- Kapitel 145 -

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Eliana POV:

In Gedanken versunken schlendert die Blondine mit ihrem Begleiter den sandigen Pfad zurück in Richtung des Marktplatzes. Die Worte des Ältesten schwirren ihr noch lange im Kopf umher. All die Dinge, die er sagte ergeben nur teilweise einen Sinn für sie. Gleichzeitig jedoch werfen sie nur neue Fragen auf. Auch Midans Schicksal beschäftigt sie. Seine Geschichte erinnert sie an etwas, dass Tarik einst zu Ember sagte, als sie sie wieder einmal heimlich belauschte.
„Man weiß erst wie stark man ist, wenn stark sein das einzige ist, was einem übrig bleibt", sie weiß nicht genau über was die beiden an jenem Nachmittag sprachen, doch aus irgendeinem Grund sind ihr seine Worte in Erinnerung geblieben. Dieser Grundsatz ist beängstigend wahrheitsgetreu auf Midan anzuwenden. Wenn sie diesen Gedanken weiterspinnt läuft er unweigerlich auf Ember hinaus. Wenn sie sich in die andere Richtung entwickelt hätte..wenn sie wie Maron geworden wäre..wer weiß wo sie heute stehen würde?

Früher hätte ihr dieser Gedanke wohl gefallen, doch heute kommt sie nicht drum herum ein wenig stolz zu empfinden. Ember ist unglaublich stark. Ganz abgesehen von ihren magischen Fähigkeiten ist auch ihre Seele stark. All die Jahre über hatte sie die Schikanen und die mitleidigen Blicke über sich ergehen lassen, sie einfach weggesteckt. Ember hat sich nie unterkriegen lassen. Ihr Weg war dunkel und steinig, das steht außer Frage. Doch genau wie der Alte sagte, sie hat sich nicht in der Dunkelheit verloren. Mit geweiteten Augen zupft sie an der trockenen Haut ihrer Lippen. Sie ertappt sich dabei, wie der Neid erneut in ihr aufkocht.
Sie ist neidisch auf ihre Schwester.
Sie hat es intuitiv richtig gemacht, ohne dass man es ihr extra vorkauen musste. Eliana fühlt sich dümmer denn je.
„Ich bin wohl in vielerlei Hinsichten hinten dran..", murmelt sie niedergeschlagen und seufzt ergeben. Sie fragt sich, wie sich ihr Leben wohl entwickelt hätte, wenn sie einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Wenn sie statt gegen, eher mit ihrer Schwester gearbeitet hätte. Ob sie heute wohl am selben Punkt stehen würde? Ob sie wohl mehr erreicht hätte?

„Da bist du ja", reißt die melodisch tiefe Stimme Midans sie aus den Gedanken und lässt sie aufschrecken.
„Du bist so schreckhaft in letzter Zeit. Hast du was angestellt?", triezt er schnippisch, woraufhin Eliana lediglich die Luft ausstößt.
„Nicht mehr als sonst", entgegnet sie mürrisch und setzt ihren Weg fort.
„War wohl ein tolles Gespräch mit dem Ältesten..", murmelt Midan augenverdrehend. „Das kann ich tatsächlich noch nicht sagen..", entgegnet die Blondine nachdenklich und werkelt nach wie vor an ihren Lippen umher. Midan hingegen wirft ihr einen verwirrten Blick von der Seite zu und umgreift ihr Handgelenk.
„Lass das. Das gibt Narben", meint er, woraufhin Eliana verdutzt zu ihm schielt. „Das hat meine Mutter zumindest immer gesagt", fügt er erklärend hinzu, weshalb Eliana unmerklich die Brauen hebt.
„Dann hast du das auch immer gemacht? Meine Mutter ist beinahe Wahnsinnig mit mir geworden. Sie war kurz davor mir meine Hand auf den Rücken zu binden", entgegnet sie lachend und verschränkt ihre Hände hinter dem Rücken.
„Ernsthaft? Naja..wundert mich nicht, dass deine Mutter bei dir zu solchen Maßnahmen greifen würde", kontert der Blauhaarige lachend und erntet einen Schlag gegen die Schulter seitens der Blondine.

