- Kapitel 80 -

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Der Raum ist in kühles, blau loderndes Licht getaucht. Kein Winkel, keine Ecke ist von meinen hell erstrahlenden Flammen verschont geblieben. Ich habe es tatsächlich geschafft die nötige Kraft hierfür aufzubringen. Vor Freude beginne ich laut loszulachen.
„Gut so Ember, doch verliere bei all dem Spaß dein Ziel nicht aus den Augen", reißt mich Levion zurück in die Realität, weshalb ich mich augenblicklich auf den immer schwächer werdenden violetten Nebel konzentriere. Ich vernehme die keuchenden Aufschreie und das verärgerte Fluchen meines Gegners. Seine Magie fließt immer langsamer durch seinen Körper. Sein Zentrum leuchtet immer schwächer. Der Nebel nimmt immer weniger Platz im Raum ein. Es funktioniert tatsächlich.
Wild entschlossen halte ich das Level meiner Magie aufrecht und sehe dabei zu, wie die Wolke immer weiter schrumpft, bis sie schließlich nicht mehr als ein winziges glimmen von sich gibt. Jeden Moment erlischt sie. Gleich ist es soweit. Ich muss nur noch wenige Augenblicke durchhalten.
Nur noch ein kleines bisschen länger, treibe ich mich weiter an und spüre, wie diese enorme Kraft allmählich ihren Tribut fordert. Der Fluss meiner Magie verlangsamt sich nicht sichtbar, doch ich kann es spüren. Komm schon, nur noch ein bisschen! Brülle ich mich gedanklich selbst an. Ich bin so kurz davor, ich kann jetzt nicht schlapp machen!
„Nutze die Kraft des Steins! Du hast es gleich geschafft Ember", erklingt Levions Ruf dicht hinter mir, wo er sich vor den umherwütenden Flammen in Sicherheit gebracht hatte.
„Ich kann es schaffen! Es ist nur noch ein kleines Stück, ich kann das!", brülle ich mit aller Kraft zurück und spanne jeden Muskel meines Körpers an. Ich wringe aus jeder Zelle, in der noch ein bisschen Magie steckt, die Reste aus und lasse sie in meine bläulich lodernden Flammen wandern.
„Sei nicht dumm! Wenn du deine Kraft jetzt schon völlig aufbrauchst, hast du für dein großes Finale nicht mehr genügend übrig", weist er mich auf den zweiten Teil des Plans hin.
Richtig, ich bin ja noch nicht am Ende angelangt. Ich habe jetzt tatsächlich erst die Hälfte gemeistert.
„Ich habe mich wohl ein wenig zu sehr treiben lassen..bitte verzeih mir Levion..du hast recht", gestehe ich mit einem Lächeln auf den Lippen, ehe ich mich auf den Mondstein meiner Uniform konzentriere.
„Bitte, ich brauche deine Kraft", flüstere ich bittend, woraufhin er hell erstrahlt und seine Magie auf mich über geht. Augenblicklich spüre ich, wie sich grenzenlose Kraft in meinem Körper ausbreitet. Ich fackle nicht lange und lasse sie in meine Flammen fließen. Entspannt atme ich aus und genieße diese wenigen Sekunden der unendlichen Magie, die durch meine Adern und meine Seele fließt. In diesem kurzen Augenblick habe ich das Gefühl einfach alles schaffen zu können. Es ist beinahe so, als hätte mein Geist sich völlig von meinem physischen Körper gelöst. Als wäre er in höhere Sphären aufgestiegen. Mit noch nie dagewesenem Blick der Klarheit wende ich mich der mittlerweile fast vergangenen lila Wolke zu. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter, die sie fest und halt gebend umgreift.
„Sehr gut. Mach dich bereit, es ist jeden Moment soweit", spricht Levion mir Mut zu, während ich gebannt auf den lila glimmenden Funken starre, ehe er mit einem Mal erlischt.
„Jetzt!", ruft er ausdrucksstark, was ich mir nicht zwei Mal sagen lasse. Mit allem, was ich an Restkraft übrig habe beschwöre ich einen der stärksten Zaubersprüche, die ich in meinem Repertoire zu bieten habe.
Magnitudine!", rufe ich entschlossen aus, während ich die zugehörige Bewegung vollführe, indem ich mit meiner rechten Hand eine waagerechte Linie von links nach rechts ziehe. Anschließend bilde ich eine Faust, ziehe den Arm nach hinten und lasse ihn mit voller Wucht nach vorn schnellen. Die Flammen gehorchen mir, machen meine Bewegung nach und preschen mit aller Macht in Richtung meines Gegners. Eine Faust in Form von blau lodernden Flammen entfesselt ihre Schlagkraft und fegt meinen Gegner von den Füßen. Er wird mit unglaublichem Druck und stechender Hitze gegen die scharfen Kanten der Felswand geschleudert. Unfähig sich zu bewegen ist er dazu gezwungen sich weiterhin gegen die Kanten quetschen zu lassen. Erleichtert atme ich aus, mit dem Wissen, alles in meiner Macht stehende getan zu haben. Die unsagbar grenzenlose Kraft verlässt meinen Körper und lässt mich erschlafft auf wackeligen Beinen zurück. Doch um sich auszuruhen bleibt keine Zeit. Ich muss mich zusammenreißen. Ich muss einfach wissen, ob es ausgereicht hat, ob ich ihn tatsächlich besiegen konnte.
