- Kapitel 155 -

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Ember POV

Die Massen ziehen an uns vorbei, während wir uns durch die Menge in der Hauptstadt quetschen. Dank der Karte des Informanten haben wir nun in etwa eine Ahnung, wo sich die Attentäter aufhalten. Das abzusuchende Gebiet ist nach wie vor groß, doch es ist immerhin ein Anhaltspunkt. Sollten wir nah genug an sie herankommen, kann ich durch meine Fähigkeit Magieflüsse zu sehen ihren genauen Standort herausfinden. Dafür müssen wir aber zunächst einmal an den östlichen Rand Travernas.

Seufzend weiche ich einem Trunkenbold aus, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Die Menschen hier sprechen eine andere Sprache und unterliegen einer anderen Führung, doch ihre Verhaltensweise unterscheidet sich nicht sonderlich von den Bewohnern Adarons.
Meine Gedanken schweifen ziellos umher. Selbst wenn ich es verhindern wollte..es wäre mir nicht möglich. Immer wieder schleichen sich die Sorgen um Setto und Alastair in den Vordergrund.
Alastair sitzt nun schon seit Monaten im Kerker. Ob es ihm wohl gut geht?
Auch Setto ist seit Wochen wie vom Erdboden verschluckt.
Ich balle meine Hand zur Faust.
Ob er mittlerweile bereits tot ist?
Ich weiß es nicht.
Sollte ich denjenigen, der dafür verantwortlich ist jemals in die Finger bekommen lasse ich keine Gnade walten.
Ich weiche erneut zur Seite und lasse die noble Aristokratenfamilie passieren. Zischend schüttle ich den Kopf. Sie denken nicht einmal daran ihre Augen auf den Weg vor sich zu richten. Die Welt kommt mir noch verdorbener vor, als sie es ohnehin schon war.
Mittlerweile habe ich wahrlich Zweifel an meinen Idealen.
Diese Geschöpfe soll ich mit meinem Leben beschützen?
Wofür denn?
Sie sind nichts weiter, als undankbare Aß Geier. Gierig nach Macht und Kontrolle. So vieles wurde mir innerhalb kürzester Zeit genommen. Mein Bindungspartner, mein Begleiter..Ich kann nicht abstreiten, dass ich anfangs noch guter Dinge war. Jedoch.. je mehr Zeit verging, umso stumpfer wurde ich. So sehr ich die Personen um mich herum auch schätze, es ist einfach nicht das gleiche, wie mit Alastair und Setto. Ich bin durchaus dankbar dafür eine so herzliche und warme Familie innerhalb Alastairs Trupp gefunden zu haben. Auch für Kairyan und Arryn würde ich jederzeit mein Leben geben ohne zu zögern. Die beiden sind mir genauso unersetzbar, wie Alastair und Setto. Ich habe nur das Gefühl, dass die derzeitigen Umstände das Schlimmste in mir hervorbringen. So dumpf habe ich mich nicht einmal gefühlt, als ich noch blind und hilflos gewesen bin. Damals, als Eliana noch mein einziges Problem gewesen ist. Verglichen mit der heutigen Zeit waren all die Jahre mit ihr ein Zuckerschlecken.
Wo sie wohl abgeblieben ist?
Sie ist ebenfalls seit Monaten verschwunden. Mutter und Vater sind krank vor Sorge seit herauskam, dass sie nicht bei besagter Freundin ist. Ich fasse mir ausgelaugt an die Stirn. Ich komme nicht drum herum mir auch um sie sorgen zu machen. So schwierig unser Verhältnis auch sein mag, sie ist meine Schwester. Ein Teil meiner Familie. So viele Dinge, die gerade nicht so laufen, wie sie sollen. So vieles, was ich tun müsste..so vieles worum ich mich kümmern sollte. Wütend verziehe ich mein Gesicht. Ich kann mich nicht zerreißen, doch..es ist so schwer Prioritäten zu setzen. Alastairs Befreiung, die Suche nach Setto und Eliana..Ich habe Angst. Werde ich wahnsinnig?
Ich habe mir sogar schon eingebildet Eliana hier in Trios gesehen zu haben. Dabei weiß ich genau, dass sie es nicht gewesen sein kann.
Was sollte sie auch hier in Trios wollen? Doch..ich war mir so sicher. Es war ihr Magiefluss. Dennoch, das ist nicht möglich. Ich raufe mir angestrengt durch die Haare. Ich muss mich konzentrieren. Meine Gedanken dürfen nicht die Überhand gewinnen. Alles, was jetzt zählt, ist die Attentäter festzusetzen. Ich muss einen Schritt nach dem anderen gehen. Ich muss strukturiert vorgehen.
„Ist alles in Ordnung?", reißt Arryn mich aus den Gedanken, woraufhin ich mehrfach blinzle.
„Ja doch, es geht mir gut", entgegne ich, doch er scheint meine Fassade zu durchschauen.
„Ich weiß, dass dir das alles zu schaffen macht. Kopf hoch, Ember. Du hast schon so vieles erreicht..so vieles geschafft. Du wirst auch hierbei nicht scheitern", spricht er mir Mut zu und legt mir eine Hand auf die Schulter.
„Ist es so offensichtlich?", murmle ich und senke den Blick.
„Wir kennen uns nun schon eine ganze Weile, nicht? Was wäre ich für ein Freund wenn ich das nicht sehen würde", kontert er grinsend. „Du weißt doch, dass meine Familie aus dem hohen Norden stammt, nicht? Unsere Residenz ist nahe der Grenze zum Königreich Terz. Die Winter dort sind hart und die Sommer kurz. Die Lebensbedingungen sind nicht gerade optimal. Es gibt eine Sage bei uns im Norden", fügt er hinzu und sieht abwesend nach vorn. „Wenn du dich in der Schneelandschaft verlierst und du nichts als todbringendes Weiß siehst, schließe deine Augen. Die Dunkelheit zeigt dir, dass du noch am Leben bist. Solltest du kein Schwarz vor dir sehen bist du bereits fort. Jedoch..darfst du deine Augen unter keinen Umständen geschlossen halten. Wenn du einschläfst versinkst du in endloser Finsternis", fährt er fort, woraufhin ich interessiert den Blick hebe.
„Es ist ein schmaler Grad zwischen Verstand und Wahnsinn. Das eine existiert nicht ohne das andere. Du brauchst beides, um bei Sinnen zu bleiben. Es ist in Ordnung sich verloren zu fühlen. Es ist in Ordnung einen Moment in der Dunkelheit zu verweilen. Doch es ist wichtig beide Komponenten in Balance zu halten. Verstehst du, Ember?", fragt er und sieht mir eindringlich entgegen.
Stumm nicke ich und sehe nachdenklich nach vorn.
Es ist wichtig die Balance zu halten?
Sowohl Kayrian, als auch Arryn überraschen mich immer wieder. Auch wenn sie die meiste Zeit über wahrlich anstrengend sind, so bin ich froh darüber, dass sie bei mir sind.
„Danke Arryn. Du weißt auch immer was du sagen musst, um mich zu beruhigen", murmle ich und schmunzle leicht. Ein zufriedenes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen, ehe er stumm nickt.
„Das muss es sein", wirft Kayrian ein und vergleicht die Karte mit dem Viertel vor uns. „Lasst uns die Treppen nehmen. Ab hier liegt es an dir", fügt er hinzu und kratzt sich nachdenklich am Hinterkopf, ehe er zu mir schielt.
„Überlasse das mir. Ich werde sie finden", meine ich und lege ihm eine Hand auf die Schulter.

Blind FireWhere stories live. Discover now