- Kapitel 88 -

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Scharfes Lufteinziehen, erfreutes Jubeln, lautstarkes Fluchen und überraschte Blicke wandern durch die Reihen der Zuschauer auf dem Marktplatz der Hauptstadt.
„Was? Die Blinde hat den Sieg nicht verdient! Da muss etwas schief gelaufen sein! Das ist Betrug!", „Ich wusste sie schafft es! Ha, ich habe mein jämmerliches Einkommen um das Dreifache für diesen Monat steigern können!",
„Ich habe voll und ganz auf die Energiemagiern der Akelas gesetzt..doch, sie?", erklingen die unterschiedlichsten Ausrufe der Freude oder der Verwunderung und Empörung. Auch Meister Tarik bleiben diese Worte nicht fern, doch er nimmt sie nur am Rande wahr.
Ich gratuliere ihnen..Miss Ember Akela", General Sekurions Worte hallen ihm noch immer im Kopf nach. Natürlich wusste er, dass Ember fähig dazu war den Sieg davon zu tragen. Schließlich wusste er besser, als jeder andere, zu was sie im Stande war, doch..dass sie es tatsächlich geschafft hat. Diese Tatsache haut ihn wahrlich um. Seine Schülerin, die er jahrelang ausgebildet hat und für diese eine Herausforderung vorbereitet hat, hat es geschafft. Selbst wenn er kein ausgebildeter Lehrmeister ist, keine besonderen Qualifikationen besitzt und er seither immer nur belächelt wurde.
Als Schmarotzer betitelt wurde, der sich auf dem Anwesen der Akelas durchfüttern ließ. Ausgerechnet seine Schülerin hat nun das mit Abstand härteste Duell des gesamten Königreichs für sich entschieden.
Sein Kopf verarbeitet diese Information nur langsam, doch als er endlich beginnt, sie zu realisieren kann er seine immense Freude darüber nicht länger verbergen. Mit aufeinandergepressten Lippen steht er klatschend und zum Monitor emporblickend neben den Akelas und kann seine Tränen nicht länger im Zaum halten. Er ist so wahnsinnig stolz auf Ember. Ihre harte Arbeit hat sich ausgezahlt, ihr grenzenloser Wille und ihre Hartnäckigkeit haben sich endlich bezahlt gemacht. Die Welle an Gefühlen überkommt ihn völlig unerwartet. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass er sich für sie freuen würde, sollte sie gewinnen, doch auf diese Fülle an Gefühlen, die er momentan im Inneren spürt war er nicht vorbereitet. Er ist stolz, glücklich, erleichtert und absolut sprachlos. Sein Blick liegt ausschließlich auf seiner Schülerin, die General Sorin gerade um den Hals fällt. Wie sehr er sich wünscht jetzt an seiner Stelle sein zu können. Embers Augen leuchten, dieses Strahlen ist selbst durch Agiras verdunkelte Brillengläser deutlich zu erkennen. Allgemein strahlt sie etwas völlig anderes aus, als noch am Tag ihrer Abreise. Selbst wenn es tatsächlich erst fünf Tage her ist, seit sie das Anwesen der Akelas verlassen hatte, so kommt sie ihm wie ein ganz anderer Mensch vor.
Zufrieden schließt er die Augen.
Du hast dich also ganz ohne meine Hilfe weiterentwickelt. Hast deine Grenzen überwunden und bist noch stärker geworden. Das ist deutlich zu sehen. Meine süße kleine Ember ist endlich erwachsen geworden, schießt ihm der Gedanke durch den Kopf während er nach wie vor voller Stolz applaudiert.
Er lässt sich von seinen Glücksgefühlen treiben und reißt plötzlich den Arm in die Luft.
„Das ist meine Ember! Ich habe es immer gewusst! Du bist zu etwas Großem bestimmt!", brüllt er der Welt entgegen, während das Ehepaar Akela noch immer wie Salzsäulen erstarrt zum Monitor aufblickt. Unklar, ob sie sich nun freuen sollten oder sie endlose Tränen vergießen sollten, stehen sie mit leerem Blick da.
Eine ihrer Töchter wird nicht mehr Heim kehren, wird als glorreiche Siegerin gefeiert, während die andere am Boden zerstört ist.

