- Kapitel 178 -

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Der Qualm brennt in meinen Augen und Rauch breitet sich in meiner Lunge aus. Ich haste zum Wiederholten Mal durch die leeren Straßen und suche die übrigen Bewohner zusammen, die es aufgrund der andauernden Attacken nicht mehr rechtzeitig zur Evakuierung geschafft haben. Mein Blick wandert angestrengt nach oben, während ich Agira in die Luft werfe, um mir ein Bild des gesamten Ausmaßes zu verschaffen. Die Barriere der anderen hält sich gut, doch ich erkenne bereits erste Risse. Es war Kairyans Idee die Barriere vielschichtig aufzubauen. Ich konnten nur staunen, als er erklärte wie sinnvoll es sein würde thermische Gegenstücke übereinander zu schichten. Kopfschüttelnd seufze ich. Manchmal hat er wirklich lichte Momente. Dank Arryns Eismagie und der Hilfe pensionierter Wassermagier konnten die großflächigen Brände innerhalb der Barriere gelöscht werden. Um den evakuierten Bürgern jedoch einen sicheren Fluchtweg zu bieten zogen Arryn sowie auch die Wassermagier in den Norden voran und ebnen den Weg. Dort befinden sich die Stahltürme des schwarzen Rings. Sie dienten früher als Späherposten ehe Adaron einen Handelspakt mit dem Königreich Terz schloss und man dort keine Wachen mehr benötigte.
Ein erneutes Beben reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe den brennenden Glutbrocken dabei zu, wie sie entlang der Barriere herabfallen. Erleichtert atme ich auf und erhasche einen blonden Schopf im Augenwinkel. Für einen kurzen Bruchteil einer Sekunde sehe ich Elianas Locken vor mir, weshalb ich stolpernd stehen bleibe und auf dem Absatz kehrt mache. Als ich mich den Haustrümmern nähere entdecke ich ein kleines weinendes Mädchen am Boden liegen. Ihre zartrosa Schleife ist mit Dreck beschmiert während Teile ihres Kleides angekokelt sind. Ich renne eilig auf sie zu und lege ihr behutsam eine Hand auf die Schulter.
„Beruhige dich, ja? Komm ich helfe dir", beschwichtige ich sie und schiebe den schweren Holzbalken von ihren Beinen. „Kannst du laufen?", frage ich und wische mir den Schweiß von der Stirn. Erneut fließen die Tränen als sie panisch den Kopf schüttelt. „Ganz ruhig, ich lasse dich nicht hier. Kannst du dich an mir festhalten?", meine ich und knie mich vor sie. Prüfend sehe ich mich nach weiteren Trümmeropfern um, doch es bleibt erfolglos. Ihre zierlichen Arme schlingen sich um meinen Hals ehe ich auch schon los laufe. „Wo sind deine Eltern?", rufe ich über meine Schulter und weiche einigen zerstörten Kutschteilen aus.
„Ich weiß nicht!", japst sie während ich mich allmählich wieder dem Zentrum der Stadt nähere. Ich entdecke Sekurion gemeinsam mit Kairyan vor dem Marktbrunnen.
„Miss Akela, wie ist die Lage?", ruft der Schwarzhaarige mir zu, als ich außer Atem vor ihnen stehen bleibe und Kairyan davon eilt, um einige Risse der Barriere zu reparieren.
„Der Westteil der Stadt ist menschenleer. Ich habe nur noch dieses Mädchen hier ausfindig machen können. Ihre Eltern sind nicht dort gewesen. Sie müssen bereits evakuiert worden sein", erkläre ich und setze die Kleine vorsichtig an den Rand des Brunnens.
„Hat sich derweil schon etwas Neues ergeben?", frage ich nach und sehe dabei zu, wie die kleine Blondine von zwei Luftmagiern huckepack genommen wird. Sie wimmert leise als sie hoch in die Lüfte aufsteigen und in Richtung Norden aufbrechen.
„Wir konnten einige niedere Truppen der Generäle kontaktieren, welche in den umliegenden Städten stationiert waren. Sie sind bereits auf dem Weg hier her. Bislang gab es keinen weiteren Vormarsch seitens der Garde. Die Geschosse haben ebenfalls nachgelassen. Es scheint fast so, als würden sie auf etwas warten", berichtet er nachdenklich.
