- Kapitel 65 -

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Mittlerweile ist es Nachmittag geworden. Das kann er daran erkennen, wie weit die Sonne bereits gewandert ist.
Alastair schätzt, dass er bereits seit etwa fünf Stunden hier im Kerker sitzt. Angekettet, wie ein Hund im Garten. Das nervige Tropfen des an der Wand entlang rinnenden Wassers hört er bereits nicht mehr, denn seit einigen Minuten hat etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Leise vernimmt er Stimmen, die unweit von ihm entfernt sind. Es braucht nicht viel, um daraus zu schließen, dass das die festgenommenen Attentäter sein müssen. Interessiert lauscht er weiter und versucht angestrengt herauszufinden über was gesprochen wird. Die schweren Gittertüren der Verließe kleppern und geben die typischen Geräusche von sich, wenn sie geöffnet oder geschlossen werden.
Plötzlich wird es still im Gang.
Alastair reckt sein Kinn und schielt durch die Gitterstäbe seiner eigenen Zelle. Die schief stehende Sonne und das schwache Licht der schwebenden Laternen geben Ordensmitglieder preis, gefolgt von zwei gefesselten und vermummten Magiern. Wie gern würde er seine Kräfte einsetzen und ihnen innerhalb der Schatten folgen, um sie kurz vor ihrer Abreise festzunageln und auszuquetschen, doch er weiß, dass das vergebens wäre. Seine Kerkerzelle ist von einer magischen Barriere umhüllt, die es unmöglich macht Magie einzusetzen. Ihm bleibt also nichts weiter übrig, als den beiden mit starrem Blick hinterherzusehen. Genau in dem Moment, als sie seine Zelle passieren treffen sich ihre Blicke. Dunkle, beinahe schwarze Augen treffen auf zwei feurige Augenpaare.
Sie erinnern ihn an die von Ember, doch ihre sind schöner. Viel schöner, denkt er niedergeschlagen und senkt die Lider zur Hälfte. Das endlose Schwarz seiner Iris scheint die eben noch flammenden Augenpaare bis hin zum letzten Funken zu ersticken, zu verschlingen. Das junge Magiermädchen schluckt schwer ehe sie hastig den Blick abwendet.
Ember wäre niemals unter seinem Blick eingeknickt, bemerkt er seufzend. Er reibt sich über die Stirn und schließt die Augen für einen kurzen Moment. Ember..Wie es ihr wohl ergehen mag? Das alles wäre nicht geschehen wenn er besser aufgepasst hätte, wenn er aufmerksamer gewesen wäre, wenn er sie besser beschützt hätte..Sich darüber jetzt den Kopf zu zerbrechen bringt allerdings auch nichts mehr. Ember ist stark, sie ist so unglaublich stark. Manchmal hat er den Eindruck, dass sie selbst überhaupt keine Ahnung davon hat, wie stark sie ist. Ihr Potential war bereits von Anfang an klar zu erkennen.
Schon ab dem ersten Moment, in dem er sie erblickt hatte konnte er es deutlich spüren. Ihr entschlossener Blick, ihre Cleverness, ihre Skrupellosigkeit, ihr Scharfsinn. Nicht zu vergessen ihre enorme magische Kraft. Ihr Lehrmeister hat sie gut ausgebildet, schießt es ihm durch den Kopf. Alastair ist sich sicher, dass sie ihr volles Potential noch nicht ausgeschöpft hat. Er lacht humorlos auf. „Verdammt, sie hätte das Zeug zu einem General..", spricht er seine Gedanken laut aus.
Er hofft, nein, er betet, dass seine Worte eindringlich genug waren.
Sie darf nicht aufgeben. Sie muss gewinnen.
Seufzend lässt er seinen Kopf an die Wand hinter sich gleiten. Mit halb geöffneten Augen schwirren ihm Bilder durch den Kopf. Bilder von Ember, wie sie heute als Siegerin hervorgeht. Wie sie stolz und triumphal lächelt, die Hand zur Faust ballt und sie glorreich in die Luft wirft. Er stellt sich vor, wie ein wahrhaftiger Feuersturm in ihren wunderschönen Augen tobt. Wie ihr Haar im Wind weht und ihr ständig ins Gesicht fällt, doch das stört sie nicht. Sie ist überglücklich und fällt Levion, Kairyan und Arryn in die Arme. Ja, genauso wird es ablaufen. Genauso wird es enden. So und nicht anders. Es darf nicht anders enden. Sobald sich diese lächerliche Angelegenheit geklärt hat und er wieder auf freiem Fuß ist, zurück als Nummer Zwei der Generäle wird er sie zu sich holen wenn es ihr Wunsch ist. Ein Grinsen schleicht sich auf seine Lippen. Doch selbst wenn sie sich für einen anderen Truppführer entscheiden sollte, so wäre er dennoch glücklich. Er fährt sich mit der Hand über sein Gesicht. In diesem Moment realisiert Alastair, dass es ihm schon ausreichen würde sie einfach nur ansehen zu können. Wie sie voller stolz ihre Uniform tragen würde, ihre Waffe zugewiesen bekommen würde. Welche sie wohl aussuchen würde? Ganz gleich welche es werden wird, er ist sich sicher, dass sie selbst mit einer Bratpfanne mehr Schaden anrichten könnte, als so mancher Magier in seinem eigenen Trupp. Ein raues Lachen entkommt seiner Kehle. Er ist gerade einmal wenige Stunden von ihr getrennt und bereits jetzt keimt ein Sehnsuchtsgefühl in ihm auf. Nicht mit ihr reden zu können, sie nicht beobachten zu können, ihre Gedanken nicht hören zu können treibt ihn in den Wahnsinn. Ob sie wohl schon einen Plan mit Levion ausgearbeitet hat? Ob sie schon einen Pakt mit ihm geschlossen hat? Natürlich. Es ist schließlich schon spät. Die dritte Etappe müsste bald beginnen. Sicherlich sind die beiden bereits bestens vorbereitet.
Er fragt sich, ob Ember die Uniform trägt, die er für sie bereit gelegt hat oder ob Levion sich selbst etwas hat einfallen lassen. Am letzten Tag des Duells bekommt jeder Schützling eines Bindungspartners eine Uniform, die der General entweder selbst anfertigt oder anfertigen lässt. Die Uniform besteht aus Materialien, die der jeweilige General selbst zur Verfügung stellt oder aussucht.
Kopfschüttelnd seufzt er.
Alastair hat dunkles Leder und feuerfesten Stoff mit schwarzer Magie verweben lassen. Sie besteht aus zwei Teilen und ist mit schwarzen Gürtelschnallen miteinander verknüpft. Auf dem Dekolleté ist ein mittelgroßer Mondstein eingearbeitet worden, der als Energiespeicher dient. Er ist umgeben von kleineren Schattenopalen, die es ihr ermöglicht hätten schwarze Magie zu kanalisieren und gebündelt einzusetzen. Wehmütig beißt er sich auf die Unterlippe. Es wäre zu schön gewesen Ember in dieser Uniform zu sehen. Er hat sich etliche Stunden um die Ohren geschlagen, um sie anzufertigen. Er war nie sonderlich gut in Hauswirtschaftszaubern gewesen, doch für sie hatte er sich sogar einige Zauberbücher aus der Bibliothek des schwarzen Rings ausgeliehen.
Doch ihr Anblick in seiner Uniform ist nicht das einzige, was er bedauert nicht mitansehen zu können.

„Wie schade..ich hätte zu gern mit eigenen Augen gesehen wen du so sehr auf der Welt bewunderst meine Kleine.."

Blind FireWhere stories live. Discover now