- Kapitel 140 -

947 102 5
                                    

„So warte doch! Renn nicht schon wieder davon!", brüllt sie ihm hinterher, während er dem Kerl folgt, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte. Fluchend ballt sie ihre Hände zu Fäusten und zischt aufgebracht.
Sie kann ihn jetzt nicht einfach ziehen lassen.
Nicht jetzt, nicht nachdem er sie endlich angehört hat. Nicht nachdem er zugegeben hat, Setto mit sich genommen zu haben. Sie muss unbedingt herausfinden, wo er ihn versteckt hält. Wenn er Setto als Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder kaufte, muss er ihn irgendwo untergebracht haben.
Sie hebt entschlossen den Blick und nimmt ihre Beine in die Hand. Der Panther folgt ihr ohne zu zögern und hechtet neben ihr her.
„Bleib stehen! Ich bin noch nicht fertig mit dir", ruft sie ihm zu, doch er ignoriert sie gekonnt und verschwindet im nächsten Moment bereits in den Schatten. Es ist fast so, als wäre sie nichts weiter als Luft für ihn, was ihre Wut nur noch weiter anstachelt. Sie beschleunigt ihr Tempo und wirft ihrem Begleiter einen eindeutigen Blick zu. Dieser versteht auf Anhieb und nimmt die Fährte des Magieflusses auf. Auch wenn Eliana sie nicht sehen kann, so holt sie die beiden Männer tatsächlich ein. Sie kann sie hören.
„Orion, klär mich auf", presst der Blauhaarige zwischen zwei Atemzügen hervor, während der junge Magier schwer schnauft.
„Sie sind plötzlich aufgetaucht. Ich weiß nicht wie viele es sind..Samur trug mir auf dich aufsuchen und dir davon berichten", erklärt Orion, dessen Haare ebenfalls einen bläulichen Schimmer tragen.
Mehrere Minuten lang jagen die drei durch die Gassen und kommen am Rande der Stadt zum Stehen. Die beiden Männer erscheinen plötzlich wieder auf der Bildfläche. Auch Eliana macht schwer atmend Halt und starrt auf die karge Siedlung am Fuße der Düne. Sie stützt ihre Hände auf den Oberschenkeln ab, während Orion verwirrt zwischen den beiden hersieht. „Wie hat sie-", setzt er bereits an, wird jedoch mit einer simplen Handbewegung unterbrochen. Midan deutet auf den Schattenpanther neben Eliana, woraufhin Orion nur wissend nickt und den Blick wieder auf die Siedlung richtet. Auch der Blauhaarige starrt mit verengten Augen in den Abgrund. „Diese verdammten..wie können sie es wagen..", murrt er. „Ich kümmere mich darum. Bring die anderen in Sicherheit", fügt Midan hinzu und stürzt sich im nächsten Moment schon ins Geschehen. Orion fackelt nicht lange und macht sich ebenfalls auf den Weg. Lediglich Eliana bleibt außer Atem zurück und sieht fassungslos auf das Chaos unter ihr hinab. Unzählige Magier bekämpfen sich mit Waffen oder Zaubern. Blut verteilt sich und spritzt auf die einzelnen Sandkörner auf dem Boden. Die Energiemagierin verzieht überrascht das Gesicht und kann dem ganzen nur schwer folgen. Wer zu wessen Seite zählt kann sie nicht sagen. Auch ihr Begleiter scheint nicht recht zu wissen, was dort unten vor sich geht.

Eliana spürt plötzlich eine enorme Menge an Magie hinter sich. Solch eine Ansammlung an magischer Kraft hatte sie das letzte Mal während des Duells der magischen Künste verspürt. Ihre Nackenhaare stellen sich unweigerlich auf, während sie sich zaghaft umdreht. Ihre Augen weiten sich vor Schock, als sie die unzähligen Magier vor sich entdeckt. Sie kriechen aus dem Boden, wie lästige Würmer im Garten. Sie verzieht das Gesicht und hält sich die Arme vors Gesicht, als einer von ihnen einen Angriff abfeuert. Der Erdmagier zielt dabei direkt auf die Blondine, die sich und ihren Begleiter im letzten Moment in Sicherheit bringen kann. Wütend sieht sie neben sich und ballt die Fäuste.
„Hey! Bist du wahnsinnig?! Das hätte mich treffen können du Geistesgestörter!", brüllt sie aufgebracht und erntet nur ein dümmliches Grinsen. Die Wut in ihr staut sich immer weiter auf.
Sie kann sich nicht mehr lange zurückhalten, das steht fest.
Andererseits, muss sie das denn?
Die Siedlung des Blauhaargien wird ohne Zweifel gerade angegriffen. Wenn er Setto tatsächlich bei sich hat wird er sich irgendwo dort unten befinden. Sollte ihm etwas zustoßen könnte Eliana sich das nie verzeihen. Zu groß ist die Last der Schuld. Alles, was sie ihrer Schwester bereits angetan hat, alles was sie ihr an den Kopf geworfen hat..und nun würde ihr geliebter Begleiter auch noch wegen eines dämlichen Überfalls sein Leben ihretwegen verlieren?
Nein, das kann sie nicht zulassen.
Das muss sie einfach verhindern.
Dabei spielt es für sie keine Rolle mehr wen sie hierbei verletzen könnte. Ob derjenige etwas mit der Situation zu tun hat oder nicht. Ob er unschuldig ist oder nicht. Ihre oberste Priorität ist Setto. Sie muss ihn einfach zurückholen und wenn sie dafür zunächst einmal alle hier anwesenden Magier aus dem Weg räumen muss.

