- Kapitel 138 -

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Eliana POV

Und dafür hat Eliana sich nun mehrere Tage in Folge die Füße wund gelaufen? Für dieses mickrige Wasserloch? Seufzend schüttelt sie den Kopf, während sich der Schattenpanther bereits freudig an den Rand des Ufers begibt. Skeptisch schnüffelt er an der Wasseroberfläche, ehe er seine Zunge hineingleiten lässt.
„Das muss doch ein Scherz sein..", murrt die Blondine genervt und entledigt sich ihres Umhangs.
Sie hatte sich im Zentrum der Stadt nach einer Bademöglichkeit umgehört. Schließlich hatte sie sich seit Wochen nicht gewaschen, was ihr zunehmenden Juckreiz bescherte. Ihre Haare wurden strohig und sie befürchtet, sie nie wieder entwirren zu können. Eilig schlüpft sie aus ihrer alten Uniform, welche sie noch vom Duell der magischen Künste einbehalten hatte. Sie wollte sie bereits entsorgen, da sie sie als zukünftige Repräsentantin ohnehin nie wieder benötigen würde. Zum Glück hat sie sie behalten, schießt es ihr durch den Kopf, während sie ihre Magie nutzt und einen Haushaltszauber anwendet, um die Kleidung zu reinigen.
Währenddessen begibt auch sie sich mit nichts weiter als ihrer Unterwäsche bekleidet ans Ufer und läuft zaghaft ein paar Schritte in die lauwarme Brühe. Angewidert verzieht sie das Gesicht, zwingt sich jedoch tapfer weiterzugehen. „Ugh..ich will mir gar nicht vorstellen was hier sonst noch so kreucht und fleucht..", jammert sie und wirft ihrem Panther einen Blick zu, der sich ebenfalls eine Abkühlung genehmigt. „..Oder was man hier in diese Pfütze schon alles hineingekippt hat..", fügt sie hinzu und begutachtet die bräunliche Färbung des Wassers. Es schüttelt sie am ganzen Körper, doch sie weiß, dass es sein muss. Der Sand und die Strapazen der letzten Wochen haben ihren Tribut gefordert. Aufgrund des trüben Wassers kann sie ihre Spiegelung erkennen, was sie schockiert die Augen aufreißen lässt. Den braunen Teint kann sie definitiv nicht auf das schmutzige Wasser schieben. Sie zieht nachdenklich ihre Brauen zusammen.
Wie sollte sie das nur ihren Eltern erklären? Solch eine Bräune hatte sie nicht einmal während den heißesten Sommern Adarons erhalten. Ein wenig Erleichterung verschafft ihr allerdings die Tatsache, dass sich der Sonnenbrand gelegt hat. „Na wenigsten das..", seufzt sie und nimmt sich einige Hände voll Wasser. Sie verteilt es auf ihrem Körper und lässt es über ihr Gesicht laufen. Eliana gibt es nur ungern zu, doch es tut unglaublich gut sich endlich den ganzen Dreck von der Haut zu spülen. Sie beugt sich kopfüber nach vorn und benetzt ihre Haare. Der seichte Wind verschafft Abkühlung, was gerade zur Nachmittagszeit überaus angenehm ist. Ein wohliges Seufzen entkommt ihr als die klatschnassen Strähnen auf ihren Schultern liegen und diese wie ein feuchter Lappen als Kühlung fungieren.
Nachdem sie sich ausgiebig durchnässt hat stapft sie ans Ufer zurück und setzt sich auf den ausgebreiteten Umhang. Mit noch immer feuchten Händen kramt sie wieder einmal die Stadtkarte aus und versucht einzuordnen welchen Weg sie gegangen war, um dieses Loch später wieder zu finden sollte das nötig sein. „Beim Segen der Königsfamilie..hoffentlich wird das nie wieder nötig sein", murrt sie und schüttelt ihren Kopf dabei. Der Panther erfreut sich noch immer am lauwarmen Nass, was sie mit einem Grinsen quittiert.
„Naja immerhin du scheinst dich hier wohlzufühlen", schmunzelt sie und konzentriert sich erneut auf die Karte. Mittlerweile hat sie den Dreh einigermaßen raus. Auch wenn sie die Sprache des Königreichs Trios nur sporadisch beherrscht und auch sonst nie sonderlich begabt im Kartenlesen gewesen ist, so hat sie sich eine Methode zurecht gelegt mit der sie zumindest nicht völlig verloren durch die Straßen zieht. Sie sucht sich immer gewisse Schlüsselpunkte in ihrer näheren Umgebung, die sie auf der Karte zu finden versucht. Auf die Weise weiß sie immerhin grob wo sie sich befindet.