Die beiden streunen ohne bestimmtes Ziel durch die Straßen der Siedlung und führen zum ersten Mal überhaupt eine normale Konversation. Die Themen sind belanglos, doch für Eliana fühlen sich die verstreichenden Minuten so unfassbar leicht an. Selten hatte sie sich so unbeschwert gefühlt. Zum ersten Mal seit langem hat sie nichts anderes im Kopf, als das Gespräch mit Midan. All der Stress, all die Schuldgefühle, all die Strapazen..die Zerrissenheit im Inneren rücken in den Hintergrund. Momentan ist sie einfach nur eine junge Frau, die gemächlich die Straßen entlang wandert.
„Nimm es mir nicht übel aber ich hätte dich wirklich älter geschätzt. Nicht, dass du alt aussiehst..es ist nur..deine Magie ist äußerst ausgeprägt", druckst Midan herum und kratzt sich verlegen am Hinterkopf, während Eliana unbeeindruckt zur Seite schielt.
„Ich weiß nicht, ob ich das nun als Kompliment deuten soll oder als Beleidigung", murmelt die Blondine und verfällt hinterher in leises Lachen. „Das ist dir überlassen", kontert der Blauhaarige ebenfalls schmunzelnd. „Und deine Schwester..Ember, richtig? Sie ist eine Feuermagierin?", hakt Midan vorsichtig nach und erntet ein stummes Nicken ihrerseits. „Deshalb warst du also so unbeeindruckt vom Angriff der Kodona..du musst das bestimmt schon an die tausend Mal mitangesehen haben", spekuliert er, woraufhin Eliana ergeben seufzt. „Nicht ganz..tatsächlich habe ich Embers Magie erst vor kurzem in voller Pracht zu Gesicht bekommen..Wir haben beide am Duell der magischen Künste teilgenommen. Sie hat mich mehr oder weniger ganz schön hart rangenommen..", erklärt Eliana mit mürrischem Gesichtsausdruck, während Midan die Brauen hebt.
„Ist das nicht das Event schlechthin in eurem Königreich? Wahnsinn, dass ihr beide teilgenommen habt", entkommt es ihm anerkennend. „Wobei du bereits erwähnt hast, dass euer Verhältnis nicht gerade rosig war..", fügt er hinzu und kratzt sich erneut verlegen am Hinterkopf.
„Ja..es ist..kompliziert", stammelt die Blondine ebenfalls verlegen.
„Falls es dich beruhigt..ich habe ähnliche Probleme mit meinem Bruder. Er ist ein paar Jahre jünger als ich und momentan gerade in der Trotzphase. Unser Verhältnis ist derzeit auch nicht gerade das Beste..", gesteht er und lacht überspitzt auf. „Ich komme einfach nicht an ihn heran. Es ist fast so, als ob er alles und jeden von sich stößt. Ich dachte wenn er einen Begleiter hätte würde er ein wenig mehr aus sich herauskommen..deshalb habe ich auch den Feuerfuchs gekauft. Ich dachte wenn er etwas Positives mit Feuer verbinden würde, würde ihm das ein wenig helfen um über..die Vergangenheit hinwegzukommen. Du musst wissen, dass wir nicht gerade die besten Erinnerungen an Feuermagier haben..oder generell an Feuer..", fügt er unsicher hinzu und senkt den Blick dabei. „Ich verstehe..du wolltest deinem Bruder also einfach etwas Gutes tun..welch nobler Gedanke..", zieht Eliana ihre Schlüsse und kommt sich nur noch schäbiger vor. „Ich denke dein Grundsatz war nicht schlecht. Deinem Bruder die Angst vor Feuer zu nehmen könnte ihm tatsächlich helfen. Allerdings bin ich der Meinung, dass man einen tierischen Begleiter nicht einfach geschenkt bekommen sollte. Vielmehr sollte dein Bruder die Chance bekommen, sich selbst mit einem magischen Wesen zu verbünden. Ich meine..sieh dir mal uns beide an", fügt sie hinzu