„Haben sie noch einmal Kontakt zu Eliana aufnehmen können? Wie sieht es im Osten aus?", hake ich nach und folge ihm zu unserer notdürftig errichteten Basis. Im inneren des Planenzelts liegen unsere verletzten Kameraden am Boden. Ich höre ihre schweren Atemzüge, ihre schmerzverzehrten Schreie während man sich um ihre Wundversorgung kümmert.
„Nein, leider nicht. Sie scheint noch immer weit unter der Erde zu sein. Die magischen Wellen dringen nicht bis in diese Tiefen vor", erklärt er seufzend und stützt die Hände auf der umgedrehten Holzkiste ab, die zu einem Tisch umfunktioniert wurde. „Doch ich habe Kontakt zu General Amaya aufgenommen. Sie berichtete davon, wie sich die Garde nur so über die Grenze hinweg geschüttet habe. Sie wurden nahezu völlig überrannt. Viele haben diesen Schwall nicht überlebt", fügt er zähneknirschend hinzu und deutet auf die besagte Grenzpassage auf der Karte. Seine Stirn legt sich in Falten als er die Hände zu Fäusten ballt.
Einen Moment herrscht Stille zwischen uns.
„Wie konnten wir hiervon nur überhaupt nichts ahnen?", zische ich beschämt ehe Sekurion mir seine Hand auf die Schulter legt.
„Der Feind hat sich vorbereitet. Den langjährigen Frieden als Deckmantel für einen Angriff aus dem Hinterhalt zu nutzen zeigt von Cleverness. Es beweist aber auch, dass man uns nicht für schwach hält. Solch ein großangelegtes Manöver hat Unmengen an Zeit und Planung gekostet", erklärt er mit ernster Miene. „Nun ist es an der Zeit ihnen zu beweisen, dass ihre Vorsicht auch berechtigt gewesen ist", fügt der Energiemagier hinzu und hat ein entschlossenes Lächeln auf den Lippen.
„Jawohl, Sir", entgegne ich ihm salutierend, während er sich wieder aufrichtet.
„Nun da die Bürger der Stadt in Sicherheit und aus der Schusslinie sind beginnen wir damit die Front zu stärken. Da ich derzeit der einzig anwesende General vor Ort bin und mein eigener Trupp die Königsfamilie schützt sind unsere Möglichkeiten begrenzt", seufzt er und schielt nachdenklich zu mir herab. „Sammeln sie alle Angriffsklassenmagier zusammen, die sie auftreiben können und positionieren sie sich entlang der Barriere. Auf Eis- und Wassermagier werden wir vorerst verzichten müssen bis sie wieder zu uns stoßen. Alle anwesenden Erdmagier sollen sofort damit beginnen provisorische Fluchttunnel zu errichten. Mithilfe der Tunnel können wir uns flexibler bewegen ohne noch mehr Verletzte davonzutragen. Energiemagier werden für Barrieren innerhalb der Tunnelsysteme sorgen. Auf die Weise können wir das Eindringen der Garde in den Untergrund zumindest eindämmen. Außerdem möchte ich dunkle Magier in den Tunneln positionieren. Dort unten nutzen sie uns weit mehr als hier oben. Wenn sich die Chance ergibt sollen sie die feindlichen Truppen aus dem Schatten heraus infiltrieren und dezimieren. Die anherrschende Dunkelheit innerhalb der Tunnel wird ihnen dabei in die Karten spielen", erklärt er konzentriert und zeigt immer wieder auf Schlüsselpunkte auf der Karte.
Staunend klappt mir der Mund ein Stück auf, als ich begreife welch meisterhafte Abwehr er innerhalb kürzester Zeit zusammengestellt hat. Bewundernd blicke ich auf und kann mir allmählich ein Bild davon machen, weshalb ausgerechnet er die Nummer eins der Generäle ist.
„Damit alles reibungslos verläuft beauftrage ich sie persönlich damit meine Anweisungen umzusetzen. Ich zähle auf sie, Miss Akela", fügt er hinzu, woraufhin ich schockiert die Augen weite. Sekurion hingegen rüstet seinen Waffengürtel auf und macht sich bereit in die bald errichteten Untergrundtunnel zu steigen, um den restlichen Energiemagiern zur Hand zu gehen.
„Wir werden Trios Garde mit einem ordentlichen Aufgebot begrüßen", beendet er seine Erklärung mit zusammengeschobenen Brauen, ehe er mich auch schon losschickt, um alle nötigen Vorbereitungen für die Ausführung seines Plans zu treffen.

Blind FireWhere stories live. Discover now