- Kapitel 61 -

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Der nächste Morgen bricht meiner Meinung nach viel zu schnell an. Ich habe kaum ein Auge zu getan. Viel zu viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Gedanken um Arryn, Gedanken um Alastair, Gedanken um Veros und schließlich Gedanken um die dritte Etappe.
Die ganze Nacht habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, was wohl die heutige Aufgabe sein wird. Das Ein oder Andere ist mir dabei schon in den Sinn gekommen, doch ich kann bei bestem Willen nicht sagen, was davon die größte Wahrscheinlichkeit besitzt. So unvorbereitet, wie jetzt gerade, war ich vor einer Prüfung noch nie. Ich habe weder einen Anhaltspunkt, noch eine klare Idee. Alles was ich habe sind Mutmaßungen.
Auch über Alastairs zusammenhangslose Frage habe ich noch eine ganze Weile gegrübelt, während er seelenruhig am Fußende meines Bettes geschlafen hat.
Die Person, die ich am meisten auf der Welt bewundere..wieso um alles in der Welt hatte er mir diese Frage gestellt?

„Und dann hat sie sich einfach vor uns gestellt! Du hättest sie sehen müssen! Ember war der absolute Wahnsinn!", reißt Kairyan mich aus den Gedanken, während ich mit meinem Löffel unmotiviert in meinem Joghurt herumstochere. Ich habe den Gesprächsverlauf am Frühstückstisch überhaupt nicht weiter verfolgt, so sehr war ich wohl in meinen Gedanken versunken.
„Ich wünschte ich hätte es gesehen. Aber um ehrlich zu sein, genau das und nichts anderes habe ich von Ember erwartet", lacht Kion leise, der sich am heutigen Morgen spontan zu uns an den Tisch gesellte. Auch Arsu hatte sich wortlos zu uns gesetzt und schielt immer wieder zu mir herüber.
Kairyan, der generell ein sehr offener Mensch zu sein scheint, hatte sich noch bevor ich mit meinem Frühstück zurück an den Tisch kehrte bereits mit Kion angefreundet und plappert seither ununterbrochen, wie ein Wasserfall.
Seufzend schüttle ich den Kopf.
Ihm geht es eindeutig wieder zu gut. Anscheinend haben Alastairs Heilzauber Wirkung gezeigt.
„Habt ihr eigentlich schon irgendetwas zwecks der dritten Etappe gehört?", unterbricht Arsu das endlose Geschwafel seitens Kairyan und sieht abwartend in die Runde, was auch mich wieder aufmerksamer werden lässt.
„Tja, da Ember und Kion die einzigen von uns hier sind, die einen Bindungspartner haben würde ich pauschal auf die beiden tippen", wirft Arryn sarkastisch ein, woraufhin die Blicke aller nun auf Kion und mir liegen.
Alastair, der wie immer neben mir Platz genommen hatte, schielt gespannt zu mir hinüber. Irgendetwas in seinem Blick ist seltsam. Ich kann nicht deuten, was genau es zu bedeuten hat, doch es scheint fast so, als würde er mir etwas sagen wollen, mich auf etwas hinweisen wollen.
„Ich habe lediglich einen Hinweis von Genral Simtan bekommen. Aber wirklich viel kann ich damit tatsächlich nicht anfangen", erklärt Kion nachdenklich und scheint gedanklich abzudriften. „Und was ist mit dir Ember?", bohrt Arsu weiter nach und erhofft sich wohl eine brauchbarere Information, als die von Kion.
„Ehrlich gesagt-", beginne ich meinen Satz, werde jedoch von zwei Ordensmitgliedern unterbrochen, welche General Sekurion im Schlepptau haben. Verwirrung  macht sich am Tisch breit und alle Blicke liegen auf den Neuankömmlingen.
„General Kalen, würden sie sich bitte erheben", erklingt die monotone Stimme des Mitglieds zu seiner rechten, woraufhin Alastairs Brauen in die Höhe schießen. Bevor er etwas erwidern kann wird er grob an den Oberarmen gepackt und nach oben gerissen.
„Hey! Was soll das denn?!", entkommt es mir wutentbrannt, weshalb auch ich unweigerlich von meinem Stuhl aufspringe.
Beruhige dich Ember", hallen mir Alastairs Worte im Kopf wieder, woraufhin ich einen tiefen Atemzug nehme und versuche eine entspanntere Pose einzunehmen.
„General Sekurion, würden sie diesen Aufruhr bitte erklären?", richtet Alastair sein Wort ruhig an die Nummer Eins und wartet geduldig die Antwort ab. Auch der Rest von uns sieht gespannt zu Sekurion hinauf, während die Ordensmitglieder Alastair noch immer fest im Griff haben.
„Alastair..so leid es mir tut, doch ich sehe keinen anderen Ausweg, als dich festzunehmen", kommen ihm die Worte kalt über die Lippen, doch sein Versuch neutral zu bleiben misslingt ihm gehörig. Jeder der hier Anwesenden hat ganz eindeutig herausgehört, wie schwer es ihm fiel diese Worte tatsächlich auszusprechen.
„Wie bitte?", entkommt es mir empört, während ich einen Schritt auf ihn zugehe.
„Ember..", zischt Kairyan besorgt und greift sachte nach meinem Unterarm.
„Mit welcher Begründung?", füge ich ungläubig hinzu.
„Am heutigen Morgen kam es zu unerwarteten Wendungen..", druckst er herum, doch damit gebe ich mich nicht zufrieden. „Alastair, wenn es dir recht ist würde ich die Angelegenheit gerne unter vier Augen mit dir bereden..in meinem Büro", wendet er sich nun gezielt an Alastair, der wiederum verneinend den Kopf schüttelt.
„Ember ist meine Bindungspartnerin. Alles was sie betrifft geht mich etwas an, also geht auch alles was mich betrifft sie etwas an", entgegnet er entschlossen, woraufhin Sekurion ein ernüchtertes Seufzen von sich gibt.
„Ich dachte mir bereits, dass du das sagen wirst..", murmelt er betroffen ehe er fortfährt.
„Nun gut, General Alastair Kalen es wurden schwere Anschuldigungen gegen sie erhoben, die keinen anderen Tatbestand als Verrat am Königreich vermuten lassen. Das Engagieren und Ansetzen von Attentätern gegen die eigenen Landsleute ist mit nichts geringerem als Hochverrat zu bestrafen. Es steht ihnen zu sich bei der Anhörung vor dem königlichen Hof zu rechtfertigen. Bis ihre Anhörung stattfindet sind sie von jeglichen Tätigkeiten des schwarzen Rings freigestellt und sind dazu verpflichtet in den Verließen auf die Möglichkeit der Stellungnahme zu warten. Diese Entscheidung ist endgültig und nicht anzufechten. Jeglicher Widerstand wird als Schuldeingeständnis gewertet und führt zur sofortigen Bestrafung", rattert Sekurion monoton herunter, während mir beinahe das Gesicht einschläft.
Unfähig irgendetwas zu erwidern sehe ich dabei zu, wie Alastair grob von uns weggezerrt wird. Plötzlich verläuft alles wie in Zeitlupe, so als hätte jemand die Zeit verlangsamt, beinahe zum Stillstand gebracht. Jegliche Eindrücke um mich herum prasseln mit unbekannter Schwere auf mich ein. Sekurions betroffener Blick, Arrryns und Kairyans fassungslose Gesichter, Kion und Arsu, die beide mit offenem Mund die Situation verfolgen und schließlich mein getrübter Blick mit welchem ich verschwommene Bilder von Alastair registriere. Diese Situation ist so absurd, dass ich beinahe dazu neige zu denken es sei lediglich ein Traum. Ein absolut sinnfreier und hirnrissiger Traum.
Doch es ist keiner. Alles was hier gerade passiert ist echt, und es passiert wirklich.