Zur selben Zeit in den Kerkern des Königreichs dringen jubelnde Schreie durch die Korridore der Verließe.
„Das ist meine Kleine! Habt ihr das gesehen? Sie hat es geschafft! Sie hat gewonnen!", brüllt Alastair aus vollem Leibe und starrt mit funkelnden Augen hinauf zur kleinen Zeitkugel, die die Bilder der Siegerehrung überträgt. Voller Stolz sieht er Ember dabei zu, wie sie sich von ihren Kameraden feiern lässt. Wehmütig sieht er ihnen dabei zu, wie sie Ember um den Hals fallen, ihr Glückwünsche aussprechen und sie hochleben lassen.
Wie gern würde er an Levions Stelle hinter ihr stehen, ihr sagen wie wahnsinnig stolz er auf sie ist. Ihr sagen, dass er von Anfang an gewusst hat, dass sie es schaffen würde. Ihr sagen, wie sehr er auf diesen Tag hin gefiebert hat..ihr sagen, wie sehr er sie mag.
Allein bei dem Gedanken daran setzt sein Herz für einen kleinen Moment aus. Es noch länger zu leugnen oder es lediglich auf seine offene Art zu schieben wäre wohl mehr als unnötig. Er ist sich sicher, er mag sie ein wenig zu sehr. Er möchte sie ein wenig zu sehr in seinem Trupp, in seiner Nähe, an seiner Seite.
Seufzend senkt er den Blick und hat ein melancholisches Lächeln auf den Lippen. Er kann es nicht bestreiten, sie hat es ihm vom ersten Moment, als er sie dort auf dem kleinen unbedeutenden Monitor erblickte, angetan. Sein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken daran jetzt und auch morgen, nicht übermorgen, nicht nächste Woche bei ihr sein zu können. Ihre Nähe nicht spüren zu können.
Was sie wohl gerade denkt?
Ob sie an ihn denkt?
Ob sie sich auch wünscht gerade bei ihm sein zu können?
Er weiß es nicht. Diese Unwissenheit bringt ihn beinahe um den Verstand. Am liebsten würde er Levion dazu verdonnern sie auf der Stelle herzubringen, doch er weiß selbst genau, dass das nicht möglich ist.
Er lässt seine Gedanken weiter wandern.
Für welchen Trupp sie sich wohl entscheiden wird? Die besten Chancen hat sie momentan in Levions Trupp. Schließlich ist er ihr derzeitiger Bindungspartner, doch aufgrund des ganzen Chaos ist er sich sicher, dass Sekurion eine Ausnahmeregelung verkünden wird. Sie wird sich vermutlich frei entscheiden können. Natürlich wird sie dennoch Levions Trupp wählen, denkt er sich niedergeschlagen. Sie ist eine logisch denkende Magierin, wie ihre Punktzahlen zeigen. Sie wird es gut haben, wird ihre Kraft weiter steigern und zu einer legendären Magiern werden, dessen ist er sich sicher, doch..er würde sie viel lieber in seinem Trupp wissen.
Wie egoistisch, denkt er sich und seufzt erneut.
„Du bist bei Levion in besten Händen..er wird dich unfassbar stark machen", murmelt er mit einem halbherzigen Grinsen auf den Lippen, ehe General Sekurion erneut die Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Nun, Miss Akela, kommen wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Aufgrund ihrer unglücklichen Situation, zwei Bindungspartner gehabt zu haben steht es ihnen fairerweise zu, sich für einen der beiden Trupps zu entscheiden. Sie haben die Wahl zwischen General Kalens Trupp und General Sorins Trupp. Nehmen sie sich ruhig einige Minuten Bedenkzeit und lassen sie mich wissen, wie sie sich letztendlich entschieden haben", richtet er sein Wort an Ember, die entschlossen den Blick hebt. Bedrückt hebt Alastair eine Braue.
„Du scheinst dir ja ziemlich schnell, ziemlich sicher zu sein meine Kleine..Die Entscheidung scheint dir ja nicht schwer gefallen zu sein", scherzt er mit Wehmut im Herzen, da er fest davon ausgeht, sie an Levion zu verlieren. Erneut zieht sich sein Herz dabei schmerzhaft zusammen, da er diese Worte nun gleich tatsächlich aus ihrem Mund hören wird. Diese verführerischen Lippen werden ihn sogleich vor den Augen aller Anwesenden verraten, dennoch kann er ihr nicht böse sein. Ganz im Gegenteil sein Herz schlägt mit jeder Sekunde nur noch mehr für sie, nur noch mehr für seine Kleine.

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