- Kapitel 144 -

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Eliana POV:

Als sich die Menge bereits auflöst bleibt die blonde Magierin regungslos stehen. Sie ist zu tief in Gedanken versunken, als dass sie die Rufe der beiden blauhaarigen Magier zur Kenntnis hätte nehmen können. Erst als ihr Begleiter seine Schnauze sachte an ihr Schienbein stößt kommt sie zu sich. Verwirrt blickt sie auf und sieht sechs wartende Augenpaare auf ihr liegen. Verwirrt sieht sie sich um, ehe sie her gewunken wird. Zaghaft macht sie sich auf den Weg in die vordersten Reihen und bleibt mit einigen Schritten Abstand stehen. Midan sieht ihr irritiert von oben herab entgegen, doch der Älteste hebt stumm die Hand.
„Es ist in Ordnung eine gesunde Distanz zum Tod zu wahren. Es erspart einem einige schmerzhafte Erkenntnisse", erklärt der Bärtige in Richtung des blauhaarigen Magiers, der dadurch die Brauen hebt. „Vielen Dank, dass du der Zeremonie trotz deiner Verletzungen beigewohnt hast, junge Magierin. Jedes verlorene Leben ist tragisch und eines zu viel, doch dank den mutigen Kämpfern des Clans und dir haben wir nicht mehr Opfer zu beklagen. Dein Mut und deine Entschlossenheit sind bemerkenswert", richtet er nun sein Wort an Eliana, die verlegen und verloren den Blick senkt. Der aufgewühlte Zustand lässt sie nicht so recht wissen wohin mit sich.
„Ich verdiene solch Lobpreisungen nicht. Ich war lediglich zufällig an Ort und Stelle. Tatsächlich habe ich nichts anderes getan, als meine eigenen Ziele zu verfolgen", gesteht sie bedrückt und verneigt sich entschuldigend. Der Älteste hebt einen Mundwinkel und fährt sich durch den Bart. „Ist dem so? Du bist eine Energiemagierin, nicht wahr?", murmelt er und erntet stummes Nicken seitens der Blondine. „Nun, dann müssen deine Ziele edler Natur sein. Deine Fähigkeiten und deine Magie zeugen von höchster Form der Vollendung. Eine Form, die nur erreicht werden kann wenn Wille und Herz eines Magiers am selben Strang ziehen. Wenn all die Anstrengungen und Strapazen einem höheren Ziel dienen", kontert er wissend, woraufhin Eliana erstaunt den Blick hebt. Ihr entgleiten die Gesichtszüge für einen kurzen Moment.
„So würde ich das nicht betiteln..ich wünschte ich könnte mit nobleren Absichten glänzen..", seufzt sie niedergeschlagen und lässt erneut die Schultern hängen. Der Bärtige verstaut seine Hand hinter dem Rücken und umgreift seinen Gehstock fester.
„Lass uns doch ein Stück gehen. Sieh dir die Siedlung an, die du beschützt hast", wirft er nun ein und schreitet bereits von dannen. Eliana schnappt irritiert nach Luft und möchte bereits Einwände äußern, verkneift es sich jedoch. Still löst sie sich aus ihrer Starre und folgt dem Ältesten den sandigen Weg entlang, während Midan und Orion mit undurchdringlichen Mienen zurückbleiben. Einige Minuten der Stille vergehen, ehe der Weißhaarige sich zu ihr umdreht.
„Dein Herz ist von Kummer umgeben, junge Magierin", meint er und sieht Eliana betroffen den Blick senken.
„Vielmehr ist es Scham, denke ich", korrigiert sie nachdenklich, während der Schattenpanther gemächlich neben ihr hertrottet.
„Energiemagier sind überaus stolze Magier. Es braucht viel um ihre Überzeugungen zu brechen. Entweder werden sie von anderen gebrochen oder von eigenen Erkenntnissen", fügt er erklärend hinzu und sieht ihr fragend entgegen. „Dann werden es in meinem Fall wohl die eigenen Erkenntnisse gewesen sein", entgegnet sie zermürbt, woraufhin der alte Magier neben ihr wissend nickt.
„Die weitaus edlere Variante. Durch eigene Erkenntnisse geläutert zu werden zeugt von hohem Maß an Selbstreflektion. Etwas, das deine Magierklasse eher selten besitzt", meint er, woraufhin Eliana den Mund verzieht. „Das sollte durchaus kein Vorwurf sein. Jede Magierklasse hat an und für sich ihre ganz eigenen Charaktereigenschaften. Es sind Eigenschaften, die dich ausmachen und zu deiner Persönlichkeit beitragen, doch auch zu deiner Kraft passen", fügt er lachend hinzu, weshalb die Blondine ihren aufkommenden Groll beiseitelegt.
„Bitte verzeiht..ich habe noch viel zu lernen..Ich habe erst damit angefangen mich so zu sehen, wie ich tatsächlich bin", entschuldigt sie sich kleinlaut, was den Magier neben ihr interessiert zur Seite schielen lässt.