Meine Sicht verschwimmt, mein Kopf dreht sich und mein Magen rebelliert, doch ich versuche es so gut ich kann auszublenden. Ungeduldig warte ich darauf, dass sich der Rauch und der Qualm legen. Die Sekunden ziehen sich in die Länge, wie klebriger Hartz an Baumrinden.
„Das hast du sehr gut gemacht Ember. Du kannst stolz auf dich sein", richtet Levion sein Wort an mich, während er stützend einen Arm um meinen Rücken schlingt. Mehr als ein kleines Lächeln bringe ich nicht zustande. Ich bin viel zu erschöpft, als dass ich irgendwelche Worte herausbringen könnte. Die dichte Rauchwolke legt sich und gibt nun teilweise die Sicht frei. Auf dem Boden sitzend und an der Wand gelehnt entdecke ich Alastairs Projektion. Das Flackern der einzelnen, noch immer brennenden Flammen um uns herum zeigen tiefe Furchen an seinem Körper. An einigen Stellen fehlt ein Teil der Projektion sogar komplett. Für einen kurzen Moment ist es völlig still im Raum. Mein Kopf ist wie leer gefegt.
Habe ich es geschafft?
Ist es vorbei?
„Habe ich..gewonnen?", hauche ich so leise, dass man es beinahe überhört hätte, dabei hat es mich wahnsinnig viel Kraft gekostet meinen Mund überhaupt zu öffnen. Levion neben mir setzt gerade zur Antwort an, als ihm jemand zuvor kommt. „Noch..nicht", ächzt plötzlich eine tiefe, melodische Stimme, deren Träger verächtlich grinst. Seine Gesichtszüge haben etwas dämonisches angenommen. Es ist wahrlich furchteinflößend in diese tief schwarzen Augen zu blicken. In dieselben Augen in denen ich bisher immer Halt gefunden hatte, in denen ich soviel Wärme erkennen konnte. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass das hier nicht der echte Alastair ist.
Langsam richtet er sich auf und steht schließlich leicht zur Seite geneigt vor uns. Die Wunden an seinem Körper beginnen bereits zu verheilen. Lediglich die Teile seines Körpers, die vollständig fehlen kehren nicht wieder zurück.
„Es-Es hat nicht gereicht..ich bin einfach nicht stark genug..", flüstere ich niedergeschlagen und völlig erschöpft. Ich habe damit zu kämpfen nicht das Bewusstsein zu verlieren und sacke auf den Boden. Levion, der nach wie vor als meine Stütze agiert kniet sich neben mich.
„Ember, es ist keine Schande zu verlieren. Manchmal muss man sich geschlagen geben, nur so lernt man im Leben dazu. Zu verlieren heißt nicht, dass man schwach ist. Es gibt niemanden, der nicht schon einmal verloren hat und auf dem Boden aufprallte", erklingen seine trostspenden Worte, doch sie verfehlen ihr Ziel bei Weitem. Nichts auf dieser Welt könnte mir dieses luftabschnürende Gefühl nehmen.
„Ich-Ich habe doch alles gegeben! Ich habe meine Seele gegeben!", schluchze ich verzweifelt, woraufhin ich mit hämischem Gelächter konfrontiert werde. „Das soll alles gewesen sein, was du zu bieten hast? Auf diesem Niveau wirst du es niemals zu etwas bringen können! Du? Eine Magierin des schwarzen Rings? Das ist wirklich zum wegschmeißen komisch!", presst die Abbildung lachend hervor und hält sich dabei den Bauch.
„Was soll ich denn noch tun? Levion..ich habe verloren..es ist vorbei", hauche ich heiser, während mir Tränen die Wangen hinabrinnen.
„Die wahre Schande ist nicht das Verlieren, sondern das liegen bleiben, Ember", fährt Levion ruhig fort und erhebt sich. Er hält mir helfend seine Hand hin, doch ich bin zu schwach um aufzustehen. Ich kann kaum einen Muskel meines Körpers bewegen.
„Es tut mir leid..ich schaffe es einfach nicht..Es tut mir so leid, Alastair. Ich bin einfach nicht so stark wie du, nicht so stark wie Levion..", flüstere ich und starre dabei auf den Boden vor mir.
Wie ein Häufchen Elend.
Erbärmlich.
„Hab etwas mehr Vertrauen in dich und sei nicht so hart zu dir selbst. Du musst nicht so stark sein wie Alastair oder wie ich. Sei so stark wie Ember", entgegnet Levion mir, während er einige wahllos abgefeuerten Schattenangriffe der Abbildung abwehrt. Das hat doch keinen Sinn mehr, will ich sagen, doch meine Stimmbänder gehorchen mir nicht. Stattdessen starre ich noch immer wie gebannt auf den Boden.
Plötzlich jedoch beginnen die vielen kleinen Schattenopale in meiner Uniform violett zu glühen. Es ist kein besonders grelles Strahlen, doch jeder einzelne glüht mit einer enormen Intensität. Verwundert wische ich mir die Tränen aus den Augen und beobachte die kleinen Edelsteine weiter dabei, wie sie immer stärker und stärker zu strahlen beginnen. Ich runzle verwirrt die Stirn und spüre im nächsten Moment, wie meine Kraft zaghaft anwächst. Langsam, doch stetig.

Blind FireWhere stories live. Discover now