Ihre gefletschten Zähne funkeln im Sonnenlicht der Abendsonne, als sie sich bedrohlich am Rande der Düne aufbaut. „Ihr wollt dort hinunter? Dann müsst ihr erst einmal an mir vorbei!", brüllt sie der Gruppe Magiern entgegen, die sich ins Fäustchen lachen.
„Wir haben ja solche Angst..", spotten diese brüchig. Scheinbar sind sie ihrer Sprache nicht mächtig, doch das stört sie nicht weiter. Sie haben sehr wohl verstanden, was sie ihnen entgegen brüllte. Alles weitere ist deren eigene Schuld. Das redet sie sich zumindest ein, während sie wutentbrannt ihr Zepter heraufbeschwört.

Midan hingegen blockt eine der scharfen Klingen ab, die ihm entgegenschießt. Er kneift die Augen zusammen und schielt zur Spitze der Düne hinauf. Die Blondine ist außer sich vor Wut, das kann er selbst von hier unten aus erkennen. Dennoch..er weiß wie gefährlich die Kodona sind.
Was hatte sie hier überhaupt verloren? Wieso ist sie ihm gefolgt? Will sie diesen Fuchs tatsächlich so dringend zurückholen, dass sie sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt?
Das funkelnde Zepter in ihrer Hand schindet auch bei ihm Eindruck. Hat sie etwa vor zu kämpfen?
Er weiß, dass sie einen unbändigen Willen hat, doch..
Ob sie wohl eine Chance hat?
Er hat sie noch nie kämpfen sehen, geschweige denn weiß er, ob sie überhaupt kämpfen kann. Darum kann er sich allerdings gerade keine Gedanken machen, da er alle Hände voll zu tun hat. Die Angriffe ebben einfach nicht ab und die Gefallenen seinerseits stapeln sich immer weiter. Sollten noch mehr Konoda die Düne hinabstürmen war es das für die Siedlung, dessen ist er sich sicher. Angestrengt gibt er sein Bestes und wehrt einen Angriff nach dem anderen ab. „Midan! Die Feuermagier sind im Anmarsch!", informiert einer seiner Kameraden mit zusammengebissenen Zähnen, woraufhin der blauhaarige Magier seine Hände zur Faust ballt. Verdammt..sie haben sogar ihre Feuermagier entsandt? Dieses Mal scheint es ihnen tatsächlich ernst zu sein.
Eliana hingegen kann sich kaum noch im Zaum halten. Ihre Wut ist grenzenlos. Viel zu lange hatte sie sie unterdrückt. Ihre Aura ist von donnernden Blitzen umgeben, die selbst den Panther in eine unterwürfige Stellung übergehen lassen.
„Geh und beschütze den blauhaarigen Magier", weist sie die schwarze Raubkatze an, die mit einem Fauchen reagiert und sich aus dem Staub macht. Eliana schielt zur Seite und hebt zufrieden einen ihrer Mundwinkel an.
Schlagartig verdunkelt sich ihr Gesichtsausdruck. Sie möchte nicht, dass der Panther sie in diesem Zustand sieht. Völlig außer Kontrolle und wahnsinnig vor Wut.
„Es war reichlich dumm deinen Begleiter davonzujagen", richtet der Anführer der Bande sein Wort an sie, während er sich mit einigen Schritten nach vorn zu erkennen gibt. Daraufhin legt Eliana lediglich ein teuflisches Grinsen auf und fokussiert ihren Blick auf den Blondschopf vor ihr.
„Es war reichlich dumm diese Siedlung anzugreifen während ich hier bin", kontert sie und schwingt ihr Zepter demonstrativ durch die Lüfte. Sie erzeugt eine enorme elektrische Spannung in der Luft, woraufhin die Gegner die Augen zusammenkneifen. Sie spüren die elektrischen Impulse in Form von Schmerzen in den Muskelfasern ihrer Körper. Mit einer Handbewegung neutralisiert der blonde Anführer ihre Attacke und grinst ihr überlegen entgegen.
„Eine Energiemagierin..überaus interessant", murmelt er und ballt die Hand zur Faust.
„Ich werde dir zeigen wie interessant ich bin!", ruft sie und beschwört einen wahren Wolkenwirbel über ihnen.