„Und wie siehst du dich?", möchte er nun wissen. „Ich bin ein schrecklicher Mensch. Egoistisch, kaltherzig, neidisch und arrogant. All die Jahre über dachte ich, ich würde von den Menschen um mich herum angehimmelt werden..nun, vielleicht war das auch so, doch nicht aus den Gründen, die ich im Kopf hatte", gesteht sie ehrlich und spürt den Stich im Herzen erneut sehr deutlich.
„Sich das einzugestehen ist nicht leicht. Seine schlechten Eigenschaften anzuerkennen erfordert viel Mut, etwas daran zu ändern erfordert Disziplin. Mit beiden Seiten, den guten sowie den schlechten Eigenschaften zu leben erfordert Weisheit. Du bist auf einem guten Weg wenn du mich fragst", entgegnet er mit ruhiger Stimme, während sie an einigen spielenden Kindern vorbeikommen.
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt auf irgendeinem Weg bin", murmelt sie überfordert.
„Nun, du bist hier, oder nicht?", kontert er lachend, was ihm einen verwirrten Ausdruck seitens Eliana einbringt. „Du hast eine weite Reise hinter dir. Demnach folgst du einem Weg", philosophiert er grinsend. „Midan hat mir berichtet, dass du auf der Suche nach etwas bist. Etwas, dass dir wichtiger ist, als dein eigenes Wohlergehen. Etwas, dass dich dazu bewegt hat für uns zu kämpfen und die Siedlung zu schützen", fügt er hinzu, während Eliana unmerklich verkrampft.
„Nun ich..das ist richtig. Ich möchte etwas zurückholen..", bestätigt sie wortkarg.
„Midan erwähnte etwas in die Richtung..Dein Einsatz soll durchaus belohnt werden. Was auch immer es ist, du sollst es bekommen. Midan wollte sich höchstpersönlich darum kümmern.", fährt der Älteste fort.
„Vielen Dank..das bedeutet mir wirklich viel, doch ich möchte nur eine Sache. Sobald ich habe wonach ich suche werde ich mich auch sofort wieder auf den Heimweg machen", entgegnet Eliana beteuernd.
„Ich verstehe. Bedenke jedoch, dass du ein willkommener Gast bist. Du musst nicht sofort gehen wenn du es nicht möchtest. Falls du noch irgendwelche Dinge hier in Trios zu erledigen hast..", meint der Alte mit erhobener Braue.
„Ich bin euch erneut zu Dank verpflichtet, doch ich habe bereits genügend Umstände bereitet. Allein die Verpflegung meiner Wunden und die Bereitstellung der Kleidung, die ich derzeit trage ist mehr als genug. Abgesehen davon habe ich nichts weiter in Trios zu schaffen", versichert die Blondine mit ausladender Handbewegung.
„So sei es. Wir werden uns beeilen deine Uniform wiederherzustellen. Solltest du deine Meinung noch ändern, länger verweilen wollen oder unsere Hilfe benötigen dann sage es. Midan wird dir sicher helfend zur Hand gehen, egal um was du ihn bittest. Du musst wissen, dass dieser streichespielende Dummkopf nicht leicht zu beeindrucken ist. Noch weniger ist er davon zu überzeugen freiwillig etwas für andere zu tun. Du musst ihn sehr beeindruckt haben", offenbart er ihr verschmitzt grinsend, was Eliana die Röte ins Gesicht treibt.
„Ich wüsste nicht bei was ich seine Hilfe benötigen könnte", platzt es überheblich aus der Magierin heraus, woraufhin sie augenblicklich verstummt und seufzt. „Bitte verzeiht..ich arbeite noch an mir..", legt sie kleinlaut nach, woraufhin der Alte herzhaft auflacht.
„Nicht doch. Es ist erfrischend mit jemandem zu sprechen, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Dennoch sind deine Ambitionen ehrenhaft. Du erinnerst mich in vielerlei Hinsicht an Midan. Als er noch ein Kind war, war er genauso unverfroren wie du. Ein vorlauter Junge mit großem Potential", schwelgt der Bärtige in Erinnerungen, was Eliana neugierig die Brauen heben lässt.
„Ach ja? Darf ich fragen was geschehen ist? Denn er kommt mir alles andere als unbedacht vor..", spricht sie ihre Gedanken laut aus, was den Magier neben ihr seufzen lässt.
„Unser Clan liegt bereits seit Jahrhunderten im Streit mit den Kodona. Etliche Angriffe beider Seiten liegen zwischen uns. Etliche Leben, die beiderseits genommen wurden. Eines Nachts griffen die Feuermagier der Kodona unsere Siedlung an. Viele verloren in jener Nacht ihr Leben. So auch Midans Familie. Lediglich sein jüngerer Bruder und er haben diese Nacht überlebt. Dieses Ereignis prägte ihn drastisch. Er verschloss sich und seine Gefühlswelt vor den anderen. Er wollte seinem Bruder ein gutes Vorbild sein und vergaß dabei, dass auch er litt. Es sind oft die Umstände, die uns zu dem machen was wir heute sind. Es sind aber auch die Umstände, die uns zu dem werden lassen, was wir werden wollen", erklärt er in Gedanken versunken, was Eliana die Augen weiten lässt. Sie kommt sich noch schäbiger vor, als ohnehin schon.