und deutet grinsend auf den Panther und sich. „Ich bin eine Energiemagierin. Hättest du gedacht, dass ausgerechnet ein Schattenwesen an meiner Seite stehen würde? Ich jedenfalls nicht. Ich könnte mir aber auch kein anderes Wesen an meiner Seite vorstellen. Es war..wie beschreibe ich das..es hat sich einfach richtig angefühlt. Er war einfach da, als ich ihn am dringendsten gebraucht habe. Er hat mir in meiner dunkelsten Stunde zur Seite gestanden und ist geblieben. Hätte ich ein magisches Wesen von meinen Eltern geschenkt bekommen, hätte ich mich sicherlich gefreut, doch ich kann nicht sagen, ob ich genauso eine tiefe Bindung zu ihm aufgebaut hätte, wie zu dem Panther", erklärt sie vorsichtig und erntet nachdenkliches Nicken seitens Midan. „Du hast nicht unrecht. Ich habe mir durchaus schon des Öfteren gedacht, dass man euch beide unter keinen Umständen trennen könnte. Euer Band ist auch für Außenstehende deutlich sichtbar. Ich wollte jedoch einfach nichts unversucht lassen..", kontert Midan und vergräbt seine Hände in den Hosentaschen.
„Sicher doch..das verstehe ich. Abgesehen davon bin ich froh, dass Setto bei dir gelandet ist und bei keinem anderen", gesteht Eliana offen und wendet beschämt den Blick ab.
„Ach ja? Den Eindruck hatte ich aber nicht", kontert Midan lachend und schlägt den Weg in Richtung einer Gartenlaube ein.
„Im Vergleich zu anderen Magiern bist du mir tatsächlich lieber, ob du es glaubst oder nicht", entgegnet Eliana schnippisch und folgt dem Blauhaarigen über die Wiese.
„Ich muss gestehen, dass ich auch froh bin, dass du diejenige bist, der ich Setto zurückgebe", murmelt er in seinen Kragen und öffnet die Laubentür. Der Innenraum ist von Sonnenlicht der untergehenden Sonne durchflutet und eine bequeme alte Couch lädt zum Sitzen ein. Generell sieht das Fleckchen sehr gemütlich aus, weshalb Eliana erleichtert ausatmet. Setto schien es die ganze Zeit über nicht schlecht zu gehen. Es wurde sich gut um ihn gekümmert, was ihr Gewissen ein wenig beruhigt. Voller Erwartung sieht sie sich in der Laube um, kann den Fuchs aber nirgends entdecken. Auch Midan sieht sich prüfend um.
„Wo kann er sich hier denn großartig verstecken?", sagt er mehr zu sich selbst, als zu der Blondine.
„Setto?", ruft Eliana fragend in die Laube und wartet gespannt auf eine Regung, doch vergebens.
„Setto? Hey Kleiner!", versucht nun auch Midan sein Glück, doch auch er erhält keine Reaktion. Verwirrt beginnen die beiden die Laube unter die Lupe zu nehmen.
„Das kann doch nicht sein..er muss hier drinnen sein", meint Midan nach einer Weile und schiebt die Couch angestrengt zur Seite.
„Die Tür zur Laube war verschlossen, richtig?", erkundigt Eliana sich nachdenklich.
„Jetzt wo du es sagst..das Vorhängeschloss an der Tür..", murmelt der Blauhaarige und stürzt nach draußen, woraufhin Eliana ihm folgt.
„Ich habe die Tür abgeschlossen..das Schloss hing jedoch nicht an der Tür als wir hier ankamen", stellt er bestürzt fest. „Ich habe mir nichts dabei gedacht, da Orion sich um den Fuchs gekümmert hat, wenn ich bei meinem Bruder war oder dich im Auge behalten-", unterbricht er sich selbst und reißt die Augen auf. „An jenem Tag, als die Kodona uns angriffen..Orion er..er war noch am Vormittag bei ihm. Ich bin davon ausgegangen, dass er einfach vergessen hat das Schloss wieder anzubringen", erklärt er.