„Du bist wirklich stark, das will ich gar nicht bestreiten, doch..um mich zu besiegen fehlt es dir noch an Erfahrung", meint der Blondschopf und schnippt mit den Fingern. Augenblicklich verfallen die dunklen Wolken in Chaos und verteilen sich wild über den Himmel. Zischend beißt Eliana sich auf die Zunge und starrt dem blauäugigen Kerl ins Gesicht. Ihr wird klar, dass auch er der Klasse der Energiemagier angehört. „Nicht schlecht..für einen zweitklassigen Energiemagier", entgegnet sie grinsend und vollführt eine gekonnte Handbewegung, woraufhin sich die Wolken erneut ihrem Willen beugen. Erstaunt hebt der Blondschopf seine Brauen und nickt anerkennend.
„Ich verstehe..du hast wohl doch mehr auf dem Kasten, als man dir augenscheinlich zutrauen würde", gesteht er und seufzt schulterzuckend. „Wie schade..ich hätte dich zu gern auf unserer Seite gewusst. Du scheinst keine Kestrel zu sein..leider muss ich dich nun dennoch zusammen mit ihnen auslöschen", fügt er hinzu und ballt die Hand zur Faust, ehe er Blitze auf sie hinabregnen lässt. Eliana weicht ihnen geschickt aus und stolpert dabei über die Erdbrocken, die der Erdmagier der Gegner erscheinen lässt. Sie fängt sich unbeholfen auf ihren Händen auf und drückt sich kraftvoll ab. Ächzend landet sie auf ihren Füßen und erinnert sich an Embers Training mit Tarik. Wenn sie doch nur ein einziges Mal Interesse gezeigt hätte, wirft sie sich vor und hechtet zur Seite, um einem Angriff seitens der beiden Wassermagier auszuweichen. Sie schüttelt den Kopf und schlägt sich gegen die Wangen.
Nein, so darf sie nicht denken. Verdammt nochmal..sie hatte die drei Etappen des Duells der magischen Künste überlebt, da wird sie doch gegen diese Waschlappen nicht verlieren!
Schnell wie ein Blitz sprintet sie nach vorn und richtet ihr Zepter auf den Erdmagier, den sie augenblicklich mit einem Blitz durchbohrt. Er sinkt zu Boden und röchelt schwach. Eliana geht in eine Drehung über und springt in hohem Bogen über die Leiche des Magiers. Sie nimmt sich nun die nervtötenden Wassermagier vor.
Sie muss sich konzentrieren.
Diese Magier hier sind nicht stärker, als die des Duells. Alles, was sie von den damaligen Gegnern unterscheidet ist ihre sonnengeküsste Bräune. Wahrscheinlich hat die Hitze hier in Trios deren Hirne ein wenig zu lange gekocht, daher der enorme Egotrip. Sie muss einfach nur bei der Sache bleiben. Sie kann es schaffen, das weiß sie.

Geschickt schaltet sie einen Gegner nach dem anderen aus und beschleunigt ihr Tempo immer weiter. Sie ist benebelt vom Rausch. Es fühlt sich so gut an ihre Wut endlich einmal herauszulassen. Nicht darüber nachzudenken. Ihrer Kraft einfach freien Lauf zu lassen. Ein irrwitziges Grinsen schleicht sich auf ihre Lippen. So frei hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Sie hatte sich seit dem Tumult in der Hauptstadt stets selbst gedrosselt. Sich zur Vernunft zurückberufen. Sie tat es für ihre Familie. Für den Ruf der Akelas. Für Ember. Sie wollte ihr zeigen, dass sie sich im Griff hat.
Hier und jetzt muss sie das allerdings nicht. Sie muss sich nicht bremsen, was ihr ein unglaubliches Gefühl der Macht verleiht. Es ist, als würden ihre Blitze die Körper der Magier wie von selbst durchschneiden. Das Blut klebt an ihren Händen, doch es schert sie nicht. Der Sand verklumpt unter ihren Füßen, doch auch das kümmert sie nicht. Schwer schnaubend kommt sie vor dem Blondschopf zum Stehen und sieht ihm wahnhaft entgegen.