Plötzlich reißen sie laute Stimmen aus ihren Gedanken, gefolgt von lautem Lachen und Planschgeräuschen. Schockiert verzieht sie ihr Gesicht und packt ihre Sachen hastig zusammen. Sie sprintet hinter den nächstgelegenen Felsen und versucht ihre Atmung zu beruhigen. Scheinbar ist sie nicht die Einzige, die Lust auf ein Bad hatte. Ihr Begleiter gesellt sich auf schleichenden Pfoten neben sie und schüttelt sich mehrfach ausgiebig. Eliana schielt prüfend um die Felskante und atmet erleichtert aus, als sie sieht, dass es lediglich eine Gruppe Jugendlicher ist. Sie spritzen sich die eklige Brühe in die Gesichter und rennen die Mitte des Wasserlochs fixierend nach vorn. Kopfschüttelnd rauft sie sich die Haare und sieht an sich herab. Ihre Unterwäsche ist noch nicht getrocknet, dennoch stülpt sie sich die enge Uniform wieder über den Körper. Sie hat sich noch nicht vollständig bekleidet, als die Augen des Panthers erneut violett leuchten. Alarmiert reißt Eliana die Augen auf und sieht sich hektisch um.
„Was? Ausgerechnet jetzt? Ist das sein Ernst!", murrt sie und beeilt sich dabei ihre Stiefel zuzuschnüren. Ihr Begleiter hingegen begibt sich bereits auf die Pirsch und setzt sich vor einen hohen Grasbüschel. Aus dem Augenwinkel verfolgt sie die Schritte des Schattenpanthers und hüpft auf einem Bein auf ihn zu. Das schwarze Wesen schiebt seine Schnauze quälend langsam an den Grashalmen vorbei und schnappt blitzschnell zu. Der beigefarbene Umhang wird hin und hergezogen, was die Energiemagierin mit gerunzelter Stirn verfolgt. Verwirrt wirft sie einen Blick hinter sich und muss feststellen, dass der Umhang nicht länger dort liegt, wo sie ihn zurückgelassen hat. Wütend schiebt sie die Brauen zusammen und ballt die Hände zu Fäusten
„Hey! Gib den Umhang zurück! Er gehört mir", murrt sie und eilt ihrem Begleiter zur Hilfe. Gemeinsam ziehen sie an einem Ende des Stoffes, während der flüchtige Magier am anderen Ende festhält.
„Pah, dass ich nicht lache..der Umhang gehört mir und du hast ihn mir gestohlen", entgegnet er, woraufhin Eliana ihre Augen weitet. Es ist das erste Mal seit langem, dass sie seine Stimme hört.
„Selbst schuld! Du hast ihn verloren als du vor mir davongelaufen bist..Wer es findet darf es behalten", entgegnet sie zeternd und zieht erneut mit einem Ruck daran.
„Sind wir jetzt im Kindergarten? Dieser Umhang gehört mir", spottet der Blauhaarige und lehnt sich mit seinem Gewicht nach hinten.
„Du hast doch mit dem Kindergarten angefangen! Hättest du mir einfach einen Moment lang zugehört wären wir jetzt nicht in dieser Lage", kontert sie und intensiviert den Zug weiter.
„Du hast sie doch nicht mehr alle..wenn er dir so gefällt dann behalte ihn. Ich habe sowieso Besseres zu tun als mich mit dir herumzuschlagen", entgegnet er spitz und lässt mit einem Schlag los, was Eliana und den Panther nach hinten fallen lässt.
„Hey, was..", murmelt sie und reibt sich den Kopf.
„Viel Spaß damit du Hexe", meint er und sprintet bereits davon.
„Moment mal! So warte doch!", brüllt sie ihm mit erhobener Faust hinterher und springt im nächsten Moment auf die Beine.
„Schnappen wir ihn uns!", ruft sie ihrem Begleiter zu, der ebenfalls zum Sprint ansetzt.

