- Kapitel 83 -

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Frustriert fahre ich mir durch die Haare. Ich unterdrücke einen aufkommenden Schrei der Verzweiflung. Wütend packe ich mir eine Kugel nach der Anderen und schleudere sie weit weg von mir. Fertig mit den Nerven schlage ich blindlings auf die Kugeln ein und brülle ihnen entgegen.
Ist das der Punkt an dem es nicht  mehr weitergeht? Ist das meine Grenze?
Ich wollte doch noch so vieles erleben. Ich wollte gemeinsam mit Kairyan und Arryn die Hauptstadt erkunden und mit ihnen hier her ziehen. Ich wollte in Alastairs Trupp unter seiner Führung dienen. Ich wollte stärker werden, besser werden, noch so vieles lernen. Ich wollte die anderen Königreiche sehen, Meister Tariks Heimat Trios besuchen. Ich wollte Alastairs Unschuld beweisen, ihn aus dem Kerker holen, Rache an Veros nehmen, für die anderen, die bereits scheiterten gewinnen, meine Schuld wieder gutmachen..Sterbe ich nun wirklich ohne all das wahr zu machen?

Die wahre Schande ist nicht das Verlieren, sondern das liegen bleiben", hallen mir Levions Worte im Kopf wieder.

Es sind einfach zu viele Gründe, die mich dazu bewegt haben dich auszuwählen. War es..das Brennen in deinen Augen?", schwirren mir nun auch Alastairs Worte durch den Kopf. Das Brennen in meinen Augen..könnte er mich jetzt sehen..er wäre wohl zutiefst enttäuscht von mir.

Du musst heute unter allen Umständen gewinnen, hast du verstanden? Gewinne nicht nur um deine Kräfte zu behalten, gewinne nicht nur um Teil des schwarzen Rings zu werden, um es all deinen Neidern und Zweiflern zu zeigen. Gewinne nicht nur für dich selbst sondern gewinne auch für mich", dringen seine letzten Worte erneut zu mir durch.

Alastair hat recht. Es führt zu nichts jetzt durchzudrehen. Die Situation ist unumgänglich. Mir bleiben nicht viele Optionen. Genauer gesagt bleiben sogar nur zwei. Entweder ich gebe widerstandslos auf oder ich gehe mit Stolz unter. Wenn ich schon verliere möchte ich wenigstens entscheiden, wie ich verliere. Zwar ist das Ergebnis beider Optionen das gleiche, doch ich gebe mich nicht kampflos geschlagen! Ich werde bis zum bitteren Ende standhalten. Das bin ich Alastair, Levion, allen anderen und mir selbst schuldig.
Entschlossen wische ich mir die Tränen und den Schweiß aus dem Gesicht.