„Die Siedlung macht mir auch nicht den Eindruck, als würden die Leute hier voneinander klauen..aber man weiß ja nie..", fügt Eliana alarmiert hinzu.
„Nein! Das würde niemand tun! Dafür lege ich meine Hand ins Feuer", grätscht Midan aufgebracht dazwischen.
„Na wenn du dich da mal nicht verbrennst..", murmelt Eliana und wirft einen erneuten Blick in die Laube. „Fakt ist, dass Setto nicht hier ist", stellt sie ernüchtert fest und lässt die Schultern sacken. Sie war ihrem Ziel so nah..
„Ausgeschlossen!", entgegnet Midan und zeichnet Runen in die Luft. Plötzlich erscheint Orion neben ihm, der ihn verdutzt anstarrt. „Midan?", entkommt es ihm verwirrt, ehe er seinen Blick auf Eliana richtet.
„Orion, der Fuchs..wo ist er?", redet der Blauhaarige nicht lange um den heißen Brei herum, erntet jedoch nur fragende Blicke seines Kameraden.
„Ich verstehe nicht was du meinst? Er ist in der Laube?", erklärt der Magier und sieht sich ebenfalls in der Laube um.
„Wir haben alles abgesucht, doch er ist nicht hier. Hast du die Laube wieder abgeschlossen, als du das letzte Mal hier warst?", möchte Midan nun wissen, woraufhin Orion verwirrt nickt. „Natürlich..du hast mehr als einmal erwähnt, wie wichtig dieser Fuchs dir ist", entgegnet Orion und klappt die Laubentür zur Seite.
„Eliana ich..ich schwöre dir dass Setto hier drinnen gewesen ist..wir werden ihn finden. Ganz sicher", versichert Midan der Energiemagierin, die mittlerweile einen apathischen Ausdruck aufgelegt hat. Wieder einmal rinnt ihr die heiße Spur durch die Finger, wie Sand in ihrer Hand.
„Hey, seht euch das an..", wirft Orion ein und kniet sich zu Boden. „Habt ihr das gesehen?", fügt er leiser hinzu und deutet auf die dunklen Abdrücke um den Griff der Laube. „Brandspuren..", murmelt Midan, ehe es ihm dämmert. „Du willst doch nicht sagen, dass..", haucht er entsetzt.
„Unmöglich ist es nicht", kontert Orion und erhebt sich wieder. „Er ist ein Feuerfuchs..es war möglichweise ein natürlicher Instinkt mit ihnen zu gehen", meint Orion nachdenklich.
„Denkst du ernsthaft die Kodona haben ihn einfach so mitgenommen?", entkommt es Midan schockiert.
„Sie sind Teil des gleichen Elements..wir spüren die Schattenwesen schließlich auch. Es wäre gut möglich, dass sie ihn während ihres Angriffs befreit haben", zerstört Orion Midans letzte Hoffnungen.
„Aber wenn die Kodona ihn nun haben dann..", beginnt Midan seinen Satz und massiert sich die Schläfen, während Eliana dem Gespräch nur am Rande gefolgt ist. Ihr Schattenpanther hat bereits Settos Fährte aufgenommen, da sie ihm eine Decke mit einigen Fellbüscheln hin hob.
„Macht euch keine Gedanken darum. Ich werde ihn schon finden", wirft Eliana ein und wendet den Blick nach hinten, während des Panthers Augen bereits feurig rot schimmern.
„Bist du des Wahnsinns? Du kannst nicht einfach so ins Gebiet der Kodonas einmarschieren", entkommt es Midan entsetzt, der seine Hände in die Luft wirft.
„Keine Sorge, ich komme schon klar", entgegnet sie seicht lächelnd und ballt die Hand zur Faust. „Ich bin ihm schon dicht auf den Fersen. Ich werde mit Sicherheit nicht mit leeren Händen zurückkehren. Das bin ich meiner Schwester schuldig und wenn es das letzte ist, was ich tue", erklärt sie und fixiert dabei ihre Faust.

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