„Und ich war so unausstehlich zu ihm..", spricht sie ihre Gedanken erneut laut aus, während sie sich die Haare rauft.
„Mach dir keine Gedanken darüber. Midan ist keineswegs zart besaitet. Anders sieht es mit Maron aus..er ist mit Sicherheit kein unfähiger Junge, doch seine Unsicherheit macht Midan durchaus zu schaffen", versichert er ihr. „Während Midan lernte stark zu sein, fiel sein Bruder in ein Loch an Selbstzweifel. Der arme Junge musste alles mitansehen..die Schreie seiner Eltern mitanhören..zusehen wie ihre Körper zu Asche verbrannten. Midan hat ohne Frage ein schweres Los gezogen, sich jedoch dazu entschieden daraus seine Stärke zu ziehen. Moran hingegen schürt seine Unsicherheit aufgrund dieses Ereignisses. Die zwei Brüder verdeutlichen die zwei Grundsätze des Schmerzes wahrlich bilderbuchhaft. Schmerz verändert oder bricht einen Menschen. In welche Richtung man geht entscheidet man selbst", philosophiert der Alte erneut, was Eliana hellhörig werden lässt.

Ist es denn nicht genau die gleiche Situation bei Ember und ihr? Ember hat ihre Stärke aus ihrem Unglück gezogen. Sie hingegen ist in ein immer tieferes Loch gefallen. Eliana wischt sich angestrengt über die Stirn.
„Das muss ich dir jedoch nicht sagen, nicht wahr?", fügt er wissend hinzu, was die Blondine nur noch weiter in Bedrängnis bringt. „Verzweiflung ist ein starkes Gefühl. Ein übermannendes Gefühl. Es bringt einen dazu Dinge zu tun, die man für gewöhnlich nicht getan hätte. Dennoch ist es nie zu spät aufzuwachen. Man muss nicht für immer in diesem Teufelskreis gefangen sein. Auszubrechen mag schwer sein, doch es lohnt sich", fügt er hinzu und bleibt am Rande der Siedlung auf der Sanddüne stehen. „Auch wenn die Sonne untergeht und die Nacht hereinbricht, so kann man sich sicher sein, dass es nicht auf ewig Nacht sein wird. Die Sonne wird wieder am Horizont stehen und einem neue Möglichkeiten aufzeigen. Egal wie dunkel die Nacht auch sein mag, man muss nur lange genug durchhalten um die Strahlen der Sonne wieder auf seiner Haut zu spüren", fährt er fort und nimmt einen tiefen Atemzug während er die Augen dabei schließt. „Die Kunst dabei ist es, sich der Sonne zuzuwenden. Versinke nicht in Dunkelheit egal wie verlockend sie auch sein mag. Der Clan der Kestrels besteht seit Anbeginn der Zeit aus dunklen Magiern, doch wir haben uns nie der dunklen Seite verschrieben. Vielmehr ziehen wir unsere Stärke aus ihr, um bei strahlendem Sonnenschein zu glänzen. Ähnlich verhält es sich bei Energiemagiern, findest du nicht? Es braucht dunkle Sturmwolken, brechende Regenfälle und donnernde Blitze um euch mit Energie zu versorgen. Strahlen tut ihr jedoch genau wie alle anderen Magierklassen im Sonnenlicht. Wir alle sind am Ende des Tages gleich, junge Magierin", erklärt er ihr mit ehrlichem Lächeln. „Ich..verstehe nicht ganz..", stammelt Eliana, da der Alte für sie in Rätseln spricht.
„Der Tag an dem du das verstehst wird der Tag sein, an dem du dein volles Potential entfalten wirst. Es ist nicht von Belangen, wann du das begreifen wirst, doch ich bin mir sicher, dass der Tag kommen wird. Bis dahin gehe weiter deinen Weg. Du hast dir nicht gerade einen leichten Weg ausgesucht, das mag sein, doch ich sehe, dass du ihn meistern kannst. Du hast ein gutes Herz", entgegnet er lächelnd und klopft ihr mit dem Gehstock auf die Schulter. „Auch wenn du es momentan vielleicht selbst nicht siehst..du bist in deinem Leben bisher viele Umwege gegangen..hast die falschen Abkürzungen genommen, doch letztendlich hast du auf den richtigen Weg zurückgefunden. Wenn du nicht weißt, welcher Weg der richtige ist, kannst du dir bei einer Sache sicher sein..der leichte Weg ist nie der richtige. Alles im Leben hat seinen Preis. Das ist ein unumstößlicher Grundsatz des Lebens. Du weißt es ist richtig wenn es dich herausfordert..wenn es dir hart vorkommt. Ohne Herausforderungen wachsen wir nicht. Das Leben kann aus zwei Gründen hart sein. Entweder weil du deine Komfortzone verlässt oder es dir in ihr zu bequem machst", spricht der Älteste weiter in Rätseln, was Eliana verdattert zurücklässt.

Blind FireWhere stories live. Discover now