- Kapitel 191 -

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Schnelle Schritte hallen durch die leeren Straßen des Zentrums der Hauptstadt. Tariks Atem geht stoßweise und seine Lunge brennt. Er ist den ganzen Weg seines Heimatdorfes über gerannt. Hat sich nur gelegentlich teleportiert um seine magische Kraft zu sparen. Hat sich an unzähligen Magiern des schwarzen Rings vorbeigeschlichen sowie einige Gardemagier niedergestreckt.
Ich hoffe ich komme nicht zu spät, schießt es ihm durch den Kopf als er die Ruinen erblickt. Mithilfe seiner Implusmagie sucht er das gesamte Stadtzentrum nach einem ganz bestimmten Punkt ab.
Ein bestimmter Herzschlag.
Er reißt seine Augen auf, als er ihn klar und deutlich erkennen kann.
„Ember!", entkommt es ihm, während sein Herz einen Satz macht. Außer Atem kommt er vor der provisorisch eingerichteten Basis an und verliert keine Zeit. Hektisch sieht er sich um und schiebt sich an wild umherrennenden Magiern vorbei. Überall liegen Verletzte und werden versorgt. Tarik entdeckt Embers braunen Schopf vor einer Liege am Boden stehen, während sie mit Midan spricht.
„Dem Himmel sei Dank, dir geht es gut!", entkommt es Tarik erleichtert und stürzt sich auf die kleine Feuermagierin. Er zieht sie eng an sich und atmet ihren Duft ein.
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht", murmelt er, während Ember überrumpelt die Augen aufreißt.
„Tarik?!", haucht sie und krallt sich im nächsten Moment in seinen Rücken. „Was machst du denn hier?", entkommt es ihr während sie ihn besorgt mustert.
„Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht, als bekannt wurde, welch Massaker Trios geplant hat. Ich wollte helfen", erklärt er und sieht an Ember vorbei. Sein Blick trifft erst Midan, ehe er auf Eliana hinabgleitet.
Ein Schatten legt sich über sein Gesicht.
„Wie geht es deinen Eltern? Dem Osten?", fragt er aufgeregt woraufhin Ember schuldbewusst mit den Schultern zuckt.
„Ich weiß es nicht..Eliana und ich hatten keine Möglichkeit miteinander zu sprechen..zumindest nicht darüber", gesteht sie, ehe Midan sich zu Wort meldet.
„Der Familie Akela geht es gut. Sie wurden zusammen mit dem Rest der östlichen Bevölkerung in unterirdische Bunker geführt", erklärt er, weshalb Ember und Tarik ein erleichtertes Seufzen entrinnt.
„Eine Sorge weniger", murmelt Ember und wischt sich aufgeregt übers Gesicht. „Tarik, du sagtest du willst uns helfen? Folge mir. Ich erkläre dir wie unsere Abwehrstrategie aussieht", meint sie entschlossen und wirft Midan noch einen Blick über die Schulter zu.
„Ich weiß nicht wie viel sie dir erzählt hat, doch..unsere Vergangenheit ist kompliziert. Es gibt noch so vieles über was wir uns unterhalten müssen..so vieles, was wir klären müssen. Doch trotz alle dem ist sie meine Schwester und sie bedeutet mir viel. Ich kann nicht von dir verlangen, dass du dein Leben für ihren Schutz gibst, doch..ich bitte dich darum. Weiche nicht von ihrer Seite. Sollte ich nicht wieder kommen..sollte ich..", stockt sie und erinnert sich an Salem. Wie er ihr seine letzte Nachricht übermittelte. Wie froh sie gewesen ist, dass er diesen Schritt gegangen ist.
„..sollte ich sterben..bitte richte ihr aus, dass ich sie liebe und ihr verzeihe", fährt sie fort und schenkt der Blondine einen aller letzten liebevollen Blick, ehe sie mit Tarik zur Stadtkarte läuft und den Blauhaarigen mit leicht geöffnetem Mund zurücklässt.

