Fuchses leuchten gelb auf, als er mich erblickt. Ohne zu zögern springt er in hohem Bogen durch die Luft. Scheinbar empfand er das gleiche Verlangen wie ich. Ich breite meine Arme weit aus während ich mit den Tränen kämpfe. Ich spüre den pochenden Herzschlag des Feuerfuchses und drücke seinen zierlichen Körper eng an mich. Er hat eingies an Gewicht verloren, wobei er doch an Größe zugelegt hat. „Setto..", flüstere ich und sacke auf die Knie. „Ich dachte ich sehe dich nicht wieder..", entkommt es mir hauchend, während beide unserer orangefarbenen Auren ein tiefes Rot annehmen. Mit jedem weiteren Atemzug kehrt meine Kraft zurück.
Ich kann es fühlen.
Unsere Herzen schlagen im Einklang.
Die Bilder Settos Erinnerungen dringen in mein Bewusstsein. Elianas breites Grinsen sticht mir entgegen. Der dunkle Umhang meiner Schwester, die Scheune im Wald nahe der Stadtgrenze des Ostens. Ich sehe unzählige Tiere in Käfigen eingesperrt. Meine gerade zurückerlangte Kraft verlässt mich augenblicklich wieder, als ich begreife, was diese Bilder zu bedeuten haben.
Mein Magen dreht sich um.
Eliana..all die Zeit über war ich auf der Suche nach demjenigen, der es wagte mir Setto zu entreißen. All die Zeit über..all der Hass..all der Schmerz..Ich kneife meine Augen zusammen und kann meine Wut kaum in Grenzen halten. Sie ist und bleibt ein kaltherziges Biest! Ich habe sie sogar noch bei der Suche helfen lassen, habe ihr vertraut! Habe ihre mickrigen Aufmunterungsversuche wirklich zu schätzen gewusst. Ich dachte wirklich, dass unsere Beziehung zueinander nicht völlig kaputt wäre, dass wir womöglich wieder hätten zueinander finden können. Doch scheinbar führte sie mich wieder einmal an der Nase herum, wie schon mein ganzes Leben lang.
Setto legt seine Pfote auf meine Schulter und sieht mir beharrlich in die Augen. Plötzlich ändern sich die Szenen vor meinem inneren Auge. Ich sehe einen blauhaarigen Magier, der ihn vom Stand des Händlers trägt, den ich beinahe an Ort und Stelle flambiert hätte. Ich sehe die Gesichter von fremden Magiern, die ihn aus einer Scheune schleppen. Eliana, wie sie ihn mit blutverschmiertem Gesicht eng an ihre Brust drückt. Wie sie sich mit ihm auf den Armen durch den Wald schlägt. Hektisch sieht sie sich um. Erneut erscheint der Blauhaarige und mit ihm ein schwarzer Schattenpanther. Eliana blutet aus mehreren Schnittwunden am Körper.
Ich verstehe nicht, was sie sagt.
Ihre Augen sind blutunterlaufen, ihre Haut trotz Bräunung fahl wie die Wand. Elinas Figur wird immer kleiner, je weiter der Panther läuft. Das nächste, was ich zu sehen bekomme sind die blonden Strähnen meiner Schwester. Sie beugt sich seufzend über Setto und streicht ihm behutsam über den Rücken.
„Bist du bereit Ember wiederzusehen?", erklingt Elianas Stimme plötzlich in meinen Gedanken, was mir eine Gänsehaut beschert. Ich war nicht darauf vorbereitet ihre Stimme zu hören.
„Das kann nicht sein! Ember hatte beinahe einen ganzen Tag Vorsprung! Ich habe damit gerechnet, dass sie im besten Fall nur ein paar Stunden vor uns hier angekommen ist", erklingt die brüllende Stimme Elianas, die sich die Haare rauft.
„Wann hast du Ember das letzte Mal gesehen? Sind deine beiden Kameraden dazu in der Lage sie zu verletzen? Würden sie ihr etwas anhaben können?", erklingt ihre Stimme erneut, während sie Nathaniel bedrohlich nah kommt.
„Gerade deshalb sollte ich nach Hause! Ember wird die Hauptstadt schützen. An eurer Seite kämpfen, während ich mich um den Osten kümmere! Ich bitte euch, Sir. Unsere Eltern sind alles, was wir noch haben. Ich könnte es nicht ertragen wenn Ember neben General Kalen auch noch unsere Eltern verliert!", fleht sie aufgebracht und geht dabei einige Schritte auf Sekurion zu.
Tiefe Schluchzer entrinnen mir, als ich auch den Rest der Szenen sehe. Ich kann sie einfach nicht zurückhalten egal wie sehr ich es auch versuche. Eliana hat Setto einem der Wachen übergeben, bevor sie in Begleitung des blauhaarigen Magiers davonzog.
„Meine Schwester wird kommen. Wenn es soweit ist..bringt die beiden wieder zusammen. Auch wenn ich gern diejenige gewesen wäre, die meiner Schwester diese Last von den Schultern nimmt..so weiß ich, dass es ihr mehr nützt wenn sie so schnell wie möglich wieder mit ihm vereint ist. Bitte richtet ihr aus, dass es mir leid tut..dass ich ein furchtbarer Mensch bin und sie mich zurecht verabscheut. Wenn ich könnte würde ich die Zeit zurückdrehen..ich würde all das ungeschehen machen wollen. Auch wenn ich weiß, dass das eine Verschwendung meiner Worte ist..doch..ich würde gern zurück wollen. Viele viele Jahre zurück..zurück zu jenem Sommertag im Garten. Dem letzten Tag, an welchem ich mich noch zurecht ihre Schwester nennen konnte. Bitte richtet ihr aus, dass ich mich um unsere Heimat kümmern werde. Um unsere Familie..unsere Stadt. Dieses eine Mal in unserem Leben kann sie sich auf mich verlassen", entkommen ihr die Worte voller Reue und Wehmut. Ich kann die Trauer ihrer Tonlage regelrecht greifen. Niemals hätte ich solche Worte aus ihrem Mund vermutet. Eher wäre die Hölle zugefroren, ehe sie diese Sätze von sich gibt, so dachte ich.
Sie hatte das alles erst soweit kommen lassen, doch..sie hat alles gegeben, um ihren Fehler wieder gutzumachen. Ich konnte keine Lügen und keine gespielte Trauer in ihren letzten Worten ausmachen.
Sie waren ernst gemeint.

Blind FireWhere stories live. Discover now