„Denkst du ernsthaft das wäre schon alles gewesen? Das wir nicht noch mehr Leute in der Hinterhand haben?", blafft er ihr entgegen, hebt die Hand und weicht ihrem Schlag geschickt aus. Verwirrt späht sie an ihm vorbei und sieht unzählige Schwerter aufblitzen. Sie legt ihre Stirn in Falten und bringt sich in Angriffsposition. Das sind zu viele von ihnen. Das weiß selbst Eliana. Egal wie stark sie auch sein mag, mit dieser Vielzahl an Gegnern wird sie nicht fertig.
Wütend zischt sie auf und prüft die Umgebung.
Ember wäre sicher mit ihnen allen klargekommen, schießt es ihr durch den Kopf, was sie nur noch wütender werden lässt. Natürlich hätte ihre Schwester das mit Leichtigkeit geschafft. Sie hat es so satt ständig in ihrem Schatten zu stehen. Sie hat es statt sich mit ihr messen zu wollen. Sich mit ihr vergleichen zu wollen. Sie muss es endlich auf ihre Art und Weise schaffen. Es bringt nichts sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie Ember wohl an die Sache herangehen würde. Sie muss endlich damit anfangen sich zu fragen, was sie tun würde.
Entschlossen hebt sie den Blick und richtet sich auf.
Richtig, wie würde sie selbst Herr über eine solche Situation werden?
Die Antwort ist so simpel wie grausam.
„Ich lösche euch einfach alle auf einen Schlag aus", flüstert sie diabolisch lächelnd und schwingt ihr Zepter. Die Energie bündelt sich nahezu grenzenlos in der Spitze ihres Artefakts. Gespannt wie einen Pfeil hält sie den Stab neben ihr Gesicht und richtet die Spitze in den Himmel. Ein Blitzregen, wie man ihn selten zu Gesicht bekommt prasselt auf die Gegner herab. Einer nach dem anderen geht zu Boden, während Eliana noch lange nicht fertig zu sein scheint. Ohne weiter darüber nachzudenken lässt sie ihrer Magie freien Lauf und sprintet im nächsten Moment in Lichtgeschwindigkeit nach vorn. Sie erreicht Geschwindigkeiten, die für das normale Auge nicht zu verfolgen sind. Sie nutzt ihre blanken Hände um die Kehlen der übriggebliebenen Magier zu durchtrennen. Dabei spritzt ihr das Blut nur so entgegen. Immer wieder wischt sie sich über die Augen, dennoch ist ihre Sicht von einem roten Schleier übertönt. Der Geruch von Eisen liegt in der Luft, doch sie denkt gar nicht daran aufzuhören. Der Blondschopf feuert kontrollierte Blitzhagelangriffe auf sie, welchen sie gekonnt ausweicht. Sie windet sich wie eine Schlange und umgeht die tödlichen Energiekugeln, die in der nächsten Sekunde ihre Kraft entladen und in der Luft explodieren. Eliana bleibt am andere Ende der Düne stehen und bündelt ihre Kraft. Sie zielt erneut gen den Himmel und lässt los. Qualmender Rauch entrinnt ihrer Faust, während der energiegeladene Blitz durch die Lüfte segelt. Sie sieht ihm noch einige Augenblicke hinterher, ehe sie ihre Hand ausstreckt und mit den Fingern schnippt. Der Blitz teilt sich in unzählige Bruchstücke, die mit rasender Geschwindigkeit zu Boden stürzen. Der Blondschopf weitet seine Augen vor Schock, während er seinen Leuten befielt sich zurückzuziehen und selbst in Deckung geht, doch vergebens. Der Angriff erwischt sie mit voller Wucht und schleudert etliche Körperteile durch die Luft. Das reicht Eliana jedoch noch nicht. Nein, das reicht noch lange nicht.

Sie drückt sich vom Boden ab und sprintet erneut in Lichtgeschwindigkeit nach vorn.
Donnernde Blitze umhüllen ihre Faust, während sie sich ihren Weg zum Blondschopf bahnt.
„Ich hoffe ich war interessant genug für dich", zischt sie und rammt ihm ihre Faust in den Brustkorb. Sein Herz hört augenblicklich auf zu schlagen und seine Augen winden sich wirr nach hinten, während sie dabei zusieht, wie sein Körper zu Boden sinkt.

Blind FireWhere stories live. Discover now