„Wie es aussieht hast du dein Ziel erreicht, Eliana", haucht er und umfasst sanft ihre Hand. Er starrt erneut auf Embers Rücken, die Tarik gerade die Lage erklärt. Er begreift allmählich wieso Eliana so besessen von ihrer Schwester ist. Sie ist eine unfassbar starke Magierin. Immer wieder hat er für wenige Sekunden sein Bewusstsein zurückerlangt, als er im Schutzraum des Palastes am Boden lag. Er erinnert sich vage an Embers Anblick. Wie das Feuer ihren Körper umspielte..wie die Flammen sich blau färbten. Wie sie den Kronprinzen durch den Raum schleuderte. Wie sie das vollbrachte, was er nicht schaffen konnte.
Bewundernd senkt er den Blick.
Dabei streift er den Leichnam ihres Kameraden. Wie war sein Name noch gleich? Salem? Bedächtig faltet er die Hände und beginnt zu beten. Ember hat einen nahestehenden Freund verloren, zwei ihrer Kameraden sind schwer verletzt und auch General Kalen ist geschwächt. Auch wenn sie vor wenigen Augenblicken noch am Boden zerstört gewesen ist hat sie sich zusammengerissen. Ihre Willenskraft ist beeindruckend.
Eine Eigenschaft, die die beiden Schwestern wohl gemeinsam haben.
Anders als Eliana strahlt Ember jedoch deutlich mehr Ruhe und Kontrolle aus. Vermutlich ist das auch der Grund weshalb sie die Herausforderungen und Kämpfe bisher so gut gemeistert hat.
„Kein Wunder, dass du ihr so nacheiferst..", murmelt Midan und lässt seinen Blick gedankenverloren zu Eliana zurückgleiten, die ihm einen wütenden Blick zuwirft.
„Eliana!", entkommt es ihm überrumpelt während er zusammenzuckt.
„Meine Schwester ist fantastisch..das weiß ich selbst", krächzt sie und rümpft eingeschnappt die Nase. „Wenn du sie so toll findest dann schließ dich doch ihr an", murrt sie, doch ihre Worte erreichen den Blauhaarigen nicht. Viel zu glücklich ist er, dass sie die Augen wieder geöffnet hat. Er führt ihre Hand an seine Lippen und schließt die Augen.
„Auch wenn deine Schwester eine ausgezeichnete Magierin ist und ich sie respektiere..ich würde deine Seite nicht verlassen", entgegnet er seicht lächelnd, ehe er einen Kuss auf ihren Handrücken haucht.
„Denn ich empfinde weit mehr für dich als bloßen Respekt, Eliana", fügt er grinsend hinzu, während sich eine dezente Röte auf seinen Wangen bildet. Eliana weitet ihre Augen, ehe auch ihr plötzlich warm ums Herz wird.
„Ich werde Ember informieren, dass du wach bist", wechselt er das Thema galant, als sie ihn zurückhält.
„Das würde sie nur ablenken. Lassen wir sie strahlend den Sieg holen", entgegnet Eliana und hat ein schmerzverzehrtes Grinsen auf den Lippen. Die Schmerzen in ihrer Brust übermannen sie beinahe.
„Sie würde sich nur Sorgen machen wenn sie mich so sieht. So lange sie denkt, dass ich schlafe kann sie ihren Fokus auf den Kampf richten", fügt sie hinzu und schielt zu Silva hinab. Sie streckt ihre Hand nach ihm aus und streicht langsam über seinen Rücken, lässt Midans Hand jedoch nicht los.
„Ich werde noch genug Zeit mit ihr bekommen. Ich weiß, dass sie dafür sorgen wird", lacht sie leise auf, während Ember mit Tarik im Schlepptau die Basis verlässt.

