- Kapitel 62 -

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Sekurions Worte hallen mir wie ein irrwitziges Mantra im Kopf umher. Immer und immer wieder werden diese surrealen Worte erneut erzeugt und erschüttern mich jedes Mal auf's Neue.
Er wird den Pakt zwischen uns lösen?
Alastair, er..er wird nicht länger mein Bindungsparnter sein? Ist das denn überhaupt erlaubt? Darf Sekurion das überhaupt einfach so entscheiden?!
Natürlich darf er das..er ist die Nummer eins der Generäle, doch..was wird dann aus ihm? Was wird dann aus mir? Werde ich disqualifiziert? Wird Alastair seiner Kräfte beraubt? Hochverrat ist kein Kavaliersdelikt hier in Adaron..wird man ihn möglicherweise sogar hinrichten lassen?!

Meine Gedanken drehen sich, überschlagen sich wild, erzeugen ein absolutes Chaos, sodass ich keine klare Struktur mehr hineinbringen kann. Ich habe das Gefühl mein Kopf platzt jeden Moment.
Ember so beruhige dich doch. Mach dir keine Sorgen. Mir ist durchaus bewusst, wie verzwickt und heikel diese Situation momentan ist, doch jetzt durchzudrehen wird weder dir noch mir was nützen. Hör mir jetzt gut zu, verstanden?", dringen Alastairs ruhige, dennoch bestimmte Worte zu mir durch. „General Sekurion weiß selbst, dass ich nicht der Drahtzieher hinter dieser ganzen Sache bin. Gib ihm nicht die Schuld für sein Handeln. Wir haben nicht mehr viel Zeit, also merke dir meine folgenden Worte genau. Durch meine Freistellung wird dir ein neuer Bindungspartner zugewiesen werden, der die dritte Etappe mit dir bestreiten wird. Ich weiß, dass das nicht einfach sein wird, dich plötzlich auf jemand Neues einzustellen. Ich werde General Sekurion daher bitten, dir Levion zur Seite zu stellen und-",
Was?!", unterbreche ich Alastairs hektische Nachricht an mich mit weit aufgerissenen Augen. „Ember, hör mir zu! Du musst heute unter allen Umständen gewinnen, hast du verstanden? Ich habe dir die Frage gestern Abend nicht völlig grundlos gestellt. Denk darüber nach, wen du am meisten auf der Welt bewunderst und weshalb", fährt er energisch fort, während ich allmählich den Punkt erreiche, an dem ich meinen Verstand zu verlieren drohe.
Er will, dass ich gewinne? Wie um alles in der Welt soll das denn funktionieren?!
Gewinne nicht nur um deine Kräfte zu behalten, gewinne nicht nur um Teil des schwarzen Rings zu werden, um es all deinen Neidern und Zweiflern zu zeigen. Gewinne nicht nur für dich selbst sondern gewinne auch für mich. Wenn du heute nur wegen meiner Verhaftung scheitern solltest könnte ich mir das niemals verzeihen, hast du gehört? Diese Anklage, der Prozess..das alles ist momentan nicht relevant, verstanden? Die Sache wird sich in ein paar Tagen bereits wieder aufgeklärt haben, doch das Duell endet heute. Bitte konzentriere dich nur auf die Etappe, versprich es mir", vernehme ich seine flehenden Worte in Gedanken und ringe mit mir. Ich beiße die Zähne aufeinander. So fest, dass ich mir einbilde bereits das Knacken von zersplitterten Zähnen zu hören.
Mach mich stolz, meine Kleine", sind seine letzten Worte, die er mit einem verschmitzten Grinsen an mich richtet, doch er kann mir nichts vormachen. Seine Augen spiegeln seine wahre Gefühlsebene wieder. Er ist traurig und wütend und das zurecht. Dennoch will er es nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist.
Er ist immer so bedacht und ruhig. Konzentriert und clever. Auch wenn er gerade dabei ist völlig unschuldig verhaftet zu werden, seinen Schützling zu verlieren und wer weiß was noch alles, so behält er immer die Nerven, blendet alles um sich herum aus und fokussiert sich nur auf das, was er tatsächlich in der Hand hat.
Das ist mir bereits von Anfang an aufgefallen und, um ehrlich zu sein, beneide ich ihn ein wenig um diese Fähigkeit. Seit jeher wurde ich von Meister Tarik unterwiesen immer einen kühlen Kopf zu bewahren und meine Möglichkeiten in vollem Maße auszuschöpfen. Ich habe immer gedacht, dass ich mittlerweile ziemlich gut darin geworden bin, doch Alastair ist der lebende Beweis dafür, dass ich noch einiges zu lernen habe.