Die Anstrengung ihrer Muskeln ist deutlich spürbar und all die Erfrischung von zuvor verschwindet mit einem Mal. Dabei habe ich doch erst ein Bad genommen, denkt sie frustriert während sie weiter durch die Straßen rennt. Der blauhaarige Magier ist nur wenige Schrittlängen vor ihr, doch sie schafft es einfach nicht ihn einzuholen. Gemeinsam mit ihrem Schattenpanther jagt sie ihm, wie schon so oft, durch etliche Gassen hinterher. Vorbei an offenen Haustüren, herumstehenden Bürgern sowie kreuzenden Karren. Sie vermeidet es tunlichst mit einem der Hindernisse zu kollidieren, was sie einiges an Zeit kostet, doch sie einfach mit Blitzangriffen aus dem Weg zu räumen kommt nicht in Frage. Sie verengt ihre Augen zu Schlitzen während sich ihre Stirn in Falten legt. So geht das nicht weiter. Sie wird ihn aus den Augen verlieren. Wut kocht in ihr auf, doch sie muss sich zusammenreißen. Sie muss sich beherrschen, für Setto, für Ember. Solch ein Aufruhr, wie damals in der Hauptstadt, darf kein zweites Mal entstehen.

Sie fliegen nahezu über den Boden der Straßen, während Eliana sich geschickt an den Bürgern vorbeischlängelt, sie mithilfe eines Sprungsaltos überspringt oder die Hauswände als Umweg nutzt. Immer wieder wirft der Flüchtige ihr einen Blick über die Schulter zu und hat dabei wieder sein dämliches Grinsen aufgelegt, was Elianas Wut nur weiter anstachelt. Dieser Idiot! Er wird seinen Spott noch bereuen, denkt sie sich rasend vor Zorn und beschleunigt ihr Tempo noch ein wenig, was ihren Rückstand ausgleicht. Wahnhaft lächelnd streckt sie bereits eine Hand aus und versucht die Kapuze seines Umhangs zu fassen zu bekommen. Dafür ist sie allerdings noch zu weit entfernt.

Während sie ihm hinterherjagt und ihr Fokus voll und ganz auf den Blauhaarigen gerichtet ist, springt ihr plötzlich ein bekannter, rötlich schimmernder brauner Schopf ins Sichtfeld. Wieder einmal ist es so, als würde sich der Lauf der Zeit verlangsamen. Die Geräusche werden leiser, die Gesichter der umherstehenden Massen werden unscharf und die Gedanken verstummen für einen einzigen Augenblick. Ihre Blicke treffen sich, während Eliana nur haarscharf an der besagten Magierin vorbei stürmt. Die gesprenkelten Pupillen, die Brille und die Uniform würde sie überall wieder erkennen. Die blasse Haut, der leere Blick, die spröden Lippen. All das lässt die Energiemagierin innerlich erschaudern. Noch nie hatte sie ihre Schwester in solch einem Zustand gesehen. Nicht einmal während der schlimmsten Grippe, die sie sich je einfing.
Auch die Feuermagierin weitet überrascht ihre Augen und verfolgt Eliana mit ihrem stechenden Blick. Die Münder der beiden Schwestern sind weit geöffnet, als Eliana eine erneute Welle an Scham überkommt. War sie etwa Schuld daran? Nein, das hat sie nie gewollt. Nein, so sollte das alles nicht ablaufen. Sie wollte sie verletzen, jedoch nicht seelisch umbringen! Wie konnte sie nur so weit gehen? Wie konnte sie Ember das nur antun?

Hastig wendet sie den Blick ab, zieht die Kapuze tiefer ins Gesicht und legt noch einmal alles an Kraft in ihre Beine, die sie zur Verfügung hat. Den Flüchtigen ignorierend schlägt die Energiemagierin einen Haken in die nächste Seitenstraße und biegt mehrfach ab. Schwer atmend bleibt sie stehen und lehnt sich schweißgebadet gegen die Hauswand. Ihr Atem geht stoßweise, die Gedanken überschlagen sich während sie immer wieder um die Ecke späht. Sie hat das Gefühl ihre Lunge beim nächsten Atemzug hinauszuwerfen. Die Muskeln in ihren Beinen brennen wie Feuer und ihr Mund ist trocken wie die Wüste. Der Schattenpanther gesellt sich von der anderen Seite der Gasse zu ihr und schmiegt sich an sie. Eilige Schritte erklingen, weshalb sie ihren Atem anhält. Stoßgebete rasen durch ihre Gedanken. Bitte..lass Ember mich nicht finden..bitte, ich habe Setto noch nicht gefunden..ich kann ihr einfach noch nicht unter die Augen treten..das geht einfach nicht.

Blind FireWhere stories live. Discover now