Die in Flammen stehenden Ruinen werden nach und nach in Dampf gehüllt. Das Feuer ebbt ab und die endlich zurückgekehrten Wassermagier verschaffen sich einen groben Überblick. Auch Arryn sprintet eilig zurück ins Zentrum. Suchend blickt er sich um, doch er entdeckt nur wenige Magier im Umfeld. Sein Blick bleibt plötzlich an einem nur allzu bekannten Blondschopf hängen, der fassungslos nach vorn starrt. Auch Arryn folgt seinem Blick und erstarrt für einen Augenblick. Er nimmt die Beine in die Hand und hechtet schützend vor Kairyan.
„Bleib zurück!", brüllt er und fletscht die Zähne. „Arryn?!", entkommt es dem Blondschopf, der einen weiteren Riss der Barriere kittet.
„Lauf!", knurrt Arryn und beschwört bereits mehrere Eisspeere.
„Halt Arryn!", versucht der Glasmagier seinen Kamerad zur Vernunft zu bringen. „Beruhige dich doch! Verdammter Riesenaffe..", zischt er und zerrt an seinen breiten Oberarmen.
„Aber-", setzt der Eismagier zum Protest an, doch Kairyan grätscht dazwischen.
„Die drei sind auf unserer Seite! Die Feuerfontäne ist gegen die Gardemagier gerichtet", klärt er ihn auf, woraufhin Arryn ihn stirnrunzelnd von oben herab anstarrt.
„Was?", haucht er und lässt die Arme endlich sinken.
„Das ist eine lange Geschichte..", murmelt der Blondschopf und hat dabei noch immer die Oberarme des breiten Schranks umklammert. Erleichtert atmet Arryn die angestaute Luft aus. „Ich dachte schon ich..", stockt er plötzlich und sieht auf Kairyans Hände. Er legt seine raue Hand auf die seines Kameraden und drückt sie sachte.
„Als ich die Fontäne erblickte und dich direkt davor stehen sah..habe ich tausend Bilder des letzten Mals vor meinem inneren Auge gesehen", erklärt er und hat den Blick noch immer nach unten gerichtet.
„Ich dachte..dieses Mal würde ich dich..vielleicht wirklich verlieren", fügt er hinzu und sieht ihm mit weichen Gesichtszügen entgegen.
Kairyan hingegen weitet seine Augen, als auch er sich erinnert.
Arryns funkelnde Augen im Schein der Flammen, seine Hand auf seinem Nacken, seine Stirn gegen seine gedrückt.
Augenblicklich bildet sich eine unmerkliche Röte auf seinen Wangen, ehe er hastig seine Hand zurückzieht.
„Schwachsinn! So leicht gehe ich nicht drauf", entkommt es ihm energisch grinsend.
Insgeheim fragt er sich, weshalb es sich immer im Angesicht großer Gefahr so intensiv anfühlt. Arryns Berührungen, sein Blick, seine Worte. Alles kommt ihm viel klarer, viel bedeutender vor.
„Ich helfe dir", reißt Arryn den Glasmagier aus den Gedanken und setzt seine Magie nun ebenfalls zum Erhalt der Barriere ein. Er dreht Arryn bereits den Rücken zu, als er plötzlich die Hand des Eismagiers seine Finger streifen spürt. Er umgreift sie zaghaft ohne sich umzudrehen. Der Blondschopf hingegen wendet irritiert den Blick nach hinten. Arryns Seitenprofil gibt seine scharfen Gesichtszüge preis. Genau wie damals ist das Lichtspiel der flammenden Feuerfontäne in seinen Augen zu erkennen. Er sieht konzentriert nach oben und beobachtet die drei Attentäter dabei, wie sie ihren Angriff vorbereiten, während Kairyans Blick nach unten zu ihren Händen wandert. Sein Herz pocht in seiner Brust und sein Gesicht läuft rot an, doch er entzieht sich Arryns Griff nicht. Er atmet tief ein und aus ehe sich ein dezentes Grinsen auf seine Lippen schleicht.
Er erwidert Arryns seichten Druck und umfasst seine Hand fester.
Wieder einmal sagt keiner der Beiden auch nur ein Wort. Genau wie damals wissen beide bereits, was der jeweils andere wohl zu sagen hätte.

Blind FireWhere stories live. Discover now