„Bist du bereit?", reißt mich General Sekurions Stimme aus meinen Gedanken, während er bereits direkt vor Alastair steht und seine Finger auf dessen Schläfen positioniert. Stumm nickt der Schwarzhaarige und schließt dabei seine Augen. Völlig außer mir reiße ich den Mund auf, doch ich bringe keine Worte heraus. Ich will schreien, ich will meine beißenden Flammen auf all diejenigen hetzen, die Alastair unrecht tun, doch ich kann mich nicht bewegen. Regungslos stehe ich also da und muss dabei zusehen, wie der Pakt, unser Pakt, zwanghaft gelöst wird. Ein schmerzhaftes Stechen durchfährt meinen Augapfel, doch dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu der Wut, die ich in mir spüre. Ich habe das Gefühl mein Blick ist von lodernden Flammen erfüllt und vernichtet jeden einzelnen, der es wagt mir ins Gesicht zu sehen.

„Bringt ihn ins Verließ. Stellt sicher, dass er gesondert untergebracht wird. Er ist schließlich nicht umsonst die Nummer zwei", weist Sekurion die beiden Ordensmitglieder an, die den geschwächten Alastair nickend mit sich ziehen. Ein letztes Mal noch dreht er seinen Kopf ein wenig nach hinten und zwinkert mir zu. Mein Herz verkrampft sich, mein Magen rebelliert. Hätte ich den Joghurt von zuvor tatsächlich gegessen wäre er spätestens jetzt wieder an die Oberfläche gekommen.
Mit starrem Blick sehe ich ihnen hinterher, während Sekurion noch immer mit gefalteten Händen an Ort und Stelle steht. Meine Wut ist nicht länger zu bändigen, in meinem Kopf legt sich irgendein Schalter um, eine Sicherung brennt durch und flutet ihn mit Funken. Ich sehe nur noch rot.
Ohne großartig darüber nachzudenken setze ich zu einem Sprint an und beschwöre bereits eine Feuerfaust, so groß, wie ich sie noch nie erschaffen hatte. Blindlings will ich auf die Ordensmitglieder los, will sie nur noch tot sehen, bis mich zwei unglaublich starke Arme packen und mich krampfhaft zurückzerren.
„Ember! Hey Ember, beruhige dich! Tu das nicht!", presst Arryn schwer atmend hervor, da er große Mühe hat mich zurückzuhalten und dabei nicht selbst von meinen Flammen verbrannt zu werden. „Lass mich los! Das lasse ich nicht zu!", brülle ich wie von Sinnen und zische verzweifelt.
„Ember! Immer mit der Ruhe. Ich weiß, das ist gerade alles ein wenig viel aber reiß dich verdammt nochmal zusammen. Du bringst dich in Teufels Küche wenn du jetzt die Ordensmitglieder abfackelst", murmelt Kairyan mit angestrengtem Gesicht, da auch er versucht mich zurückzuhalten. „Das ist mir völlig egal!", zische ich wutentbrannt. „Das wird General Kalen auch nicht helfen! Denk doch mal darüber nach! Was nützt es denn, wenn du am Ende auch noch im Kerker sitzt?!", versucht Arryn mich mit logischen Argumenten zu überzeugen.

Allmählich sickern die Worte meiner Freunde zu mir durch. Sie haben recht. Natürlich nützt es nichts die Ordensmitglieder umzubringen, doch irgendetwas muss ich doch tun! General Sekurion hingegen beobachtet die Szene ohne mit der Wimper zu zucken. Sein betrübter Blick ist auf Alastair gerichtet, der mittlerweile beinahe nicht mehr zu sehen ist. Arryns Griff um mich lockert sich ein wenig, bis er schließlich völlig von mir ablässt. Ich fühle mich kraftlos, haltlos, hilflos. Meine Beine wollen nachgeben, doch ich zwinge sie standhaft zu bleiben. Ich atme tief ein, ehe ich mit steinerner Miene auf Sekurion zugehe. Er scheint mich nicht einmal wahrzunehmen, bis ich direkt vor ihm zum Stehen komme.

„Das werde ich niemals vergessen", richte ich mein Wort an ihn und durchbohre ihn förmlich mit lodernden Flammen in den Augen, ehe ich ohne ein weiteres Wort zu verlieren an ihm vorbeischreite. Ich muss mich konzentrieren, das tun, was Alastair mir aufgetragen hat.
Ein Plan muss her und zwar schnell.

Blind FireWhere stories live. Discover now