Meine Füße kommen mit Wucht auf dem steinigen Boden auf.
Die Zeit steht still.
Levion lehnt an einer der Felswände und blickt neugierig zu mir rüber. Ohne weitere Zeit zu verschwenden deaktiviere ich das Siegel auf meinem Handgelenk und die Pfeile verschwinden. Die Farben kehren zurück und auch das Geschehen nimmt weiter seinen Lauf. Verwirrt schüttelt die Projektion den Kopf, da sie kurz bevor ich die Zeit stoppte um in die Zukunft zu blicken, noch zu einem vernichtenden Faustschlag ausholte, der nun ins Leere geht.
„Netter Trick", murmelt er und rappelt sich hastig wieder auf.
„Dann wollen wir mal verlieren", meine ich und bringe mich in Kampfposition. Irritiert runzelt er die Stirn, ehe er leise auflacht. Levion hingegen entkommt ein schiefes Grinsen.
„Na immerhin hast du mittlerweile endlich begriffen, dass du verlieren wirst", entgegnet das Abbild schulterzuckend.
„Aber wenn ich schon verliere..", fahre ich fort und spanne meine Muskeln an, um im nächsten Moment los zu sprinten.
„..will ich wenigstens entscheiden wie!", entkommt es mir wild entschlossen, während ich ihn mit voller Wucht treffe.
„Und das wird sicherlich nicht kampflos sein!", füge ich hinzu, ehe ich nochmals Anlauf nehme, mich vom Boden abdrücke und mit dem Ellenbogen voraus direkt auf sein Gesicht ziele. Keuchend wird er zurückgedrängt, doch er fängt sich gerade noch so.
„Du kleine..", murrt er und umgibt sich erneut von violettem Nebel. Wutentbrannt prescht er nach vorn und streckt seine Hand nach mir aus. Er packt mich am Kragen meiner Uniform und hebt mich mit Leichtigkeit in die Höhe.
„Ich werde dir dein Herz rausreißen, nur um ganz sicherzugehen, dass du auch wirklich ins Gras gebissen hast!", brüllt er mir entgegen, während er bereits mit der anderen Hand ausholt. Wütend starre ich ihm entgegen, will mich irgendwie aus seinem Griff befreien, doch es ist zwecklos. Nur Sekundenbruchteile später ist seine Hand bereits gefährlich nahe und ich befürchte schon das schlimmste, als uns plötzlich eine gewaltige Kraft auseinanderreißt. Wir beide werden jeweils ans andere Ende des Hohlraums geschleudert und fallen zu Boden. Hustend richte ich mich auf und halte mir den Bauch.
Was um alles in der Welt war das eben?
War er das?
Hat Levion eingegriffen?
Hastig blicke ich zu ihm, doch dieser steht noch immer an der Wand gelehnt und beobachtet die Szenen vor sich stumm.
Nein, er hat damit nichts zu tun gehabt. Ich lasse meinen Blick weiter gleiten und bleibe an der Abbildung hängen, die mich ebenfalls verwirrt mustert. Er scheint auch nicht zu verstehen, was hier gerade geschehen ist. Es bleibt mir jedoch keine Zeit um genauer darüber nachzudenken, denn Alastairs Projektion hat sich bereits wieder in Bewegung gesetzt. Jeder Schlag der mich trifft, hätte die Kraft gehabt mich zu töten, doch stattdessen werden wir nur immer weiter voneinander weggeschleudert.
Er kann mich nicht töten, schießt es mir durch den Kopf. Natürlich, das hier ist kein echter Kampf. Es ist eine Prüfung, eine Etappe. Dieser Kampf hat nie beabsichtigt mich umzubringen. Dafür ist das System hier nicht ausgelegt. Scheinbar weiß das die Projektion allerdings nicht. Jedes Mal wenn er einen tödlichen Schlag ausführt geschieht nichts weiter, als dass sich die magische Kraft in den leeren Raum zwischen uns entlädt. Hätte er dabei auf meine Gliedmaßen gezielt und nicht auf mein von der Uniform geschütztes Herz, hätte ich den Arm oder das Bein verloren. Mir kommen die unangenehmen Bilder der schwebenden Zeitkugeln wieder in Erinnerung.
So kamen diese Szenen also zustande.
Ich muss darauf achten meine Glieder zu schützen. Soll er ruhig weiterhin meinen Brustkorb attackieren.
Doch wie konnte ich dann meinen eigenen Tod vorhersehen? Wenn diese Prüfung tatsächlich nicht dafür ausgelegt ist mich zu töten, kann ich folglich auch nicht sterben.
War ich denn wirklich tot?
Könnte es nicht nur Bewusstlosigkeit gewesen sein? Der Grund, weshalb ich keine magische Präsenz spüren konnte, könnte auch daran liegen, dass ich in dieser Zukunft einfach all meine Kraft aufgebraucht hatte und demnach Ohnmächtig wurde.
Was auch immer diese Zeitkugel gezeigt hat, es kann nicht mein Tod gewesen sein.
Grinsend richte ich mich auf.
Das Blatt hat sich soeben gewendet.

Blind FireWhere stories live. Discover now