„Das können sie nicht machen!", entkommt es mir gequält, da ich meine Stimmbänder endlich dazu bewegen konnte zu funktionieren.
„Es tut mir leid, Miss Akela..mir sind die Hände gebunden", entgegnet Sekurion schuldbewusst, doch das beruhigt mich keineswegs.
„Gibt es denn überhaupt irgendwelche Beweise auf die sich diese irrwitzige Behauptung stützen lässt?", kommt Arryn mir zur Hilfe und stellt sich noch leicht humpelnd, demonstrativ mit verschränkten Armen neben mich. Alle beteiligten halten inne und starren gebannt zu Sekurion, der sich leise räuspert und die Hände hinter seinem Rücken faltet.
„Der entflohene Attentäter hat sich am heutigen Morgen freiwillig gestellt und um seine Strafe zu mildern einen Handel vorgeschlagen", beginnt er zaghaft zu erklären.
„Und was um alles in der Welt hatte er denn anzubieten, was das hier herbeigeführt hat?!", entkommt es mir fassungslos, während ich wild mit der Hand vor mir her fuchtele.
„Nun, er hat den Namen des Drahtziehers genannt, der hinter dem Attentat vom Vortag steckt", rückt er endlich mit der Sprache heraus, während mir allmählich ein Licht aufgeht.
„Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass Alasta-, ich meine General Kalen auch nur im Entferntesten etwas mit der Sache zu tun hat!?", keuche ich schriller, als ich es eigentlich geplant hatte.
„Es tut mir leid..so wie es momentan aussieht bleibt mir nichts anderes übrig, als die nötigen Schritte einzuleiten. Was ich persönlich glaube oder auch nicht glaube ist vorerst irrelevant. Meine Pflicht besteht darin nach den Gesetzen Adarons zu handeln", speist er mich mit scharfem Unterton ab, woraufhin ich ratlos zu Alastair sehe.
Mach dir keine Sorgen Kleine. Die Sache wird sich schon aufklären", lässt er mir gedanklich zukommen, doch leider beruhigen mich seine Worte momentan absolut nicht.
„Um auf meine eben genannten Pflichten zurückzukommen..Alastair, du weißt ich tue das nicht gern, doch..ich muss den Pakt zwischen dir und Ember nun lösen. Aufgrund der jetzigen Lage bist du mit sofortiger Wirkung nicht länger ihr Bindungspartner", fährt Sekurion fort und schreitet auf Alastair zu, der noch immer von den Ordensmitgliedern an Ort und Stelle gehalten wird. „Sie werden was?!", entkommt es mir heiser, während mir die Kinnlade ins Bodenlose klappt.

Blind FireWhere stories live. Discover now