- Kapitel 4 -

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Die Sonne steht hoch am Himmel und strahlt gnadenlos auf die ohnehin bereits stickige und erhitzte Stadtmitte. Auch wenn ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe meine Augen einzusetzen, um zu sehen, so habe ich das Gefühl, dass sie noch immer sehr lichtempfindlich sind.
Ratlos streife ich mit gesenktem Blick durch die Straßen und hoffe jemanden zu finden, der mir sagen kann, welcher Weg zum Hauptquartier des schwarzen Rings führt.
Meister Tarik hatte mir den groben Weg erklärt bevor wir aufbrachen, doch ich kann leider keinen der genannten Orientierungspunkte entdecken. Scheinbar bin ich bereits stark vom richtigen Weg abgekommen oder ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Seufzend schüttle ich den Kopf und sehe mich nochmals um. Menschen jeglicher Gesellschaftsklassen schreiten an mir vorbei. Einige von ihnen scheinen in Eile zu sein, andere wiederum schleichen nahezu die Straßen entlang. Schließlich gebe ich die Suche auf eigene Faust auf und entschließe mich dazu einen etwas älteren aber recht nett wirkenden Mann nach dem Weg zu fragen.
Er kommt gerade voll beladen aus einem der unzähligen kleinen Geschäfte und verweilt noch einen Moment unter dem dunkelgrünen Spanntuch, welches als Sonnenschutz gedacht zu sein scheint.
„Entschuldigen sie, mein Herr, doch könnten sie mir freundlicherweise den Weg zum Hauptquartier des schwarzen Rings beschreiben? Ich glaube ich habe mich ein wenig verlaufen", meine ich unbeholfen, als ich näher auf ihn zuschreite. Überrumpelt dreht er sich mir zu und setzt den schwer aussehenden Sack auf seiner Schulter auf dem Boden ab. Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen, als er mich vor sich stehen sieht.
„Ich schätze da habe ich wohl schlechte Neuigkeiten, junges Fräulein. Das Hauptquartier befindet sich auf der anderen Stadtseite, etwa eine gute halbe Stunde Fußmarsch von hier", erklärt er woraufhin ich niedergeschlagen die Schultern hängen lasse.
„Eine halbe Stunde?!", wiederhole ich genervt und ernte ein entschuldigendes Kopfnicken seinerseits. „Nun, eine halbe Stunde gemessen an meinem Tempo. Möglicherweise schafft es ein so junges Mädchen auch in zwanzig Minuten", versucht er mich aufzubauen und beschreibt mir den schnellsten Weg durch die Stadt.

Nach etlichen kleineren Umwegen kam ich tatsächlich auf dem großen Versammlungsplatz des schwarzen Rings an. Er sah genauso aus, wie ihn der alte Mann beschrieben hatte.
Der Platz ist so groß, den kann man überhaupt nicht verfehlen", meinte er ehe ich mich dankend von ihm verabschiedete.
Ich muss zugeben, dass der Platz wirklich eindrucksvoll wirkt, auch ohne prunkvolle Verzierungen oder großangelegten Bepflanzungen.

Bei genauerem Hinsehen erkenne ich bereits eine lange Schlange vor den vermeintlichen Eingangstoren, die aus massivem Eisen zu bestehen scheinen. Der Rest des Quartiers ist ebenfalls in dunklem und robust wirkendem Stahl erbaut, der lediglich ab und an von Beton abgelöst wird. Hoch über den Eingangstoren, relativ mittig, ist ein riesiges Siegel aus Gold zu sehen, welches einen kreisrunden schwarzen Ring zeigt. Beeindruckt schreite ich darauf zu und stelle mich ans Ende der Schlange. Etwas Nervös sehe ich mich um und schnappe hier und da Gesprächsfetzen der anderen Magier einige Plätze vor mir auf.

„Ich habe gehört das Duell dieses Jahr soll härter sein, als das der letzten Jahre", zieht eine Aussage meine Aufmerksamkeit auf sich.
„Ja das habe ich auch gehört! Angeblich sollen dieses Jahr viele starke Magier am Duell teilnehmen weshalb man die Messlatte höher gehängt hat", entgegnet eine weitere Stimme.
„Ausgerechnet dieses Jahr! Das Duell ist an sich ja nicht schon schwer genug zu bestreiten", nörgelt ein weiterer während ich aufmerksam lausche.

„Scheint wohl nicht einfach zu werden, was?", erklingt eine männliche und tiefe Stimme hinter mir weshalb ich erschrocken zusammenzucke. Verwirrt drehe ich meinen Oberkörper nach hinten und sehe in ein dunkelblaues Augenpaar. Blonde Haarsträhnen hängen locker und wild verteilt in der Stirn des jungen Mannes während sich vereinzelt einige Bartstoppeln auf seinem Kinn zeigen. Unsicher, ob der Fremde mit mir sprach oder nicht hebe ich stirnrunzelnd eine Augenbraue und starre ihm wartend entgegen.
„Naja, das haben die Pfeifen dort vorn zumindest gerade gesagt, oder nicht? Bitte verzeih mir falls ich dir fälschlicherweise unterstellt habe gelauscht zu haben", fährt er grinsend fort woraufhin ich empört die Brauen zusammenziehe.
„Natürlich habe ich nicht gelauscht, solch ein Verhalten ist unhöflich", verteidige ich mich und verschränke meine Arme vor der Brust. Der Blondschopf vor mir verzieht seine Augen zu Schlitzen und setzt ein noch breiteres Grinsen auf. „Jemandem mit einer verdunkelten Brille in die Augen zu sehen ist ebenfalls unhöflich, junge Dame", neckt er mich woraufhin ich spottend die Luft ausstoße.
„Oh, bitte verzeih mir, dass ich nicht sofort jeden wissen lassen will, dass ich blind bin", entgegne ich und ziehe mir die Brille von der Nase. Augenblicklich verschwinden die Bilder meiner Umgebung und lassen mich wieder einmal in der Dunkelheit zurück. Jedes Mal, wenn ich Agira von mir trenne wird mir schmerzlich bewusst, wie sehr ich mich mittlerweile bereits an ihn und seine Hilfe gewöhnt habe. Etwas zu sehr, wie mir scheint.
„Ich bitte um Entschuldigung..mein Verhalten war taktlos. Ich hatte nur nicht erwartet..naja..", druckst er herum während ich ihn weiterhin mit meinen grauen Pupillen anstarre ohne ihn dabei wirklich zu sehen.
„Was? Dass eine Blinde am Duell der magischen Künste teilnimmt?", beende ich herausfordernd seinen Satz und sehe, wie der kleine schlagende Punkt in seiner Brust immer schneller pulsiert.
„Ich wollte es nicht so ausdrücken aber ja..", gibt er offen zu und seufzt dabei. Ein kleines süffisantes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen während ich Agira wieder auf seinen Platz setze. Der Gesichtsausdruck meines Gegenübers ist unbezahlbar, einfach zum todlachen. Es scheint nicht sonderlich schwer zu sein ihm Schuldgefühle einzureden.
„Du hast ja nicht ganz unrecht. Was kann eine Blinde bei solch einem Duell schon erreichen, nicht wahr?", meine ich und sehe ihn die Stirn runzeln. „Wieso nimmst du dann teil?", fragt er verwirrt woraufhin ich mit den Schultern zucke.
„Aus Lust und Laune?", veralbere ich ihn und beobachte, wie sein Mund ein Stück weit aufklappt.

Mittlerweile haben sich bereits weitere Magier der Schlange angeschlossen und ich entdecke unweit hinter meiner neusten Bekanntschaft einige altbekannte Gesichter.
„Hey, das ist doch Ember Akela?!", entkommt es einem der Mädchen, welches mich bereits während der Artefaktzeremonie vor zwei Jahren verhöhnte. Was habe ich doch für ein unsagbares Glück, diesen dämlichen Ziegen aber auch bei jeder Veranstaltung über den Weg zu laufen.
„Ja das ist sie! Das kann doch nicht ihr ernst sein, will sie sich umbringen?", spottet ein weiteres Mädchen hämisch.
„Selbst wenn sie nicht während des Duells stirbt, sie wird es doch niemals für sich entscheiden können. Sie wird ihre Zauberkräfte verlieren", meint eine andere während ich die Augen verdrehe.

Ich bin mir der Gefahr durchaus selbst bewusst. Alle Teilnehmer, die die erste Etappe meistern und eine Runde weiter kommen verlieren ihre Kräfte für immer, sollten sie bei der zweiten Etappe scheitern. Meister Tarik besprach dieses Thema lang und breit mit mir, als ich zum ersten Mal erwähnte, dass ich mich der Herausforderung des Duells stellen wolle. Er bläute mir ein, welche Konsequenzen eine Niederlage mit sich bringen würde und prüfte mehrfach, ob ich auch wirklich verstanden hatte worauf ich mich dabei einließ. Doch selbst diese erschreckende Tatsache hielt mich nicht davon ab meinen Entschluss durchzusetzen. Ich lebte bereits länger, als die Hälfte meiner Lebenszeit ohne Magie. Auch wenn es mir einiges abverlangen würde mich plötzlich wieder einzig und allein auf meinen Körper und meine Sinne verlassen zu müssen, so weiß ich, dass ich keine Sekunde davon vergessen hatte. Jeder Muskel, jede Faser meines Körpers erinnert sich noch daran.

Dennoch war es erst die Magie, die meinem Leben ein wenig Freude einhauchte. Es war, als wäre über die letzten zwei Jahre hinweg eine beißende Flamme, aus einem zuvor nur schwach glühendem Funken entstanden. Ich bin mir des Risikos durchaus bewusst, doch diese Flamme, die momentan in mir brennt reicht mir nicht. Ich will mehr, ich brauche mehr.

Ich will ein Feuer entfachen, welches mich vollständig erfüllt, welches so hell brennt, dass es alle anderen in den Schatten stellt.

Blind FireTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon